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Boxen Bösel tritt gegen Murat an

Schon im Vorfeld flogen zwischen SES-Boxer Dominic Bösel (27) und dem Berliner Karo Murat (34) ordentlich die Fetzen.

Von Janette Beck 30.06.2017, 13:30

Jetzt soll am Sonnabend in Dresden der Kampf „Mann gegen Mann“ entscheiden, wer der Bessere ist. Vor dem EM-Duell im Halbschwergewicht sprach die Volksstimme mit dem Profi vom Magdeburger Boxstall.

Volksstimme: Bei den Pressekonferenzen sprühten die Funken zwischen Ihnen und Karo Murat. Zweimal sind sie aneinandergeraten. Ist der Zoff ein PR-Gag, um den EM-Kampf zu pushen, oder sind sie tatsächlich ziemlich beste Feinde?

Dominic Bösel: Nein, das Ganze ist schon echt und hat eine Vorgeschichte. Aber ich bin es nicht, der ständig anfängt zu diskutieren und zu stänkern. Karo ist es, der den Mund aufgerissen und rumgepöbelt hat.

Sich wie ein Flegel zu benehmen und handgreiflich zu werden, geht das nicht über das normale Ballyhoo hinaus?

Ich kann über Karo nur lachen. Und endlich liegt mal ordentlich Zunder drin, das macht den Kampf nur interessanter. Mit der Zeit wird es langweilig und öde, wenn bei Pressekonferenzen jeder sagt, wie sehr er den Gegner respektiert, wie toll die Vorbereitung lief und dass der Bessere gewinnen soll. Aber das mit den Kopfstößen und dem Rumschubsen beim Face to Face, das ist einfach nur daneben. Aber wahrscheinlich ist Karo leicht reizbar, und dass die Pferde mit ihm durchgehen, seine Mentalität.

Sie wirkten bei allem sehr gelassen, sind Ihrem Ruf als Gentleman-Boxer gerecht geworden. Wie schwer fällt es Ihnen wirklich, ruhig zu bleiben und nicht mit gleicher Münze zurückzuzahlen?

Wie gesagt, Karos Verhalten ist lächerlich. Er will mich provozieren. Und ich mache mir einen Spaß daraus, mich nicht provozieren zu lassen. Bei ihm geht der Schuss doch nach hinten los, denn mit meinem Verhalten bringe ich ihn aus seinem Konzept und er verliert die Nerven. Das ist echt witzig.

Ihr Gegner legt Ihr Verhalten aber als Schwäche aus. Er sagt, Sie seien viel zu artig und zu nett. Er dagegen wolle Ihnen Schmerzen zufügen und er sei ein Kämpfer. Lässt Sie das kalt?

Lass ihn doch reden ... Karo wird schon sehen, dass ich auch anders kann. Ungestraft, das kann ich ihm versprechen, kommt er nicht davon. Die Auseinandersetzung wird nur eben da ausgetragen, wo sie hingehört: im Ring.

Und wo hört da der Spaß auf? Dann, wenn Murat wie vor ein paar Jahren im Sparring – das ist ja der Ursprung ihrer Streites – erneut zum Tiefschlag ausholt?

Es gibt Gegner, die sauber boxen, und dann gibt es welche wie Karo, die unbequem sind und dreckig boxen. Aber damit kann ich leben, so ist der Profiboxsport. Meinetwegen kann er Kopfstand machen, ist mir egal. Aber eines steht fest, sollte er noch einmal so unfair wie damals sein - und das war wirklich sehr derb, buchstäblich unterste Schublade für einen Boxer - dann mache ich nicht weiter. Dann will ich, dass er vom Ringrichter die Strafe bekommt, die er für einen absichtlichen Tiefschlag verdient: Disqualifikation!

Gehen wir mal davon aus, dass es fair abläuft. Endet der Kampf mit einem K.o. oder geht er über zwölf Runden?

Schwer zu sagen. Wichtig ist eigentlich nur, dass ich gewinne. Am liebsten spektakulär, in der 11. Runde durch k.o. Aber ich rechne eher mit einem Sieg nach Punkten und damit, dass es eng wird.

Ihren Optimismus teilt nicht jeder. Was sagen Sie denen, die Murat klar vorn sehen, weil er den härteren Bumms hat?

Dass es genauso viele gibt, die Kämpfe von mir und Murat gesehen haben und mich als besseren Techniker im Vorteil sehen. Das ist doch immer so, wenn zwei unterschiedliche Boxstile aufeinandertreffen. Ja, Karo hat Dampf in den Fäusten, er kann hart schlagen, beißt sich rein in den Kampf und schmeißt sich weg. Aber wer ist in seiner Karriere schon zweimal k.o. gegangen? Ich nicht!

Ursprünglich hieß der Kampf um den EM-Titel Dominic Bösel gegen Robert Stieglitz. Zu dem vom Verband angesetzten Stallduell kam es aber nicht, weil Ihr Teamkollege den Gürtel niedergelegt und seine Karriere beendet hat. Ist das ein zusätzlicher Rucksack für Sie, gewinnen zu müssen, damit der Gürtel bei SES bleibt?

Gewisse Erwartungen sind schon da. Und mein Promoter Ulf Steinforth organisiert das Duell ja nicht, damit jemand anderes uns die Show stiehlt. Aber für mich ist das keine Belastung, sondern eine zusätzliche Motivation, mich reinzuhängen, um Robert zu beerben.

Sie warten schon seit Ewigkeiten auf die Chance, Weltmeister zu werden. Ist der EM-Titel da nicht nur ein besseres Trostpflaster, weil Sie an den ganz großen Fleischtopf nicht rangelassen werden?

Mir bedeutet der EM-Titel schon sehr viel. Es ist ein prestigeträchtiger Gürtel in Deutschland, um den einst auch Max Schmeling geboxt hat. Auf der Visitenkarte macht es sich also schon sehr gut. Es ist nun mal so, dass auf dem Weg nach ganz oben sehr viel Geduld und Ausdauer gefragt sind. Aber bis jetzt hat unser Promoter für jeden Boxer, der wie ich bei einem der Verbände in der Rangliste ganz oben steht, einen WM-Kampf an Land gezogen.

Ex-Champion Stieglitz zweifelt indes an einer WM-Chance für Sie. Er meinte in einem Interview, Sie seien für die aktuellen Weltmeister im Halbschwergewicht als Gegner uninteressant. Sie kenne keiner.

Da hat Robert doch recht, in den USA, wo die meisten großen Kämpfe stattfinden, da kennt mich sicher kein Schwein. Die Promoter wollen aber Profit machen, dazu brauchen sie attraktive Gegner, Namen, die ziehen. Ich bin nun mal nicht der Goldesel für einen Ward oder Kovalev. Außerdem kann jeder Weltmeister nur drei Kämpfe in einem Jahr machen. Der Markt ist hart umkämpft, und es geht nicht immer der Reihe nach. Das ist nicht fair, aber welcher Sport ist das, wenn es um den großen Reibach geht? Was ich machen kann, ist, mein Glück ein Stück weit in die eigenen Hände zu nehmen und mit einem spektakulären Kampf gegen Karo Murat Aufsehen erregen. Und so lange dranzubleiben, bis keiner mehr an mir vorbei kommt.