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Handball Schmedt will Leitplanken enger ziehen

Vor dem Trainingsauftakt des SCM am Donnerstag sprach die Volksstimme mit Manager Marc Schmedt über Ziele, Erwartungen und Spielerverträge.

Von Janette Beck 12.07.2016, 01:01

Der SCM sitzt in den Startlöchern. Der Rucksack, den van Olphen & Co. in die neue Saison mitschleppen, dürfte nach dem Pokalsieg einerseits und dem enttäuschenden achten Platz in der Liga andererseits randvoll mit Erwartungen sein. Spüren Sie tatsächlich doppelten Druck?

Marc Schmedt: Die Erwartungen sind in Magdeburg doch immer hoch, daran haben wir uns gewöhnt. Unser Anspruch ist es, den Druck zu meistern und in allen drei Wettbewerben das Bestmögliche zu erreichen.

In einem Interview mit „handball-world.com“ haben Sie gesagt, dass der SCM gelernt habe, „kleine Brötchen zu backen“ und dies trotz des Pokalsieges auch weiterhin zu tun gedenkt. Was sind für Sie bestmögliche kleine Brötchen in der Saison 2016/17?

Grundsätzlich ging es mir darum, die eigene Leistungsfähigkeit realistisch einzuschätzen. Unser Leistungsvermögen ist aktuell das, was wir am Schluss der Saison unter Trainer Bennet Wiegert gezeigt haben.

Soll heißen?

Wir sind eine Mannschaft, die bei den aktuellen Rahmenbedingungen zwischen Platz fünf und acht einzuordnen ist. Wenn es gut läuft, kann es auch Platz vier sein, wenn es schlecht läuft eben auch mal Platz neun oder zehn. Von der Spitze sind wir aber noch ein gutes Stück entfernt. Da fehlt uns die wirtschaftliche Substanz. Am Ende spiegelt die sportliche Leistung immer auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten wider. Mit unserem Etat siedeln wir uns aktuell auf Platz sechs, sieben an. Und zum Pokal muss ich sagen: Nur weil wir die letzten zwei Jahre in Folge in Hamburg waren, hat der SCM noch lange kein Abo aufs Final-Four. Schon der Auftakt wird schwer, zumal nur fünf Tage Zeit bleiben, um uns nach Olympia mit dem kompletten Kader auf die erste Pokalrunde vorzubereiten. Es muss aber das Ziel bleiben, mittelfristig in die Ligaspitze vorzustoßen.

Wie Mannschaft und Trainer ihre Saisonziele formulieren, bleibt abzuwarten. Was steht auf Ihrem Wunschzettel?

Wie in jedem Jahr, dass der SCM europäisch spielt – auch wenn das aufgrund des Qualifikations-Modus immer schwieriger wird. Von den drei Wettbewerben bietet der Pokal den kürzesten Weg auf die internationale Bühne. Neben dem eigenen Anspruch ist es aber zudem wichtig europäisch zu spielen, um ambitionierte Spieler – wie zum Beispiel Michael Damgaard – halten zu können oder neue Spieler zu gewinnen.

Zum Saisonende 2017 laufen neun Verträge von Stammspielern aus. Fängt der frühe Vogel den Wurm?

Wir sind da in den Gesprächen teilweise sehr weit. Vielleicht könnte es diesbezüglich bald die ersten Ergebnisse geben.

Wie stehen die Chancen, dass die Top-Spieler, die nach der EM oder dem Pokalsieg noch mehr Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen geweckt haben dürften, auch verlängern?

Zunächst einmal müssen beide Seiten, auch die Spieler, verlängern wollen, das ist Grundvoraussetzung. Was darüber hinausgeht, darüber will ich nicht spekulieren.

Gab oder gibt es konkrete Anfragen von Vereinen?

Warum sollte es die geben, wenn die Verträge regulär auslaufen? Vorzeitig werden wir keinen gehen lassen, hier gab es aber auch keinerlei Anfragen. Zumindest kann ich aber sagen, dass noch keiner der betreffenden Spieler signalisiert hat, dass er weg will.

Gibt es bei Spielern wie Finn Lemke oder Damgaard, die von zahlungskräftigeren Vereinen umworben werden, beim Gehalts-Poker eine Schmerzgrenze, oder lautet das Motto: Halten um jeden Preis?

Natürlich müssen wir immer unser Budget im Auge behalten. Aber einen Damgaard oder Lemke interessieren auch die Fragen: Wie geht es mit dem SCM weiter? Ist mein Verein in naher Zukunft so aufgestellt, dass er um Champions-League-Plätze mitspielt?

Sie sprechen beim „SCM anno 2016“ von einer Mannschaft im Umbruch. Das war sie auch 2010 bei ihrem Amtsantritt. Ebenso 2013. Da war die Rede von einer „Mannschaft in der Entwicklung“ und damit einhergehenden „Seitwärtsbewegungen“, die der Prozess mit sich bringe. Aber irgendwann muss Ihre „Mannschaft der Zukunft“ doch mal stehen?

Ein solcher Prozess ist nie abgeschlossen. Aber, da muss ich Ihnen Recht geben, es kann nicht unser Bestreben sein, jedes Jahr vier, fünf Spieler auszuwechseln. Aktuell haben uns drei Protagonisten verlassen, drei neue kommen dazu. Verlängert dazu der Großteil der Spieler mit auslaufenden Verträgen, steht das Grundgerüst für die nächsten Jahre. Wenn dann mal ein oder zwei Spieler kommen und gehen, ist das normal.

Heißt aber auch, die Fans müssen sich weiter auf die eine oder andere Seitwärtsbewegung einstellen?

Ausgehend von Platz acht und dem, was an Potenzial in der Vorsaison nicht ausgeschöpft wurde, gehe ich in der kommenden Saison von einer deutlichen Vorwärtsbewegung aus.

Das ist bei dem Auftaktprogramm mit Nordhorn im Pokal sowie den Löwen, Leipzig und Flensburg in der Liga leichter gesagt als getan, oder?

Stimmt, vieles hängt davon ab, wie wir in die Saison reinkommen. Gegner wie Leipzig oder Nordhorn-Lingen sind kreuzgefährlich, weil die Vorbereitung extrem schwierig ist und uns fünf Olympiateilnehmer fehlen.

Der SCM steht zum Trainingsstart auch ohne Spielmacher da. Denn Marko Bezjak weilt in Rio, und Christian O‘Sullivan stößt wegen eines Eingriffs am Knie erst zum Ende der Vorbereitung zum Team. Das ist der Super-GAU, oder?

Die Situation ist, wie sie ist. Flensburg steht zum Beispiel ohne Torhüter in der Vorbereitung da. Wir müssen halt das Beste draus machen und zusehen, dass wir am 26. August ein hohes Leistungsniveau haben. Aber da vertraue ich ganz unserem Trainer Bennet Wiegert.

Nach der sportlichen Talfahrt in der Vorsaison und dem Trainerwechsel haben Sie angekündigt, dass alle Rahmenbedingungen unter die Lupe genommen werden. Mit welchen Konsequenzen?

Dass wir nach dem vierten Platz in der Saison 14/15 zu nachlässig gewesen sind und gedacht haben, dass alles von alleine läuft. Wir haben zu lange von der Substanz gelebt, bis sie irgendwann aufgebraucht war. Es wurden in vielerlei Hinsicht zu viele Kompromisse gemacht und zu viel Rücksichtnahme geübt. Wir werden die Leitplanken enger ziehen und uns auf die Grundlagen konzentrieren. Bennet Wiegert mit seiner akribischen Arbeit und seiner kompromisslosen und strukturierten Herangehensweise ist genau der richtige Mann dafür.

Das bedeutet in der Praxis?

Dass wir in der Vorbereitung gegen mehr höherwertige Gegner spielen, in Halberstadt ein Trainingslager absolvieren oder im Kraft-Ausdauerbereich die Intensitäten hochschrauben. Wir arbeiten ja schon seit ein paar Monaten im Fitnessbereich im „Life“ mit Dr. Kirchhoff zusammen. Dieser Schritt trug bereits in der zweiten Saisonhälfte erste Früchte. Ebenso trifft dies auf die Partnerschaft mit der Strehlow GmbH im Bereich Physiotherapie zu. Auch in medizinischen Belangen müssen wir nach vorne denken. Einen Mannschaftsarzt in der klassischen Form wird es nicht mehr geben. Die Grundversorgung am Spieltag ist gesichert. Gibt es überdies Probleme, schicken wir die Spieler zur Diagnostik gleich direkt zu den Spezialisten in der Uniklinik Magdeburg. In der Summe soll dies die Ausfallzeiten verkürzen und den Heilungsprozess beschleunigen.

Mit Rechtsaußen Daniel Petersson, Spielmacher Christian O´Sullivan und dem Rückraumrechten Mads Christiansen stoßen drei Ausländer zum SCM – damit erhöht sich deren Anteil auf über 70 Prozent. Auf der anderen Seite hat es nach Matthias Musche kein Spieler mehr geschafft, sich oben festzuspielen. Ist der endgültige Abschied vom Magdeburger Modell der Preis, den der SCM zahlen muss, wenn er künftig oben angreifen will?

Der eigene Nachwuchs hat natürlich den Vorzug vor einem ausländischen Spieler bekommen, wenn er die geforderte Qualität hat. Aber wir hatten nachweislich keine eigenen Alternativen zum Beispiel auf Rechtsaußen. Der Sprung von der dritten in die erste Liga ist eben, wenn ich ambitioniert um die EC-Plätze mitspielen will, extrem groß. Ein Grundproblem ist aber das Kompetenzgerangel der unterschiedlichen Protagonisten im Handballnachwuchs am Standort Magdeburg.

Das Magdeburger Publikum hat allerdings seit jeher ein Herz für den eigenen Nachwuchs. Befürchten Sie negative Reaktionen, wenn „Magdeburger Jungs“ auf der Mannschaft draufsteht, aber immer weniger Magdeburger drin sind?

Natürlich sind und bleiben solche Spieler wie ein Matthias Musche oder Dario Quenstedt extrem wichtig für die Identifikation. Aber mal ehrlich, wer waren denn in der Vergangenheit die großen Helden des SCM? Das waren auch ein Abati, Stefansson oder Jurecki. Wer waren beim Pokalsieg 2016 bester Spieler, Torhüter oder Torschütze? Alles Leistungsträger, die nicht in Magdeburg-Buckau groß geworden sind. Identifikation wird eben insbesondere über Leistung und Persönlichkeit geschaffen.

Für Sie selbst hat sich mit dem 1. Juli auch etwas geändert. Als ehemaliger Banker wurden Sie die letzten sechs Jahre von Ihrem Ex-Arbeitgeber Nord-LB für den Handball-Job freigestellt. Ihre dritte Amtsperiode bestreiten Sie nunmehr ohne Netz und doppelten Boden. Ist das ein anderes Gefühl?

Richtig ist, dass nach der Verlängerung meines Geschäftsführer-Vertrages die Regelung mit der Nord LB – die im Übrigen jeder dort Angestellte in Anspruch nehmen könnte – nicht mehr gültig ist. Mit dieser bewussten Entscheidung war auch eine gewisse Zielstellung verbunden. Ich habe nicht bis 2020 beim SCM unterschrieben, um hier weiterhin zwischen Platz sechs und neun zu spielen. Die Ziele müssen nach vorn deuten und klar definiert werden. Demzufolge gilt es, in den nächsten Jahren die Voraussetzungen zu schaffen, um permanent im europäischen Geschäft zu spielen und auch in einer guten Saison die Champions-League-Qualifikation zu erreichen. Ich kann das machen, was mir Spaß macht, mit allen Höhen und Tiefen, und deswegen war es auch nicht schwer, mich zu positionieren.