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Boxen Ein Boxer mit Tattoo-Verbot

Sonnabend steigt in der Magdeburger Stadthalle die nächste SES-Boxgala. Mit Schwergewichtshoffnung Peter Kadiru (ab 20 Uhr, ARD-Livestream).

Von René Miller 10.05.2019, 11:32

Magdeburg l Wenn Peter Kadiru heute beim offiziellen Wiegen im Bördepark (ab 14 Uhr) auf die Waage steigt, ist ihm ein Sonderapplaus der Fans sicher. „Danke Magdeburg“, rief er beim letzten SES-Boxabend in Halle gleich zwei Mal den Zuschauern zu. Die Entschuldigung und Korrektur folgte zwar prompt. Aber seitdem genießt er schon so ein bisschen Kultstatus in der Landeshauptstadt. Das Video mit dem Versprecher steht in den sozialen Netzwerken inzwischen bei 195 000 Klicks.

„Ich hätte nie gedacht, dass das solche Ausmaße annimmt. Und ich bin auch sehr froh, dass mir das keiner übelnimmt und mich in den Kommentaren ernsthaft beschimpft“, erzählt Kadiru. Als gebürtiger Hamburger war ihm die Rivalität zwischen den beiden großen Städten in Sachsen-Anhalt nicht so bekannt.

Und wenn man Kadiru näher kennt, dann kann man diesem 1,94 Meter großen Modelathleten auch gar nicht böse sein. So hart er mit seinen breiten Fäusten auch zuschlagen kann, so zurückhaltend und zuvorkommend ist er außerhalb des Rings. Kadiru: „Ich bin so erzogen worden, immer Respekt und Anstand aufzubringen.“ So ist es für ihn beispielsweise völlig normal, für ein Händeschütteln auch aufzustehen und dem Gegenüber in die Augen zu schauen. Trainer Christian Morales lobt: „Das ist ganz wichtig für uns. Denn wir achten nicht nur darauf, dass unsere Jungs gute Boxer werden, sondern auch, dass sie als Mensch in die Welt passen.“

Um ein guter Boxer zu werden, hat der 21-Jährige viel Talent in die Wiege bekommen. Nach einer erfolgreichen Amateur-Karriere, in der er unter anderem 2014 bei den Olympischen Jugendspielen die Goldmedaille gewann, bestreitet Peter Kadiru jetzt seinen dritten Profikampf. Seinen bereits erwähnten letzten Fight beendete er gegen Vincenzo Febbo sogar vorzeitig mit einem krachenden Knockout.

Als Sohn ghanaischer Eltern ist der Schwergewichtler in Hamburg-Altona aufgewachsen. Da könnte man auch vermuten, dass Kadiru zum Boxen kam, weil er sich in der Straße und Schule durchsetzen und behaupten musste. Aber: „Da hatte ich zum Glück nie Probleme. Ich war schon immer ein bisschen größer als andere in meiner Altersklasse. Und da wusste auch immer jeder, bis wohin er gehen darf. Zum Boxen bin ich nicht deshalb gegangen. Davon hat mich mein vier Jahre älterer Bruder Kevin begeistert.“

Erst in Hamburg beim SV  Polizei. Dann holte ihn Morales ins Gym nach Schwerin. Kadiru: „Dort habe ich viel dazugelernt und mich auch richtig heimisch gefühlt. Dass man als Farbiger im Osten eher Probleme hat, kann ich deshalb überhaupt nicht teilen. Auch wenn ich in Magdeburg bin, komme ich mit allen gut klar.“

Seit einem Jahr ist Kadiru wieder in Hamburg, lebt dort mit Freundin Michelle und dem fünf Monate alten Töchterchen Nila in Barmbek. „Zum Training brauche ich rund 20  Minuten. Das passt perfekt.“

Dabei sitzt der nette Riese aber nicht cool in einem schicken Auto, sondern mit der Sporttasche in Hamburgs öffentlichen Verkehrsmitteln. Kadiru verschämt: „Ich traue es mich kaum zu sagen, aber ich habe wirklich noch keinen Führerschein. Den muss ich demnächst unbedingt machen.“

Wenn er am Sonnabend in den Ring steigt, werden auch wieder viele Fans aus Hamburg dabei sein. Kadiru erzählt: „Das sind größtenteils Freunde aus alten Schulzeiten und der Nachbarschaft.“ Seine Freundin reist natürlich auch an, wird allerdings nicht am Ring sitzen. „Weil wir dieses Mal keinen Babysitter haben, der auf die Kleine aufpasst, bleibt sie mit Nila im Hotel.“

Einlaufen wird der Schwergewichtler am Sonnabend mit dem Song „Power“ von Kanye West. Warum? „Ich brauche immer Songs, die mich richtig pushen.“

Übrigens: Seine Eltern waren überhaupt noch nie bei seinen Kämpfen dabei. „Meine Mama könnte es nicht ertragen, wenn sie sehen müsste, dass auch ich Schläge bekomme.“ Wegen Mama Janet wird Peter Kadiru auch nicht wie die meisten Boxer seinen Körper mit einem Tattoo verzieren. Er verrät: „Tätowieren kommt für mich nicht in Frage. Da wäre meine Mama richtig böse auf mich.“

Und Siege werden lieber in Mamas Küche mit afrikanischen Gerichten wie Banku und Fufu statt mit Alkohol gefeiert. Kadiru: „Der schmeckt mir einfach nicht. Außerdem wäre es für mich das Schlimmste, wenn ich nicht mehr die komplette Kontrolle über mich selbst hätte.“

Denn Kadiru, bei dessen Nachnamen die Betonung auf den „ru“ liegt, ist angetreten, um Weltmeister zu werden. Dass er das Zeug dafür haben dürfte, zeigt allein schon, dass der frühere Klitschko-Manager Bernd Bönte sein Berater ist. Kadiru: „Ein WM-Gürtel ist mein großer Traum. Aber mit meinen 21 Jahren bin ich in meiner Gewichtsklasse ja fast noch ein Baby und habe noch ein paar Jahre Zeit.“ So lange wird sein Trainer auch gesiezt. Morales: „Unser Deal ist, dass er mich duzen darf, wenn er Weltmeister in einem der großen vier Verbände ist.“ Und auf dem Weg dahin soll morgen Abend gegen den Mexikaner Carlos Carreon im dritten Profikampf der dritte Sieg her.