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Sportschule Wie aus „Beerchen“ Herr Beer wurde

Ex-FCM-Torwart Christian Beer ist einer von wenigen Fußballern, die als ehemalige Schüler den Weg in die Schule zurückgefunden haben.

Von Janette Beck 04.11.2015, 00:01

Magdeburg l „Sehr verständnisvoll“, „lustig“, fällt Leichtathletin Jule Nettlau spontan ein, als sie gebeten wird, ihren Klassenlehrer Christian Beer in zwei Worten zu beschreiben. Fußballer Nils Lange hat den Ex-FCM-Torhüter mit dem Spitznamen „Beerchen“ bereits als Aktiven im Stadion bewundert. Der junge Kicker meint: „Herr Beer ist kreativ, nicht streng, aber konsequent.“

„Ich bin der Beweis, dass Fußballer was im Kopf haben können. Aber ich war ja auch Torhüter. Das ist etwas anderes.“

Doch diese Kurzbeschreibungen können dem Ex-Keeper und Lehrer für Sport und Sozialkunde nur bedingt gerecht werden. Denn Christian Beer ist kein „normaler“ Pauker. Er ist mehr. Zuallererst seit acht Monaten Lehrer am Sportgymnasium, seit Schuljahresbeginn aber auch noch Klassenlehrer der 9b. Und mit einem Abitur-Durchschnitt von 1,6 und einem abgeschlossenen Lehramtsstudium mit der Gesamtnote 1,7 entspricht er nicht gerade dem allgemein vorherrschenden Klischee über Fußballer. Mit einem Augenzwinkern erklärt der deutsche A-Jugend-Poklasieger (1999) dazu: „Ich bin eben der lebende Beweis dafür, dass Fußballer durchaus was im Kopf haben können. Aber ich war ja auch Torhüter. Das ist etwas anderes.“

Als ehemaliger Sportschüler, der zuerst die Sekundarschule besuchte, dann am Gymnasium die Schulbank drückte und parallel dazu eine erfolgreiche Karriere auf dem grünen Rasen hingelegt hat, ist Beer zugleich auch der ideale Werbeträger für eine Bildungseinrichtung, die das Qualitätssiegel „Eliteschule des Sports“ trägt. Und so wird er nicht nur am Sonnabend, wenn an der Friedrich-Ebert-Straße zum „Tag der offenen Tür“ einladen wird, kräftig die Werbetrommel rühren: „Ich kann mit Fug und Recht sagen: Die Schulzeit war eine tolle Zeit. Und mein Vorteil, mit dem ich als Lehrer wuchern kann, ist es, genau zu wissen, wie der Hase läuft.“

Durch die eigenen Erfahrungen könne er sich in seine Schüler rein versetzen. Er wisse nur zu gut, wie schwer es phasenweise ist, den oft übervollen Alltag zu bewältigen. „Aber ich sage auch zu meinen Schülern: Vergesst nicht, wie gut ihr das eigentlich habt.“ Solche super Bedingungen wie hier, mit den kurzen Wegen zur Schule, Mensa, zum Internat und den Sportstätten, das gebe es bundesweit nur in Magdeburg. „Ich bin absolut überzeugt davon: Wer heutzutage Leistungssport und Schule unter einen Hut bekommen will, und das auf hohem Niveau, der kann das nur an einem Sportgymnasium.“

Aus dieser Überzeugung heraus trieb Beer, der beim FCM von 2003 bis 2009 die unumstrittene Nummer 1 im Tor war und in der Saison 2003/04 den unglaublichen Rekord von 1189 Minuten ohne Gegentor aufstellte, die berufliche Karriere genauso zielstrebig voran wie die sportliche. „Ich wusste sehr früh, dass ich Lehrer werden wollte.“ Zum einen, weil er schon immer Spaß daran hatte, mit Kindern oder Jugendlichen zusammenzuarbeiten. Nicht von ungefähr gab er früh sein Wissen und Können als Torwart-Trainer weiter. Zum anderen, „weil der Beamten-Status lockte und Lehrer ein krisenfester Job ist, mit dem ich meiner Familie eine gewisse Sicherheit bieten kann“, so der zweifache Vater.

Allerdings macht die ellenlange Studienzeit (2003 bis 2013), die Beer als einer der letzten Lehramts-Studenten an der Otto-von-Guericke-Universität ausschließlich in Magdeburg verbrachte, auch deutlich: Gut Ding brauchte Weile. „Das Studium in Verbindung mit dem Leistungssport hat eben etwas länger gedauert. Aber als ich mir 2010 bei einem Zusammenprall auf dem Platz mein Knie total zerfetzte und meine Karriere abrupt endete, habe ich das Ganze durchgezogen und 2013 zu Ende gebracht.“

„Natürlich willst Du als Junglehrer von allen gemocht werden. Aber Kumpel und gleichzeitig Lehrer sein, geht nicht.“

Das Referendariat, das hatte sich Beer ebenso in den Kopf gesetzt, sollte am Sportgymnasium erfolgen. Das klappte – zum einen wegen der guten Abschlussnote. Zum anderen, weil er in seiner ehemaligen Mathe-Lehrerin und heutigen Schulleiterin Anke Misch jemanden an seiner Seite hatte, der sich für seine Rückkehr an die Schule starkmachte.

Doch spätestens jetzt und hier wurde aus dem im Sport allgemein gebräuchlichen „Du“ ein „Sie“ und aus „Beerchen“ „Herr Beer“. Aber das nimmt der einstige FCM-Publikumsliebling für seinen Traumberuf in Kauf: „Natürlich willst du als Junglehrer von allen gemocht werden. Aber ich habe schnell gelernt, dass ich nicht Kumpel und gleichzeitig Lehrer sein kann.“