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Biathlon Hildebrand hat alles verdaut

Franziska Hildebrand setzt ihre Karriere fort. Nach einer schlechten Saison hat sich die Biathletin im heimischen Köthen aufgerappelt.

Von Daniel Hübner 16.05.2020, 01:01

Magdeburg l Am Dienstagmorgen dieser Woche hat Franziska Hildebrand den Balkon ihrer Wohnung in der Wahlheimat Ruhpolding betreten, sie hat in die Natur hinausgeschaut, auf die Berge und auf die Wälder. Und sie musste feststellen: „Auf den Bäumen liegt Schnee.“

Nicht, dass ihr solch ein Anblick grundsätzlich missfallen würde. Hildebrand ist ja Biathletin und wirbt als jene mit dem Gemeinschaftsslogan: „Wir lieben Winter.“ Aber im Mai ist es auch ihr des Winters zu viel, wenn sich die Ausläufer einer in sieben Monaten beginnenden Saison jetzt schon zeigen. Und jene Saison soll in jedem Fall mit Franziska Hildebrand starten. Denn sie macht weiter, was nicht zwangsläufig zu erwarten war. Vor allem nicht nach dem vergangenen Winter.

„Da habe ich am meisten gelitten“, sagt die 33-Jährige nämlich. Mit Leidenszeit kennt sie sich ja gut aus. Eine permanente Schienbein-Entzündung hatte ihr lange zu schaffen gemacht. Ein lädierter rechter Fuß nach einem Sturz mit den Skirollern außerdem. Jene Verletzung im Sprunggelenk aus dem Juli 2018 also, die immer wieder aufbrach. Selbst als sie das Gefühl hatte, die Genesung würde voranschreiten wie in der Sommervorbereitung 2019. „Aber da hat mir einfach die Struktur gefehlt“, berichtet sie.

Sie hatte in jener Phase kaum Zeit zur Erholung, sie hatte vielmehr eine Zeit des Stresses zwischen Reha-Maßnahme und Trainingseinheit, die dafür sorgen sollte, dass sie nicht zu viel von ihrer Form und zum Leistungsniveau der Mitstreiterinnen verliert. Aber: „Ich konnte den Fuß nicht voll belasten“, erinnert sie sich.

Resultat ihrer neunten Saison im Weltcup: Von 17 Einzelrennen hatte Hildebrand nur sechs bestritten und mit Rang 33 bei der Verfolgung von Hochfilzen (Österreich) das beste Ergebnis erzielt. Zudem wurde sie für die Weltmeisterschaft in Anholz (Italien) nicht nominiert. Dafür war sie im zweitrangigen Ibu-Cup in Martell (Italien) am Start. „Ich hatte den absoluten Tiefpunkt erreicht“, berichtet sie.

Aufgerappelt hat sie sich nicht auf einer der traditionellen Reisen durch die Welt, die sie alljährlich mit Zwillingsschwester Stefanie unternimmt. Das Coronavirus versperrte ihr die Tür zu neuen Zielen. Aufgerappelt hat sie sich bei der Familie in Köthen. „Ich habe die Zeit genutzt, um alles zu verdauen, um auszuruhen.“ Um sich den nötigen Balsam für die Seele zu holen.

Und aufgerappelt hat sie sich mit dem Gedanken: „Nach solch einer Saison kann ich mich nicht verabschieden. Das war nicht das Leistungsniveau, das ich habe und das man von mir erwarten kann.“ Also setzt sie die Karriere fort. In jedem Fall greift sie ihren siebten Start bei einer WM an – im nächsten Winter in Pokljuka (Slowenien). Und vielleicht ihre dritte Teilnahme an Olympischen Spielen – im Winter 2022 in Peking. Hildebrand schließt nichts aus.

Zunächst könnte aber noch 2020 ihr Versöhnungsjahr werden. Wenn sie zum Beispiel im September ihre Master-Arbeit im Fach Wirtschaftspsychologie abgibt. Wenn sie nach den Biathlon-Sommermeisterschaften wieder ins Weltcup-Team berufen wird.

In die Gruppe der Spitzenathleten des Deutschen Skiverbandes (DSV) hat sie es bereits wieder geschafft. Was ihr hörbar guttut. Auch wenn die Vorbereitung durchaus ereignisreicher laufen könnte. Am Mittwoch „wollten wir eine Radtour machen, aber es hat geregnet und war windig.“ Stattdessen war Hildebrand wie so oft als Crossläuferin unterwegs. Berg hoch, Berg runter. Wenigstens lag kein Schnee.