1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. In einem Boot, aber in getrennten Betten

Kanu In einem Boot, aber in getrennten Betten

Der Magdeburger Yul Oeltze ist mit seinem Zweier-Partner Peter Kretschmer auf einer Wellenlänge. Bei der WM haben sie "Großes vor".

Von Janette Beck 23.08.2017, 01:01

Magdeburg/München l Yul Oeltze und Peter Kretschmer haben sich nach einer beiderseits verpatzten Olympiasaison 2016 gesucht und gefunden. Beide Kanuten, der eine vom SC Magdeburg, der andere vom SC DHfK Leipzig, sitzen seit dem Frühjahr buchstäblich in einem Boot. Genau gesagt im Canadier-Zweier. Harmonie und Teamwork sind im kleinstmöglichen Mannschaftsboot der Rennkanuten angesagt, wenn es pfeilschnell nach vorn gehen soll. Und das soll es. Auch bei den am Donnerstag im tschechischen Rasice beginnenden Weltmeisterschaften, darin sind sich beide einig: „Wir haben Großes vor!“

Die Chancen, den in den letzten Tagen der knüppelharten Vorbereitung in München oft geträumten Traum vom „perfekten Rennen“ bei der WM in die Tat umsetzen zu können (Vorlauf im C2 über 1000 Meter, am Freitag, Finale am Sonntagvormittag), stehen nicht schlecht. Denn ganz offensichtlich paddeln beide, so unterschiedlich sie vom Typ und von der körperlichen Konstitution her auch sind, auf einer Wellenlänge. Ansonsten hätten der extrovertierte Oeltze – ein Sonnyboy, 1,91 Meter groß, 93 Kilo schwer – und der introvertierte Kretzschmer, – ein ruhiger, zurückhaltender und kritischer Zeitgeist, 1,77 Meter groß und nur 70 Kilo leicht – den neuformierten C2 wohl kaum bei den Europameisterschaften aufs Siegerpodest gefahren. „Da haben wir selbst unsere eigenen Erwartungen noch übertroffen“, blickt Oeltze auf den ersten gemeinsamen Titel-Coup vor sieben Wochen nicht ohne Stolz zurück. Der 23-jährige Schlagmann, Schützling von Trainer Detlef Hummelt, der bei den Trainingslagern und Regatten das Zimmer mit dem drei Jahre älteren Bootspartner teilte, ist überzeugt davon, dass da etwas zusammen ist, was zusammen-gehört. „Zwischen ,Kretsche‘ und mir, das passt einfach. Auch menschlich. Das ist ja nicht unwichtig.“ Bereits bei den ersten Testfahrten im Mai „hatten wir sofort das Gefühl, dass könnte funktionieren“, so Oeltze. „In den Wochen danach ging es im Prinzip nur darum, das Ganze zu einer funktionierenden Einheit zusammenzufügen und körperlich in Bestform zu kommen.“

Auch für Kretschmer sind blindes Verständnis, Harmonie und Synchronität der Schlüssel zum Erfolg. Aber müssen zwei in einem Boot auch dicke Freunde sein? Die Antwort des C2-Olympiasiegers von 2012 – als Jungspund damals mit Kurt Kuschela (28) erfolgreich – kommt zögerlich. „Hmmm, gute Frage. Schwere Frage. Zumindest weiß ich, dass, wenn beide miteinander nicht können und nicht auf einer Wellenlänge funken, man es sein lassen sollte. Disharmonie macht keinen Sinn in einem Mannschaftboot.“

Für Kretschmer, wie Oeltze bei der Bundespolizei, ist es wichtig, „ehrlich miteinander zu sein, sich vertrauen und auf den anderen zu 100 Prozent verlassen zu können.“ Auch der SCM-Kanute braucht das Gefühl, „dass da zwei an einem Strang ziehen und jeder bereit ist, alles zu geben. Und das macht ,Kretsche‘. Ich kenne niemanden, der so an die Kotz-Grenze gehen kann, wie er. Er ist eine absolute Maschine und ein Kampfschwein.“

Dass es zwischen dem neuen Dreamteam des Deutsche Kanuverbandes auch mal krachen kann (Oeltze: „Das eine oder andere reinigende Gewitter gab es bereits. Aber danach war alles wieder gut.“), oder es Meinungsverschiedenheiten gibt, wollen beide nicht leugnen. So hätten sie beispielsweise „stundenlang und auch kontrovers über die Polizeieinsätze beim G-20-Gipfel diskutiert“. Auch gehe Kretschmer das „intensive Nutzen der sozialen Medien“ seines Mitstreiters „auf den Sack“. Doch auch das sei tolerierbar. Aber wehe, es wird Nacht. „Dann hört bei ,Kretsche‘ die Freundschaft auf, dann wird er zum Tier“, gesteht Oeltze, „denn ich habe einen extrem unruhigen Schlaf. Getrennte Betten sind deswegen ein absolutes Muss.“