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Kanu Wenn der Canadier einen Henkel hat

Die SCM-Kanuten Felix Gebhardt und Michael Müller starten am Sonntag bei der Marathon-WM in ein großes Abenteuer.

Von Janette Beck 15.09.2016, 19:19

Magdeburg/Brandenburg l „Worauf haben wir uns da nur eingelassen?“ Diese Frage haben sich Felix Gebhardt und Michael Müller in den letzten Tagen angesichts der schweißtreibenden Kilometer-Schrubberei auf der Elbe bestimmt öfter gestellt. Doch es bereut, dass sie spontan „Ja“ gesagt haben, als sie gefragt wurden, ob sie bei der Marathon-WM für Deutschland im C2 an den Start gehen wollen, haben die SCM-Asse nicht.

„Noch nicht“, scherzt Gebhardt. Denn bis dato sind er, der sich als frischgebackener deutscher Meister über die 5 Kilometer genauso wie der Drittplatzierte Müller für den WM-Start empfohlen hatte, den „langen Kanten“ eben nur im Training gefahren. „26,1 Kilometer im Wettkampf, das ist sicher noch einen Zacken schärfer“, ahnt der 19-Jährige. „Aber alleine diese Grenzerfahrung – gut zwei Stunden am Stück stupide zu paddeln – war es das wert. So ein Abenteuer erlebt du vielleicht nur einmal im Leben“, so Gebhardt, für den es zudem am Sonntag eine Premiere geben wird: „Es ist meine erste WM in der Leistungsklasse. Da konnte ich doch nicht Nein sagen ...“

Allerdings: Wer A sagt, muss eben auch B sagen. Und das bedeutete für die Magdeburger, die bei Wettkämpfen für gewöhnlich 500 oder 1000 Meter fahren, viel Arbeit, Ausdauer, Fingerspitzengefühl und Kampfgeist. Schließlich musste der Canadier-Zweier unter den Argusaugen von Trainer Detlef Hummelt erst einmal eingefahren werden. „An sich ja kein Ding, wenn wir beide nicht zwei Rechtspaddler wären“, nennt Müller das spezielle Problem beim Namen. Bis die richtige Position der Knie-Kissen gefunden, das Gleichgewicht austariert und er zum Schlagmann bestimmt war, habe es eine Weile gedauert. „Aber inzwischen bekommen wir das echt gut hin“, strahlt Müller.

Ebenso eine Herausforderung sind die sogenannte Portagen, die beim Rennen auf dem Rundkurs nach jeweils 3,6 Kilometer anstehen. In Höhe der Zuschauertribüne müssen die Aktiven an einem Steg aussteigen, mit dem Boot in der Hand oder auf der Schulter 200 Meter über den roten Teppich laufen und danach das Boot wieder zu Wasser lassen, um die nächste Runde in Angriff zu nehmen. „Das ist schon gewöhnungsbedürftig. Aber wenn man sich dabei nicht so dumm anstellt, können sogar einige Sekunden gutgemacht werden“, hat sich Gebhardt schlau gemacht.

Wie ernst die beiden ihren „Job“ nehmen, der den positiven Nebeneffekt hat, das Kilometer-Konto beim ohnehin zu Beginn der neuen Saison anstehenden Grundlagentraining mit einem Schlag kräftig aufzustocken („Was wir weg haben, haben wir weg“), zeigt auch das Fein-Tuning des Bootes. „Die Jungs haben sich voll reingehängt. ,Geppi‘ hat sich sogar einen Trink-Rucksack gekauft. Es wurde geschraubt, gefeilt und an den Knie-Positionen gearbeitet. Zuletzt wurden auch noch Henkel drangebaut, damit sich das Boot bei den Portagen besser tragen lässt“, freut sich Hummelt über das freiwillige Engagement seiner beiden Schützlinge.

„Wenn schon, dann richtig“, argumentiert Azubi Gebhardt, der für die Zusatz-Schichten von seinem Arbeitgeber (Bundesnetzagentur) großzügig freigestellt wurde. Auch Müller bekam von seinem Ausbilder (Getec) „dankenswerterweise“ freie Fahrt für das zeitaufwendige und ehrgeizige Projekt. Und so wundert es auch nicht, dass das WM-Ziel des SCM-Duos über den olympischen Gedanken hinaus geht. „Wir wollen mehr, als nur dabei sein oder ankommen. Top Ten wäre geil“, sind sich Müller und Gebhardt auch hier wunderbar einig.