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Bobsport Ihr Herz schlägt im Kanal

Von der Eisschnellläuferin zur Anschieberin: Lisa Gericke ist der jüngste Neuzugang beim Mitteldeutschen Sportclub (MSC).

Von Daniel Hübner 26.11.2015, 00:01

Magdeburg l Ihr Herz hing am Eisschnelllauf, aber ihr Herz war nicht mehr gewollt. Lisa Gericke sollte in diesem Jahr an den Leistungsstützpunkt nach Berlin wechseln, weil dort Sprinter wie sie ausgebildet werden, aber sie hätte dafür alles selbst finanzieren müssen. „Man hat mich vor die Wahl gestellt, dorthin zu gehen oder aufzuhören“, erzählt sie. Letztlich hat es die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) der 20-Jährigen leicht gemacht, ihr Herz für diesen Sport zu verlieren. Deshalb schlägt es seit Mai nicht mehr auf der Bahn, sondern im Kanal – als Anschieberin beim Mitteldeutschen Sportclub in Magdeburg (MSC). Und sie sagt: „Beim MSC sind die Leute einfach toll, alle kümmern sich um dich.“

Dieser Wechsel erforderte letztlich also keine Überredungskünste von MSC-Trainer Norman Dannhauer. „Er hatte schon vor zwei Jahren angefragt“, berichtet Gericke. Beide kennen sich aus dem Eisschnelllauf-Zirkus. Über Dannhauers Gattin Judith, selbst eine Weltklasse-Sprinterin, die derzeit den gemeinsamen Sohn Arthur hegt und pflegt.

Den Einstieg ins „Boot“ hatte sich Gericke dann „viel schlimmer vorgestellt“. Vielleicht sogar so schlimm, wie es Christian Ebert, ebenfalls seit dieser Saison für den MSC am Start, beschrieben hat: „Es fühlt sich an, als ob man sich mit dem Auto überschlägt.“ Über diese Einschätzung muss Gericke schmunzeln: Sie ist eine Freundin der Geschwindigkeit, während der ehemalige SCM-Speerwerfer hohes Tempo und Bandenschläge erst lernen musste.

Gericke kommt aus Brandenburg an der Havel, sie studiert in München Betriebswirtschaft: „Mir gefällt’s“, sagt sie zum Fach. Sie ist im Eisschnelllauf Junioren-Meisterin geworden, ist bei den nationalen Titelkämpfen der Elite schon auf Platz vier gesprintet, nahm an Junioren-Weltcups teil – und erlitt 2014 einen Bandscheibenvorfall. „Ich habe mich aber wieder rangekämpft und bin bei den beiden letzten Wettbewerben der vergangenen Saison gestartet“, berichtet sie. Der Rest dieser Karriere ist nur noch Abschied.

Angekommen ist sie nun im Zweierbob, am vergangenen Wochenende brachte sie Miriam Wagner vom BSC Sachsen Oberbärenburg in die Spur. Sie sind Vierte bei den deutschen Meisterschaften in Altenberg geworden. „Für mich war das eine gute Platzierung bei meinen ersten Meisterschaften“, sagt Gericke. Wagner hatte sich indes womöglich mehr erhofft, die 26-Jährige ist Junioren-Weltmeisterin im vergangenen Winter geworden. „Aber sie hat nach einem Muskelfaserriss im Beuger erst in den letzten zwei Wochen wieder trainiert.“

Platz vier reichte also nicht zum Weltcup, für den sicherten sich Anja Schneiderheinze (Erfurt), Sandra Kroll (Königssee) und Mariama Jamanka (Oberhof) die Startlizenz. Aber es reichte zum Europacup, der am Wochenende in Winterberg beginnt und zu dem Gericke wieder in den Schlitten der erst 19-jährigen Pilotin Sabrina Duljevic (Oberbärenburg) steigt. Und es soll reichen für die Junioren-WM (18. bis 24. Januar), die ebenfalls in Winterberg ausgetragen wird.

In drei Wochen ist dazu das entscheidende Rennen, drei deutsche JWM-Plätze für fünf Damen-Teams sind zu vergeben. Beide Mädels haben sich die Teilnahme zum Ziel gesetzt, wie auch der 22-jährige Ebert, der mit Pilot Richard Oelsner (Oberbärenburg) antreten wird. „Wichtig ist, dass sie sich gut entwickeln, um in der nächsten Saison richtig anzugreifen“, sagt indes Coach Dannhauer. „Das ist die Hauptsache.“ Und ein Herz für den Bobsport.