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Schwimmen Grün, Rot, Silber

Franziska Hentke vom SC Magdeburg hat ihre erste WM-Medaille gewonnen. „Ich bin überglücklich“, sagte sie mit zittriger Stimme.

Von Daniel Hübner 28.07.2017, 08:59

Budapest/Magdeburg l Vorstartsimulation, mentales Training: Was es nicht alles gibt, um Sportler auch psychologisch den Weg zur Medaille zu ebnen. Beides hat Franziska Hentke vom SC Magdeburg in den vergangenen Wochen und Monaten intensiviert. Sie hat nicht nur in den Krafteinheiten gearbeitet, sondern auch an der Kraft ihrer Vorstellung. „Das ist wie autogenes Training“, erklärte ihr Heimtrainer Bernd Berkhahn. Mit Bildern im Kopf von den SCM-Fans bei den Handballspielen in der Getec-Arena, wie sie jubeln, applaudieren und feiern, wie sie singen "Hier regiert de SCM", ist sie am Donnerstagabend zum Finale in das Becken der Budapester Duna Arena gesprungen, und mit folgendem Bild auf der digitalen Anzeigetafel ist sie nach 200 Metern Schmetterling wieder aufgetaucht: Platz zwei. Zeit: 2:05,39 Minuten. Erst sah Hentke die Vereinsfarben Grün und Rot, am Ende nahm sie Silber entgegen.

Bei ihrer dritten WM hat die 28-Jährige jeden Schmerz, den sie körperlich und mental in den vergangenen Jahren überwinden musste, endgültig vergessen. Kein Gedanke mehr an Platz vier bei den Meisterschaften in Kasan 2015, kein Gedanke mehr an Platz elf bei den Olympischen Spielen in Rio. Hentke hat im Wasser die Fäuste in die Hallenluft gereckt. Sie hat geweint. „Endlich hat sich die ganze Arbeit ausgezahlt und ich konnte mein Leistungsniveau auch bei einem großen Event abrufen“, sagte sie. Sie schwamm nur um 13 Hundertstelsekunden an ihrem deutschen Rekord vorbei. „Ich bin überlglücklich, ich bin einfach sprachlos“, erklärte sie mit zittriger Stimme. Und ergänzte „Ich möchte mich vor allem bei meinem Trainer bedanken.“ Schluckte. Bekam kein Wort mehr heraus. Auch Bundes-coach Henning Lambertz war voller Freude: „Glückwunsch an Franzi und ihren Magdeburger Trainer Bernd Berkhahn, das war ein Wahnsinnsrennen mit einem fulminanten Endspurt.“

Der war so fulminant, dass womöglich alle Herzen in der Halle und in den deutschen Wohnzimmern plötzlich auf Gold schlugen. Auf den letzten 50 Metern rückte Hentke ihrer schärfsten Konkurrentin auf den Badeanzug: Mireia Belmonte, Olympiasiegerin in Rio, „schmetterte“ direkt neben Hentke. „Ich wusste, wenn Belmonte neben mir schwimmt, wird das ein geiles Rennen“, erklärte Hentke. Es wurde großartig. Und es endete mit 13 Hundertstelsekunden Vorsprung der Spanierin.

Aber das war am Ende völlig egal. Wer die Tränen von Hentke an diesem Abend des 27. Juli 2017 in Budapest gesehen und ihre Stimme gehört hat, der wusste, wie sehr sie mit Silber ihre Sehnsucht nach der ersten WM-Medaille gestillt hatte: „Das war ein Befreiungsschlag.“ Auch für den Deutschen Schwimmverband (DSV), der damit seine erste Medaille in Budapest gewonnen hat.

Es war nämlich das glückliche Ende eines ansonsten ernüchternden Tages. So verpasste Philip Heintz (Heidelberg) eine Medaille: Über 200 Meter Lagen wurde er Siebter in 1:57,43 Minuten, er blieb damit 1,67 Sekunden über seinem deutschen Rekord, den er Mitte Juni in Berlin aufgestellt hatte. Gold holte der US-Amerikaner Chase Kalisz in 1:55,56 Minuten. „Ich habe alles gegeben“, sagte er bei ZDF-info. „Aber irgendwie scheint die Formübertragung nicht zu funktionieren“, erklärte der 26-Jährige, der nach Höhenkonzept trainiert, zuletzt aber vor zehn Wochen in der Sierra Nevada (Spanien) seine Einheiten absolvierte.

Marco Koch (Darmstadt), der Weltmeister, musste mit gerissener Badehose im Halbfinale über 200 Meter Brust mit 2:09,61 Minuten die Segel streichen. „Eine Minute vor dem Start ist sie mir gerissen und dann ist ständig Wasser reingelaufen“, sagte der Olympiasiebte. Als Grund für sein Ausscheiden wollte er das aber nicht gelten lassen. „Es hat sich eigentlich gut angefühlt, ich muss das selbst erstmal sacken lassen.“

In Budapest geht indes am Freitag unter anderem mit Aliena Schmidtke vom SCM weiter. Über 50 Meter Schmetterling hofft die deutsche Rekordhalterin (26,00 sec), die Schallmauer von 26 Sekunden durchbrechen zu können.