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Leichtathletik Anna Rüh enttäuscht über EM-Aus

Anna Rüh ist nach der verpassten EM-Qualifikation als aktuell Fünfte der europäischen Rangliste nur Ersatz im deutschen EM-Team.

Von Daniel Hübner 25.07.2018, 01:01

Magdeburg l Am 31. August beendet Anna Rüh ihre Saison. Beim Diamond-League-Meeting in Brüssel geht es für die 25-Jährige noch einmal um die größte Weite und um das höchste Preisgeld. Bis dahin ist sie „niedergeschlagen“, sagt sie, aber ergänzt sofort: „Obwohl das Schwachsinn ist, alles im Leben hat auch seinen Sinn.“

Die Bedeutung ihrer verpassten Qualifikation für die Europameisterschaften in Berlin (7. Bis 12. August) muss Rüh allerdings erst für sich definieren. Ganz sicher ist es nicht der Sinn, „dass ich diejenige bin, die wie schon in den vergangenen Jahren zurückstecken muss“. Rüh fuhr am vergangenen Wochenende als Zweite der nationalen Rangliste mit 62,66 Metern zu den Deutschen Meisterschaften nach Nürnberg. Sie war verletzungsfrei durch den Winter gekommen, sie hatte in allen fünf Wettkämpfen im Vorfeld die EM-Norm (60,00) übertroffen. In Vorbereitung auf Nürnberg hatte sie „im Training Weiten geworfen, die ich in meinem Leben noch nie geworfen hatte“, berichtet sie.

Und dann wurde sie Dritte mit 62,65 Metern hinter Nadine Müller (Halle/62,73) und Siegerin Shanice Kraft (Mannheim/62,91). Und weil Claudine Vita (Neubrandenburg) als beste Deutsche des Jahres mit 65,15 Metern vornominiert worden war, bleibt der Magdeburgerin nur die Reservistenrolle hinter den drei Starterinnen in Berlin.

„Dass ich wieder hier sitze und mir die EM zu Hause anschauen muss, ist in Worte nicht zu fassen“, sagt sie. „Für mich ist es eine der größten Niederlagen in meiner Karriere.“

Rühs Trainer Armin Lemme kann das nachvollziehen. „Wenige Zentimeter haben über 100 und null Prozent entschieden“, erklärt er. Es waren genau acht Zentimeter, die ihr zu Müller fehlten. „Das ist ein Witz“, sagt Rüh. „Wenn man regelmäßig über EM-Norm wirft und dann wegen acht Zentimetern abgespeist wird, das tut schon weh. Und man kann sich sicherlich ausmalen, dass ich als Fünfte der europäischen Rangliste mit 62,66 Metern um eine Medaille hätte mitkämpfen können.“

Abgespeist: Das Wort schwirrt ihr seit ihrem Wettkampf am vergangenen Sonntag durch den Kopf. Abgespeist fühlt sie sich, weil auch die Nominierungskriterien keine klaren Argumente für die Qualifikation vorsahen. Weil alles kann, aber nichts muss. Rüh kann dies nicht mehr ändern, aber sie kann die Richtlinien laut hinterfragen.

Warum wurden sie überhaupt geändert? „Sie werden immer schwammiger“, sagt die Werferin. Sonst waren die ersten drei der nationalen Titelkämpfe auch beim internationalen Großevent am Start, sofern sie die Norm geschafft hatten. Jetzt wurde Claudine Vita, die Vierte in Nürnberg wurde mit 62,63 Metern, auf Empfehlung von Frauen-Bundestrainer René Sack (Halle) für Berlin vornominiert. Selbst als beste Deutsche 2018 zeigte sie in dieser Saison nicht die Konstanz einer Anna Rüh. Rüh selbst war 2015 die Jahresbeste mit ihrem persönlichen Rekord von 66,14 Metern, wurde dann Vierte bei den nationalen Titelkämpfen und verpasste die Weltmeisterschaft in Peking. Oder warum werden nicht die ersten 24 der europäischen Rangliste zur EM eingeladen? Dann wären gleich sechs Deutsche dabei. So groß ist der nationale Konkurrenzkampf, so eng die Leistungsspitze. „Für die Zukunft gibt es nur einen Weg: Klarheit und Struktur in den Richtlinien. Und keine Mauscheleien“, betont die EM-Vierte von 2012 und 2014.

Sollte sie bei der EM keinen Einsatz haben, und ganz sicher wünscht sie keiner deutschen Konkurrentin einen verletzungsbedingten Ausfall, wird sie mit ihrem Trainings- und Lebenspartner Martin Wierig, der das Berlin-Ticket ebenfalls verpasste, ein paar Tage das private Glück an der Ostsee genießen. „Wir unterstützen uns gegenseitig und pushen uns“, beschreibt sie die Beziehung der beiden Leistungssportler, die gemeinsam die Diskus-Leidenschaft pflegen. Aber kann gerade das zuweilen auch eine Belastung sein, weil das Thema eine große Rolle im Leben einnimmt? „Wir reden schon viel über den Sport. Es ist aber nicht so, dass wir uns Druck aufbauen. Letztlich sind wir Einzelsportler und konzentrieren uns allein auf unsere Leistung.“

Die soll in den nächsten Jahren wieder für die ganz großen Events reichen: für die Weltmeisterschaft in Doha 2019, für die Olympischen Spiele in Tokio 2020. Kurzfristig aber, sagt Rüh, wird es „schwer, den Rhythmus wieder zu finden“. Und den Spaß, „jeden Morgen nach dem Aufstehen das zu machen, was mich erfüllt, womit ich mich wohlfühle“, erklärt sie.

Kurz gesagt: den Sinn ihres bisherigen Lebens. Womöglich kann sie spätestens am 31. August beim Wettkampf in Brüssel die Suche mit der größten Weite beenden.