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Boxen Langweilige Jagd auf einen Ringfuchs

Europameister Michael Wallisch tat sich bei seiner Titelverteidigung gegen Herausforderer Ivica Bacurin (Kroatien) recht schwer.

Von Janette Beck 11.01.2016, 00:01

Berlin l Das hörte SES-Promoter Ulf Steinforth wohl nicht ganz so gerne: Als sein einstmals bestes Pferd im Stall, Robert Stieglitz, weit nach Mitternacht seine Eindrücke vom Kampfabend im Berliner Maritim-Hotel wiedergab und erklärte, er sei bei dem EM-Kampf seines Stallkollegen Michael Wallisch „fast eingeschlafen“, kommentierte der Mitveranstalter der Boxgala das lediglich mit einem kurzen: „Man kann eben nicht alles haben ...“

Dabei hatte der Ex-Weltmeister im Supermittelgewicht nur das ausgesprochen, was viele der 1800 Zuschauer im ausverkauften, edlen „Schmuckkästchen“ auch so gesehen hatten: Die eigentliche „Perle“ des Abends war aus sportlicher Sicht das siegreiche Comeback von SES-Boxer Robin Krasniqi in der neuen Gewichtsklasse. Der „Azubi“ zum Supermittelgewichtler hatte sich beim Duell mit dem Wuppertaler Cagri Ermis einen tollen Schlagabtausch geliefert, der das Publikum von den Sitzen riss. Dagegen wirkte das von Sat.1 um Mitternacht live gesendete Schwergewichts-Duell um den EM-Gürtel doch eher trist und langweilig.

Weil auch Wallisch selbst seinen ersten TV-Live-Auftritt realistisch einschätzen konnte, waren die Reaktionen bei der Verkündung des Urteils dementsprechend: Mit versteinerter Miene registrierte der Magdeburger den einstimmigen Punktsieg (119:106, 118:107, 120:105). Das sonst gewohnte breite Siegergrinsen und die Lachfalten um den Augen gab es diesmal nicht zu sehen.

„Warum auch, so doll war das nicht. Mit dem Ergebnis unterm Strich bin ich natürlich zufrieden, mit dem Kampfverlauf aber nicht“, so der 30-jährige alte und neue Europameister, der sich Runde um Runde nahezu vergeblich auf die Jagd nach dem Fersengeld gebenden „Ringfuchs“ Bacurin gemacht hatte. „Es war schwer, ihn zu stellen. Aber er hat ja schon in vielen anderen Kämpfen bewiesen, dass er sich über die Runden zu retten versteht.“ So habe er es auch diesmal clever gemacht, in dem er weggerannt sei oder sich hintenraus, als es eng für ihn wurde, abgeduckt oder geklammert habe. „Das ist für die Zuschauer unspektakulär und nicht immer schön anzusehen“, zeigte Wallisch Verständnis.

Hinterher attestierte der 33-jährige Kroate, eigentlich im Cruisergewicht zu Hause und 15 Kilo leichter als Wallisch, dass dieser „ein wahrer Champion“ und klar besser gewesen sei. „Ich werde in Zukunft lieber versuchen, im Cruisergewicht erfolgreiche Kämpfe zu machen“, so der mehrfach verwarnte Bacudin, der in der Schlussphase der 12. Runde nach einer harten Rechten angezählt wurde und sich mit Klammern ins Ziel rettete.

Das war auch Steinforth ein Dorn im Auge: „Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn Michael der K.o. noch gelungen wäre. Aber das ist kein Wunschkonzert, das ist Sport.“ Durch seinen derzeit bestplatzierten Schwergewichtler ein wenig unter Druck gesetzt („Ich habe meinen EM-Titel verteidigt, rutsche dadurch in die Top Ten und will angreifen. Da gibt es Gesprächsbedarf, für dieses Jahr etwas in Richtung WM-Chance zu managen.“), erklärte der SES-Promoter: „Ein WM-Kampf muss immer das Ziel sein und es wäre toll, wenn sich da etwas machen ließe. Mal sehen, wie die Einschaltquote war (siehe auch Zahl des Tages/A.d.Red.). Ist sie gut, was ich hoffe, wäre das sicher ein zusätzliches Argument.“ Stein-forth zeigte sich überzeugt, dass Wallisch sein Ding machen und weiter hart an sich arbeiten werde. „Das erhoffte Feuerwerk werden wir von ihm ganz sicher noch sehen.“