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Kanu Jasmin Fritz und der Sinn des Trainings

Für Jasmin Fritz vom SC Magdeburg kam die Verlegung der Olympischen Spiele nicht ungelegen.

Von Daniel Hübner 26.04.2020, 14:47

Magdeburg l In einem literarischen Duett mit der Volksstimme hat Jasmin Fritz vom SCM neulich über eine Trilogie referiert, in der es in gewisser Weise um sie selbst geht. „Wiedersehen im Café am Rande der Welt“ von John Strelecky ist der zweite Teil und stellt so existenzielle Fragen wie „Warum bist du hier?“ oder „Führst du eine erfülltes Leben?“. Sich selbst darauf eine Antwort zu geben, ist in Zeiten der Corona-Krise eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Niemand lebt die Normalität seines Alltags. Niemand hinterfragt sein Glück. Das muss auch Jasmin Fritz nicht. Ihr Glück wäre es rein sportlich, an den Olympischen Spielen in Tokio teilzunehmen. Im Jahr 2021. Vom 23.  Juli bis 8. August.

Irgendwie war es indes ein Glück für die Kanutin, in den vergangenen Wochen „die Bude ausmisten“ zu können, wie sie berichtet. „Endlich habe ich mal Zeit, die Wohnung auf Vordermann zu bringen.“ Da hat sie sicher einiges gefunden, das sie mit den glücklichen Momenten ihrer Vergangenheit verbindet. Wie die jeweilige Bronzemedaille bei der Europa- und Weltmeisterschaft 2018 im Kajak-Zweier über 500 Meter. Gemeinsam mit Steffi Kriegerstein war sie damals direkt aus der U 23 in die Spitze der Elite gefahren.

Und vielleicht hat sie dabei auch eine Erinnerung an das vergangene Jahr entsorgt. Jenes Jahr, das sie im Grunde genommen von der Spitze ins Mittelmaß geholt hat beim Blick auf das entscheidende Ergebnis: Zehnte bei der WM, kein Quotenplatz für Olympia. Wieder im K2 über 500 Meter. Wieder mit Kriegerstein. Statt großem Jubel herrschte große Enttäuschung.

Ähnlich war dann das erste Gefühl nach der Verlegung der Sommerspiele auf 2021: „Ich war ziemlich bedrückt“, berichtet sie. „Immerhin war mein Training vor allem in den vergangenen zwei Jahren nur auf Olympia ausgerichtet.“ Aber mit ein wenig Abstand stellte die 24-Jährige fest: „Es war die richtige Entscheidung, um faire Spiele gewährleisten zu können.“ Und die Qualifikation dafür außerdem.

Fritz hat nämlich nach wie vor die Chance, an den Sommerspielen teilzunehmen. Das muss sie sich jeden Tag sagen, um sich für die und in den Einheiten zu motivieren und sich die grundlegende Frage zu beantworten: „Warum bist du hier?“ Sie sagt nämlich über die derzeitigen Qualen ohne Ziel in dieser Saison: „Ich bin eher der Typ, der es schwer damit hat.“

Normalerweise wäre sie inzwischen die nationalen Ranglisten gefahren. Und wenn sie sich dabei im Zweier durchgesetzt hätte, würde sie normalerweise Mitte Mai in Racice (Tschechien) die Olympiaqualifikation fahren. Aber alles ist auf unbestimmte Termine verschoben. Was wiederum kein Nachteil ist für Fritz: „Ich war schon in einer guten Form, ich hatte aber sicherlich noch nicht meinen Leistungshöchststand erreicht.“

Was sicher auch den wochenlangen Ausfällen Ende Dezember und im Januar geschuldet war. Immer wieder wird sie von einem Virus über längere Zeit erschlagen. Deshalb durfte sie in jener Phase auch nicht mit nach Indian Harbour Beach in Florida (USA) ins Trainingslager mit dem Deutschen Kanuverband (DKV). „Durch die Ausfälle lief der Winter ziemlich schlecht für mich“, sagt Fritz.

Stattdessen begann im Februar unter ihrem neuen Heimtrainer Mark Zabel quasi der Neuaufbau. Zabel hatte die Leistungspaddler im vergangenen Sommer von Eckhard Leue übernommen und sofort an einer Schwäche angesetzt, die die Kajak-Damen schon seit Jahren verfolgen: ihre Sprintfähigkeit. „Da sind wir zu langsam“, weiß Fritz. Nicht nur sie, auch Nina Krankemann und Julia Hergert aus ihrer Trainingsgruppe. Unterstützung erhalten der Trainer und seine Damen nicht zuletzt von Guido Meyer vom Olympia-Stützpunkt, der zum Beispiel die Startschläge analysiert.

Fritz hat als Olympiakader den Vorteil, die Heimstätte an der Zollelbe nutzen zu dürfen. Und sie hat außerdem ein Herz für den U-23-Paddler Moritz Florstedt. Der 18-Jährige hat als Nachwuchskader diesen Zugang nämlich nicht, stattdessen sammelt er auf dem Nie-gripper See Kilometer. „Zweimal pro Woche trainieren wir zusammen, sonst hätte Moritz niemanden, mit dem er sich in Belastungen auch mal messen kann“, betont Fritz. Das nennt man: Solidarität.

Solidarität ist 2021 zumindest sportlich nicht gefragt. Der DKV hält an seinen Nominierungskriterien fest. Was heißt: Fritz muss sich um den Platz für die Tokio-Qualifikation erst streiten, diese dann fahren – und gewinnen. „Niemand ist im Zweier gesetzt“, bestätigt die Magdeburgerín. Aber alle hoffen auf den Start.

Fritz hofft vor allem, gesund durch die Monate zu kommen und sich auf den Höchststand ihres Leistungsniveaus zu trainieren. Dann lässt sich die Frage nach dem „Warum bist du hier?“ womöglich leichter beantworten. Für Olympia.