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Boxen Stallduell? „Nicht mit uns!“

Europameister Robert Stieglitz (35) und Interconti-Champion Dominic Bösel (27) vor der Boxgala in Leipzig im Volkstimme-Doppel-Interview.

Von Janette Beck 17.03.2017, 00:01

Zu Beginn muss geklärt werden, wer auf die Fragen zuerst antworten darf. Knobeln, oder geht Alter vor Schönheit?

Robert Stieglitz: Das ist mir völlig wurscht.

Dominic Bösel: Alter vor Schönheit: Robert fängt an!

Wo fühlen Sie sich zu Hause?

Robert Stieglitz: Magdeburg

Dominic Bösel: Freyburg

Also ist Leipzig eher ein Veranstaltungsort wie jeder andere?

Robert Stieglitz: Für mich ja.

Dominic Bösel: Für mich ist Leipzig ein Heimspiel. Ich wohne ja um die Ecke, bin oft hier und kenne die Stadt sehr gut. Viele meiner Leute kommen rüber, um mich zu unterstützen. Die Arena ist beeindruckend, hier finden sonst nur große Veranstaltungen statt, und es war immer mein Traum, hier mal vor vollen Rängen zu boxen.

Wie lief die Vorbereitung?

Robert Stieglitz: Ich bin sehr zufrieden, alles lief nach Plan und ich fühle mich top-fit.

Dominic Bösel: Ich bin seit Dezember im Training und es war eine sehr lange Vorbereitung, die unglücklicherweise von vier Infekten immer wieder unterbrochen wurde. Dennoch, ich bin bereit!

Welchen Boxer würdest Du gerne in Rente schicken?

Robert Stieglitz: Mich selbst

Dominic Bösel: Jürgen Brähmer

Ist das Halbschwergewicht  die attraktivste Gewichtsklasse nach dem Schwergewicht?

Robert Stieglitz: Schwer zu sagen, Supermittelgewicht ist auch nicht zu verachten. Immerhin bin ich da zweimal Weltmeister geworden. Es gibt in vielen Gewichtsklassen gute Boxer, die gut im Geschäft sind.

Dominic Bösel: Eindeutig ja!

Wie wichtig ist Ihnen Familie?

Robert Stieglitz: Sehr wichtig.

Dominic Bösel: Dito, denn ohne Unterstützung meiner Familie wäre ich nicht da, wo ich heute bin.

Die Freundin am Ring, muss das sein?

Robert Stieglitz: Ich habe das nicht so gerne. Anna wird in Leipzig nicht dabei sein. Ihr Platz ist zu Hause bei unserer kleinen Tochter.

Dominic Bösel: Steffi ist dabei. Mir ist es wichtig, dass sie am Ring sitzt.

Apropos Freundin: Wie halten Sie es mit Sex vorm Kampf?

Robert Stieglitz: Na ja ..., bis fünf Tage vor dem Kampfabend ist okay, ich bin ja nicht mehr der Jüngste.

Dominic Bösel: Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen.

Wie sieht ein perfekter Tag bei Ihnen aus?

Robert Stieglitz: Gut frühstücken, sich sportlich auspowern, dann etwas Interessantes, Neues erleben und abends am Kamin sitzen, mit Freunden quatschen  und lecker essen.

Dominic Bösel: Lange ausschlafen, Sonnenschein, die Freundin neben mir strahlt auch, Brunchen, keine Termine einhalten müssen, dafür shoppen gehen und abends Grillen mit Freunden.

Was wären Sie geworden, wenn nicht Profiboxer?

Robert Stieglitz: Kriminalpolizeibeamter

Dominic Bösel: Eventuell Berufssoldat

Welchen Kampfnamen würden Sie dem anderen geben?

Robert Stieglitz: Einhorn, warum bleibt unser Geheimnis.

Dominic Bösel: Löwe trifft es ganz gut.

Wer oder was erdet Sie?

Robert Stieglitz: Ich mich selbst – mit meinem bodenständigen  Lebensstil  und dem, was ich mir leiste.

Dominic Bösel: Meine Eltern und meine Erziehung.

Ist es von Bedeutung, welcher Kampf in Leipzig live vom MDR übertragen wird?

Robert Stieglitz: Das wäre mir egal. Aber da beide Kämpfe nacheinander live übertragen werden – meiner zuerst übrigens (lacht) – ist das eh kein Problem.

Dominic Bösel: Ich wäre ehrlich gesagt angepisst, wenn der MDR Roberts Kampf live übertragen würde und meinen danach als Konserve … Aber so kommen wir beide zu unserem Recht. Alles gut!

Für Sie beide sind es freiwillige Titelverteidigungen, der Gegner also freie Wahl. Hand aufs Herz: Gehört er zur Kategorie Fallobst oder steht ein würdiger Herausforderer im Ring?

Robert Stieglitz: Nikola Sjekloca hat von 36 Kämpfen nur vier verloren, und die gegen Top-Leute wie Arthur  Abraham, Calum Smith  oder Tyron Zeuge. Der Serbe lebt in Montenegro, ist mit 38 Jahren sehr erfahren, er ist etwas größer als ich und noch nie K.o. gegangen - also Sjekloca ist schon ein würdiger Herausforderer.

Dominic Bösel: Das Gleiche gilt für  mein Gegenüber, Sami Enbom. Es ist Finnlands Nummer eins, und sein Kampfrekord sagt alles und qualifiziert ihn sehr wohl, mich herauszufordern: 14 Kämpfe, 14 Siege – davon sieben durch K.o.

Welches war Ihr bester Kampf?

Robert Stieglitz: Der Sieg am 1. März 2013 in Magdeburg gegen Weltmeister Arthur Abraham.

Dominic Bösel: Mein bester Kampf kommt noch.

Ihre bislang größte Börse war wie hoch?

Robert Stieglitz: Eine Million Euro.

Dominic Bösel: Zwei Millionen – nee, Quatsch! Darüber rede ich nicht.

Das Boxgeschäft ist ein Haifischbecken, ein cleverer Promoter die halbe Miete. Können Sie Ulf Steinforth weiterempfehlen?

Robert Stieglitz: Auf jeden Fall. Für mich gibt es keinen besseren. Die Beziehung ist fast mit einer Ehe zu vergleichen, und wir haben in guten wie in schlechten Zeiten immer zusammengehalten.

Dominic Bösel: Es ist extrem wichtig, einen guten Promoter zu haben, der einen in jeder Hinsicht unterstützt und Mensch bleibt. Ich konnte mich bis jetzt immer auf Ulf und sein Wort verlassen.

Gewichtmachen gehört zum Boxer-Alltag. Worauf fällt der Verzicht am schwersten?

Robert Stieglitz: Die letzten Wochen vor dem Kampf esse ich viel Fleisch und Salat. Die Kohlenhydrate muss ich weglassen, dabei esse ich  gerne mal Kartoffeln oder Nudeln. Auf Süßes zu verzichten, ist kein Problem mehr.

Dominic Bösel: Ich esse generell gerne und gut, mich diesbezüglich einzuschränken, fällt mir schwer.

Welche Gemeinsamkeiten sehen Sie bei sich?

Robert Stieglitz: Was die Einstellung zu unserem Sport betrifft, da sind wir uns sehr ähnlich. Wir sind fleißig, diszipliniert, geben im Training und Kampf alles und wollen es bis nach ganz oben schaffen.

Dominic Bösel: Robert hat alles gesagt, was uns verbindet.

Und was unterscheidet Sie?

Robert Stieglitz: Der Frauengeschmack. Da muss sich Dominic noch finden.

Dominic Bösel: Das Alter. Und Robert ist aktueller Europameister, er war zweifacher Weltmeister und hat x-mal seine Titel verteidigt – er hat in seiner Karriere bereits das alles erreicht, wonach ich strebe.

Unter welchen Umständen ist ein Stallduell Stieglitz vs. Bösel vorstellbar?

Robert Stieglitz: Unter keinen Umständen. Nicht mit uns!

Dominic Bösel: Ein Stallduell wäre echt Blödsinn. Wir trainieren seit sechs Jahren zusammen, haben schon Sparring gemacht. Wir kennen uns also in- und auswendig, boxen ähnlich  –  für die Zuschauer wäre das kein schöner Kampf.

Mit wem oder wie verbringen Sie am liebsten Ihre Freizeit?

Robert Stieglitz: Mit meinen Kindern.

Dominic Bösel: Mit meiner Französischen Bulldogge „Hugo“

Wer ist der größte Boxer aller Zeiten?

Robert Stieglitz: Muhammad Ali – nicht nur wegen seiner Kämpfe und boxerischen Klasse, sondern wegen der Persönlichkeit und seiner ganzen Geschichte.

Dominic Bösel: Es gibt viele Boxer, die tolle Kämpfe gemacht haben.

Robert Stieglitz, heißt es oft, ist das Zugpferd, die  Lokomotive von SES. Dominic Bösel der Kronprinz oder Weltmeister in spé. Wo sehen Sie sich selbst in der Hierarchie Ihres Boxstalls?

Robert Stieglitz: Wir gehören beide zur Weltspitze. Als zweifacher Weltmeister war ich schon ganz oben, jetzt bin ich Europameister  – also von den Leistungen her, das kann man schon sagen, bin ich die Nummer eins bei SES.

Dominic Bösel: Wir sind keine Mannschafts- , sondern Einzelsportler, da spielt eine Hierarchie keine Rolle, glaube ich. Jeder von uns will nach oben, keiner hat ein Problem mit dem anderen, jeder gönnt jedem den Erfolg.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im deutschen Profiboxsport?

Robert Stieglitz: Das mediale Interesse ist stark gesunken, die Einschaltquoten gehen runter. TV-Verträge werden gekündigt oder nicht verlängert. Es gibt kaum noch Sender, die  Boxkämpfe live übertragen. Es sind in den letzten Jahren einige Sachen gelaufen, die unserem Sport sehr geschadet  und Interessenten misstrauisch gemacht haben.

Dominic Bösel: Insgesamt ist in Deutschland ein Abwärtstrend zu beobachten. Fehlurteile, schlechtes Marketing der TV-Sender oder auch miserables Matchmaking – da gibt es einige Gründe. Inzwischen halten ja fast nur noch wir mit dem MDR die Fahne hoch. Bei uns steigen die Quoten sogar kontinuierlich. Insgesamt sollten wir uns da noch mehr  von den USA abschauen und auch beim Matchmaking mutiger sein. Viele Boxer oder deren Promoter  haben einfach nur Angst zu verlieren, dementsprechend  sind dann auch die Gegner und der Kampf langweilig.

Worum beneiden Sie den anderen?

Robert Stieglitz: Ums Alter, ich würde gern noch mal acht Jahre jünger sein.

Dominic Bösel: Robert konnte von den rosigen Zeiten im Profiboxen profitieren, heute ist das alles schwieriger.

Und in welcher Beziehung würden Sie niemals tauschen wollen?

Robert Stieglitz: Da fällt mir echt nichts ein.

Dominic Bösel: Mir schon: Roberts Ex-Frau und den nicht enden wollenden Rosenkrieg. Das braucht keiner.

Boxen bringt – wie man unschwer erkennt – einige Narben oder eine schiefe Nase mit sich. Ist eine Schönheits-OP nach der Karriere für Sie ein Thema?

Robert Stieglitz: Ein bisschen eitel bin ich schon, aber wenn es nach mir geht, würde ich mich nicht im Gesicht operieren lassen. Aber meine Freundin hätte schon gerne, dass ich irgendwann die Narbe überm Auge wegmache.

Dominic Bösel: Also meine schiefe Nase hat noch keine(n) gestört.

Wo sehen Sie sich in fünf und wo in 15 Jahren?

Robert Stieglitz: Mit meiner Familie in Biederitz, glücklich und zufrieden im Boxruhestand. Das Gleiche ist hoffentlich auch in 15 Jahren noch der Fall.

Dominic Bösel: Lass mich rechnen … In fünf Jahren verteidige ich zum 15. Mal meinen WM-Titel, und in 15 Jahren sehe ich mich als Dauerurlauber auf Bora Bora.

Womit würden Sie sich für einen Sieg in Leipzig belohnen?

Robert Stieglitz: Ich habe beim Weinhändler eine Drei-Liter-Flasche Cava-Champagner für 199 Euro entdeckt. Die würde ich mir nach der Titelverteidigung leisten.

Dominic Bösel: Ich würde es mir ein paar Wochen gutgehen lassen, Urlaub machen und essen und trinken, was mir schmeckt.