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Ski alpin Reiz oder Harakiri? Straßers Ski-Experiment im Olympia-Jahr

Linus Straßer ist Deutschlands derzeit einziger Podestkandidat bei den Ski-Männern. Ausgerechnet zum Olympia-Winter wagt der Münchner sich nun auf neue Ski. Kann das gut gehen?

Von Manuel Schwarz, dpa 14.11.2025, 09:23
Deutschlands größte Olympia-Medaillenhoffnung bei den Ski-Männern: Linus Straßer. (Archivfoto)
Deutschlands größte Olympia-Medaillenhoffnung bei den Ski-Männern: Linus Straßer. (Archivfoto) Robert F. Bukaty/AP/dpa

Levi - Sorgen und womöglich sogar Ängste vor dem Winter grinst Linus Straßer routiniert weg. Dabei weiß der beste deutsche Slalomfahrer natürlich genau, dass seine Entscheidung ausgerechnet in diesem Moment mehr als heikel ist. „Gar keine Frage: Es ist ein Risiko“, räumt der Münchner ein. 

Nein, Straßer wagt sich als Technik-Spezialist nicht plötzlich halsbrecherische Abfahrten hinunter oder begibt sich anderweitig in körperliche Gefahren. Er hat eigentlich nur seinen Ausrüster gewechselt, bekommt also künftig von einem anderen Hersteller seine Ski, Skischuhe und die Bindung. Klingt harmlos.

Vorsichtiges Update vor Saisonstart: „Bin nach wie vor am Lernen“

In einem Sport, bei dem es um Millimeter, Nuancen und kleinste Veränderungen geht, ist so ein Wechsel aber nicht ohne. Im Gegenteil: Wenn man bedenkt, dass in nur drei Monaten die Olympischen Winterspiele in Norditalien anstehen, könnte man fast von Harakiri sprechen. 

Wenige Tage vor dem ersten Weltcup-Slalom der Saison am Sonntag (10.00/13.00 Uhr/MEZ/Eurosport und ZDF-Livestream) ließ Straßer aus Levi mitteilen, er sei „gespannt darauf, wie ich mit dem Setup zurechtkomme. Nach wie vor bin ich am Lernen, mit dem neuen Material umzugehen.“ Das klingt nicht nach Kampfansage. Bei dem Torlauf nahe dem finnischen Polarkreis wird sich zeigen, wie gut Straßer und die neuen Ski schon zusammenpassen.

Motivation und Biss lassen nach

Aber warum entschied er ausgerechnet vor seiner wohl letzten Olympia-Saison, sich nicht mehr aus Frankreich (Rossignol), sondern nun aus Österreich (Head) beliefern zu lassen? Der WM-Dritte von 2025 behauptet, er habe im Herbst seiner Karriere nochmal einen kleinen Neuanfang wagen wollen.

Straßer wurde Anfang November 33 Jahre alt, seit mehr als zwölf Jahren fährt er im Weltcup. Nach etlichen holprigen Saisons stieß er zuletzt in die Weltspitze vor, holte fünf Siege und 13 weitere Podestplätze. Doch irgendwie schienen Motivation und Biss etwas verloren gegangen zu sein, wie er selbst einräumt.

„Es ist immer derselbe Jahresalltag, immer derselbe Jahresablauf“, erzählt er. „Und da habe ich für mich dann auch gemerkt, dass ich so ein bisschen müde werde.“ Also habe er noch vor der Geburt seines zweiten Kindes im Sommer beschlossen, eine große, berufliche Umstellung zu wagen: „Ich will mir jetzt noch mal eine neue Aufgabe setzen. Ich glaube, das kennt auch jeder im Leben da draußen, dass man das manchmal braucht: neue Reize.“

Fokus auf Klassiker-Januar und dann Olympia

Es ist eine riskante Wette, in etwa so, also würde ein Formel-1-Team vor der wichtigsten Saisonphase plötzlich den Reifenhersteller, die Radaufhängung und die Antriebswelle austauschen. Der Routinier glaubt an sich. „Man muss sich natürlich ein bisschen umstellen, das Unterbewusstsein neu kalibrieren. Aber das ist auch eine Herausforderung natürlich und genau darum geht es.“

In den Plan ist eingepreist, dass die ersten Rennen des Winters auch Testfahrten sind. Eine Woche nach Levi geht es für die Slalomfahrer in Gurgl in Tirol weiter, vor Weihnachten folgen dann Val d'Isère und Alta Badia.

Spätestens dann hoffen Straßer und sein Team, das schnellstmögliche Material gefunden zu haben. Denn entscheidend werden der Januar mit den Klassikern in Madonna di Campiglio, Adelboden, Wengen, Kitzbühel und Schladming und als Höhepunkt die Olympischen Spiele mit dem Männer-Slalom am 16. Februar.

„Es kann sein, dass ich mir ständig die Frage gefallen lassen muss: War der so schlau? Es kann alles passieren“, sagt Straßer und lächelt irgendwie entspannt. „Ja, das Risiko bin ich bereit, einzugehen und das ist ja am Schluss auch meine Karriere, meine Entscheidung, mein Erfolg und mein Misserfolg.“