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Boxen Nicht Bösel, sondern Murat jubelt

Dominic Bösel hat das Duell um die vakante EM-Krone im Halbschwergewicht gegen den Berliner Karo Murat durch technischen K.o. verloren.

02.07.2017, 23:01

Magdeburg/Dresden l Ulf Steinforth stand in seiner 16-jährigen Karriere als Promoter meistens auf der Sonnenseite des Lebens. Am Sonnabend aber hatte dem Veranstalter der Box-Gala in der Dresdener Ballsport-Arena das gegnerische Lager die Show gestohlen. Denn nicht SES-Profi Dominic Bösel, der designierte Kronerbe von Ex-Europameister Robert Stieglitz, sondern Karo Murat wurde nach einem packenden Fight um die vakante EM-Krone zum Europameister gekürt. „Aber das ist Boxen und kein Wunschkonzert“, zeigte der Magdeburger Promoter auch in der Niederlage Größe. „Wir haben einen mitreißenden Kampf auf Augenhöhe gesehen. Karo Murat hat gekämpft wie ein Löwe, und er hat im entscheidenden Moment nachgesetzt. Das muss man anerkennen.“

Trotzdem – oder gerade deswegen – war Steinforth sofort tröstend zur Stelle und in der Ecke des dreifachen Interconti-Champions, als dieser den bittersten Moment seiner Profi-Laufbahn erleben musste. Und Steinforth war es auch, der den Krankenhausbesuch angeordnet hatte, weil sich sein Boxer, der in der 11. Runde nach einem krachenden linken Haken in Richtung Kopf vom Ringrichter aus dem Kampf genommen worden war, in der Kabine übergeben musste: Verdacht auf Gehirnerschütterung. „Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme“, erklärte der Promoter seine Fürsorge.

24 Siege hatte es bis dahin zu feiern gegeben, und ausgerechnet in Bösels Jubiläumskampf sorgte ein über sich hinauswachsender, schlagstarker und bissiger Murat für die erste, und dann auch noch sehr deftige Niederlage für den Freyburger Bösel. Der 27-Jährige tat sich allerdings schwer mit der Einschätzung von Ringrichter Terry O’Connor, der dazwischen gegangen war, nachdem Bösel vermeintlich kampfunfähig in der Ecke stand: „Respekt! Murat hat das gut gemacht. Aber ich habe nicht gewackelt oder Sternchen gesehen. Wir sind hier nicht beim Kinderboxen, dass der Ringrichter so schnell abbricht. Ich habe mich bis dahin nach Punkten vorn gesehen.“

Auch wenn nicht alle Beobachter der Ringschlacht seine Meinung teilten, TV-Experte Marcus Beyer tat es. Der Ex-Weltmeister hatte Bösel ebenfalls „zwei Runden vorne“ gesehen. SES-Chefcoach Dirk Dzemski stieß ins gleiche Horn. „Du führst mit zwei Runden“, hatte der Coach seinem Schützling in der Pause zur 10. Runde versichert.

Ähnliches muss auch Murats Trainer Georg Bramowski zu Ohren gekommen sein: „Als wir die Info bekamen, dass wir hinten liegen, wussten wir, jetzt muss ein K.o. her.“

Murat, der im Vorfeld auf Krawall gebürstet war, gab sich indes mit dem Siegerkranz um den Hals und den blauen Gürtel um die Schulter lammfromm. Im TV-Interview zollte er seinem Gegenüber den Respekt, den er vorher hat vermissen lassen: „Dominic hat mir alles abverlangt. Es war eine harte Arbeit. Dann habe ich zwei, drei Glückstreffer gehabt und damit gewonnen.“ Bramowski indes widersprach seinem Schützling energisch: „Das waren keine Glückstreffer, das waren klare Wirkungstreffer. Karo hat den Kampf bestimmt.“

Während der frischgebackene Europameister beteuerte, dass ihm der Titel egal gewesen sei, „ich möchte jetzt gegen die Großen kämpfen - gegen einen Kovalev oder Ward“, wusste SES-Coach, dass sein Schützling erst einmal zu knabbern haben wird: „Diese Niederlage wird Dominic wehtun und ihn noch länger beschäftigen, aber ich bin überzeugt davon, er hat noch große Kämpfe vor sich.“