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Kanu Wer mit wem?

Canadierspezialist Yul Oeltze vom SC Magdeburg hat sich bei der "Partnersuche" für das Naheliegende entschieden: Teamkollege Erik Leue.

Von Janette Beck 13.03.2016, 00:01

Magdeburg l Die Kanuten können sich glücklich schätzen. Anders als die Ruderer, die rückwärts fahren, haben sie beim Training auf dem Wasser die Zukunft vor sich. Und Yul Oeltze hat dabei stets ein imaginäres Ziel vor Augen: Rio 2016. Wie fokussiert der Magdeburger ist, wird deutlich, als er die aktuellen Eckdaten seiner Etappenziele herunterbetet: „Noch 147 Tage bis zur Eröffnungsfeier in Rio, nur noch 151 Tage bis zum C2-Finale und nur noch 27 Tage bis zur ersten Qualifikation in Duisburg“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Dass der 22-Jährige „nur noch nach vorn schauen“ will, hat aber noch einen anderen Grund. Der Blick zurück wäre destruktiv, denn die Vorsaison, in der er zusammen mit Ronald Verch (Potsdam) in einem Boot saß, ging im entscheidenden Moment nach hinten los. Mit fatalen Folgen für die Überraschungs-Dritten der WM 2014: Während SCM-Teamkollege Michael Müller zusammen mit Peter Kretschmer (Leipzig) bei der WM in Mailand den olympischen C2 über 1000 Meter fuhren, blieb für Oeltze/Verch lediglich der Start über die 500 Meter. Zu allem Überdruss reichte es nur zu Rang neun – und Yul Oeltze, der Überflieger des Jahres 2014, fand sich auf dem harten Boden der Realität wieder.

Doch im gleichen Moment öffnete sich eine neue Tür in Richtung Rio. Der Grund: Müller/Kretschmer hatten mit Rang sieben den Quotenplatz für die Spiele 2016 verpasst. Damit war klar: Das Rio-Ticket muss im „Nachsitzen“ gelöst werden. Nunmehr heißt es beim Olympia-Ausscheid Mitte Mai in Duisburg: Alles oder nichts! Und klar war auch: Die Türen stehen wieder allen offen, die ein Auge auf die begehrten zwei Olympia-Tickets geworfen hatten – und das sind gleich zwei Handvoll Canadierfahrer. Da galt es, so früh wie möglich die Weichen bei der Partnersuche zu stellen.

Der „Beziehungsstress“ ging noch bei der WM in Mailand los. „Der Bundestrainer fragte mich, ob ich weiterhin mit Ronald fahren möchte“, erinnert sich Oeltze. „Die Enttäuschung über die verpasste Medaille war aber so groß, das musste ich erstmal verdauen.“ Der Magdeburger wollte keinen Schnellschuss abgeben, bat um Bedenkzeit. Unter Druck gesetzt, traf er eine Entscheidung: Das Freizeit-Model gab Verch einen Korb. „Roland war enttäuscht, seitdem herrscht absolute Funkstille zwischen uns“, gesteht der Schützling von SCM-Trainer Eckhard Leue.

Bei der Suche nach einem neuen Partner brauchte Oeltze nicht in die Ferne schweifen. Das Gute lag für ihn so nah: Erik Leue. Der 30-Jährige, der im Vorjahr den Sprung in die Nationalmannschaft knapp verpasst hatte und deshalb auf jegliche Unterstützung des Verbandes verzichten muss, wollte es im Herbst seiner Karriere noch mal wissen und ebenso ambitioniert das Ziel Rio ansteuern. Oeltze: „Wenn man ohnehin das Gefühl hat, beim Verband außen vor zu sein, tut man sich am besten vor Ort zusammen. Also haben wir uns entschieden, es gemeinsam zu versuchen.“ Und obwohl es ein Experiment mit ungewissem Ausgang ist, erhalten beide volle Unterstützung durch den SCM und den Olympiastützpunkt. „Wir wissen es zu schätzen, dass die Leute vor Ort hinter uns stehen und an uns glauben. Dafür legen wir uns auch mit 110 Prozent ins Zeug“, beteuert Leue.

Spätestens seitdem jeder weiß, wer mit wem in einem Boot sitzt, herrscht Harmonie im selbsternannten „Team Leue“, zu dem nach wie vor auch Müller gehört. Der 22-Jährige bleibt seinem Partner Kretschmer im Übrigen treu, beide gelten als Top-Favoriten auf den olympischen C2 und genießen als A-Kader die optimale Förderung durch den Verband. Heißt aber auch, in der Vorbereitung auf Rio mussten die drei Magdeburger oftmals getrennte Wege gehen. So auch momentan: Während sich Oeltze/Leue in Banyoles (Spanien) den Feinschliff holen, schrubben Müller/Kretschmer in Sabaudia (Italien) Kilometer.

Spätestens in der zweiten Aprilwoche treffen alle Olympiakandidaten in Duisburg aufeinander. Dann gilt es für Oeltze/ Leue „von null auf hundert“ durchzustarten. Gleich der erste Tag der „Quali“ wird für klare Verhältnisse sorgen. Oeltze weiß, was die Stunde geschlagen hat: „Der Final Countdown hat begonnen, und so trainieren wir auch. In Duisburg setzen wir alles auf eine Karte: Entweder Erik und ich schaffen es zusammen nach Rio, oder keiner.“