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Interview mit Rüdiger Bartsch, Ex-Manager des 1. FC Magdeburg "Verhältnismäßigkeit deutlich überzogen"

31.01.2011, 04:37

Der beim 1. FC Magdeburg heftig kritisierte und Ende November 2010 geschasste Manager Rüdiger Bartsch hat zuletzt die Öffentlichkeit gemieden. Nun brach der 46-Jährige, der auch als Geschäftsführer der Stadion- und Sportmarketing GmbH (SSG) abgelöst wird, im Gespräch mit Volksstimme-Redakteur Uwe Tiedemann sein Schweigen.

Volksstimme: Warum haben Sie so lange geschwiegen?

Rüdiger Bartsch: Weil ich die Dinge erst einmal ordnen wollte und emotional zu aufgewühlt war, was ich in gewisser Weise immer noch bin.

Volksstimme: Fühlen Sie sich als Sündenbock, der für fast alles Negative in der Hinrunde verantwortlich gemacht wurde?

Bartsch: Auf alle Fälle ist die Verhältnismäßigkeit deutlich überzogen. Erst wurde ich für einen guten Job mit Trainer Ruud Kaiser gelobt, und sechs Wochen später erfahre ich aus der Zeitung, dass ich entlassen werde. Aber man darf in dem Geschäft nicht dünnhäutig sein.

Volksstimme: Sind Sie möglicherweise zu dominant oder oberlehrerhaft aufgetreten?

Bartsch: Kann ich nicht beurteilen, glaube ich aber nicht.

Volksstimme: Oder spielten persönliche Gründe eine Rolle? Es ist ja kein Geheimnis, dass speziell Noch-Präsident Volker Rehboldt schon früh kein gutes Haar mehr an Ihnen gelassen hat.

Bartsch: Ich möchte nicht persönlich werden und äußere mich deswegen auch nicht dazu.

Volksstimme: Haben Sie Fehler gemacht?

Bartsch: Niemand kann sich davon freisprechen.

Volksstimme: Was würden Sie heute anders machen?

Bartsch: Meine Tugend, dem einen oder anderen zu schnell zu vertrauen, in Zukunft einer längeren Prüfzeit unterziehen.

Volksstimme: Oder war es generell ein Fehler, unter solch schwierigen Bedingungen den Job überhaupt anzutreten?

Bartsch: Nein, denn knifflige Voraussetzungen bieten immer auch eine Chance.

Volksstimme: Der Hauptvorwurf Ihnen gegenüber lautete immer wieder, dass die Sponsoren unzufrieden seien und sich von Ihnen schlecht betreut fühlten.

Bartsch: Aus meiner Erfahrung sind Wirtschaftspartner eines Leistungsvereins wie dem FCM vorrangig unzufrieden mit erfolglosem Fußball, denn sie investieren ja in die Mannschaft. Dafür habe ich auch vollstes Verständnis, weil der Club seit Jahren seine sportlichen Ziele nicht erreicht hat. Allerdings muss man auch sagen, dass das Präsidium mit seinem Rücktritt bereits die volle Verantwortung für die ausgebliebenen Erfolge in den letzten Jahren übernommen hat.

Volksstimme: Die Vorwürfe waren aber schon gravierend. Allein auf der Mitgliederversammlung (MV) hieß es, Sponsoren wären geradezu verprellt worden. Außerdem haben Sie dort Defizite eingeräumt und Besserung gelobt.

Bartsch: Ich denke, dass sich gerade bei der MV die Zahl der Kritiker in Grenzen hielt. Zudem kann man nie alle Geldgeber zu 100 Prozent zufriedenstellen.

Volksstimme: Sie waren zu 80 Prozent für die SSG zuständig und nur zu 20 Prozent FCM-Manager. Es entstand schnell der Eindruck, Sie hätten die Aufgaben andersherum gewichtet. War das so?

Bartsch: Das habe ich nicht so empfunden.

Volksstimme: Die erste Kritik kam schon in der Vorbereitung auf, als Sie die Mannschaft ins Trainingslager nach Polen begleitet und sich nicht stattdessen um Sponsoren gekümmert haben.

Bartsch: So etwas ist immer Ansichtssache. Außerdem war ich nicht die ganze Zeit in Polen, sondern bin nachgefahren.

Volksstimme: Aber hat nicht sogar Oberbürgermeister Lutz Trümper Ihnen klargemacht, dass Sie Ihren Job als SSG-Geschäftsführer vernachlässigen und sich zu sehr um den FCM kümmern?

Bartsch: Ich bleibe dabei, dass sich beides die Waage gehalten hat. In dem Zusammenhang möchte ich betonen, dass ich schon nach kurzer Zeit erkannt habe, dass eine solche Tätigkeit bei dieser Aufgabenfülle maximal ein Jahr durchzuhalten ist.

Volksstimme: Was heißt das?

Bartsch: Das heißt, dass wir kein Marketing-Problem, sondern ein Manpower-Problem haben. Wir haben für die Anzahl der Sponsoren einfach keine Leute, die ausschließlich für Verkauf und Betreuung zuständig sind. Nicht vergessen sollte man, dass zu Zeiten eines Bernd Hofmann ihm Michael Richter als sportlicher Leiter zur Seite gestellt wurde.

Volksstimme: Sie wollten also eine Agentur ins Boot holen, so wie es z.B. ,Sportfive‘ in der Bundesliga praktiziert.

Bartsch: Genau, wobei es so etwas in der 4. Liga noch gar nicht gibt, ich aber in meinen Gesprächen schon recht weit fortgeschritten war.

Volksstimme: Trotz des Personalengpasses haben Sie mehrfach betont, dass unter Ihrer Regie noch nie so viele Veranstaltungen in der MDCC-Arena stattgefunden haben wie zuletzt.

Bartsch: So ist es. Ich erinnere an den Stadionsommer über sechs Tage mit über 30 000 Besuchern oder die Tatsache, dass ich für drei Jahre die ,German Bowl‘ nach Magdeburg geholt habe. Der Umsatz wurde vervielfacht.

Volksstimme: Zum sportlichen Bereich. Diese Mannschaft, die jetzt in Abstiegsgefahr schwebt, haben Sie zusammen mit Ruud Kaiser zusammengestellt ...

Bartsch: Das Ergebnis ist absolut unbefriedigend. Fakt ist aber auch, dass der Etat rund 50 Prozent unter denen der letzten Jahre liegt. Und im Vorjahr wurde der Club mit einem fast doppelt so teuren Team 26 Punkte hinter Aufsteiger Babelsberg bedeutungsloser Sechster. Insofern war jetzt der Umbruch alternativlos.

Volksstimme: Wie sehen Sie Ihre weitere berufliche Zukunft?

Bartsch: Weiß ich noch nicht. Vielleicht arbeite ich künftig nicht mehr vereinsbezogen, sondern wieder in der freien Wirtschaft.