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Leichtathletik Wierig krönt „Marathon“ mit Silber

Der Magdeburger Diskuswerfer Martin Wierig hat bei den Leichtathletik-Titelkämpfen in Erfurt als Zweiter das WM-Ticket gelöst.

Von Janette Beck 10.07.2017, 01:01

Erfurt l Im Vorfeld der Titelkämpfe wurde der Diskuswurf der Männer auf das zu erwartende „Bruder-Duell“ zwischen Robert und Christoph Harting reduziert. Lachender Dritter, besser gesagt Zweiter, war Martin Wierig: Der Magdeburger hatte mit viel Stehvermögen nicht nur den Rio-Olympiasieger besiegt, sondern auch das WM-Ticket gelöst.  

In gut zwei Stunden spulen Top-Läufer einen Marathon herunter. Man kann in dieser Zeit ein Fünf-Gänge-Menü genießen, ein Fußballspiel in der Verlängerung verlieren oder, wenn kein Stau ist, mit dem Auto von Magdeburg nach Erfurt, dem Ort der 117. Leichtathletik-Titelkämpfe, düsen.

Oder aber: 16 Mannsbilder können in über zwei Stunden – inklusive Einwerfen – den Diskus-Meister 2017 ermitteln. „Muss man aber nicht noch einmal“ – darin waren alle Hünen nach dem Wettkampf-Marathon am Sonnabend mit Vizemeister Martin Wierig einer Meinung: „Die sechs Versuche zogen sich sehr, sehr schleppend dahin. Da war es echt schwierig, die Spannung zu halten, zumal es noch drückend warm war. Aber ich habe trotzdem versucht, mein Ding durchzuziehen.“

Und wie! Der 30-jährige Magdeburger bewies buchstäblich Stehvermögen und wurde dafür mit Silber belohnt. Im sechsten und letzten Wurf segelte die Zwei-Kilo-Scheibe auf 64,29 Meter. Nur London-Olympiasieger Robert Harting hatte noch mehr drauf: Der Berliner („Ich freue mich, der nationale Titel bringt doch einiges an Prestige. Ich werfe aber immer noch mit einer B-Technik.“) holte sich mit 65,65 Meter Gold – es war bereist der zehnte Titel für den Berliner.

Sein Bruder Christof ging als Vierter leer aus (62,51). Vor ihn schob sich der Potsdamer Markus Münch (62,76), der ebenfalls an der WM-Norm von 65 Metern scheiterte. Die Magdeburger David Wrobel (60,85) und U-23-Werfer Torben Brandt (60,62) belegten die Plätze sechs und sieben.

Für Wierig, der im Vorjahr den undankbaren vierten Rang belegt und Rio verpasst hatte, war „Silber + WM-Ticket“ fast so viel wert wie Gold: „Ich bin sehr zufrieden – mit dem Platz, mit der Weite und erst recht, dass ich in London dabei bin.“ Bei so vielen Startern habe es im Vorkampf „ewig gedauert, bis man mal wieder dran war. Deshalb bin ich stolz auf mich, dass ich im Kopf stark war, fokussiert geblieben bin und meine beiden besten Würfe in den letzten zwei Versuchen hatte.“

Rückblickend auf die „Nackenschläge im Vorjahr“ meinte Wierig, der die WM-Norm gleich zum Saiosoneinstand abgehakt hatte (65,56): „Zweiter und WM-Ticket hört sich besser an als Vierter ohne Olympia-Ticket, auch wenn ich vor einem Jahr bei der DM einen halben Meter weiter geworfen habe. Schon irrwitzig – aber so ist das im Sport.“ Jetzt freue er sich einfach nur auf London: „Nach 2012 nochmal im Olympiastadion werfen zu können, den Moment möchte ich genießen“, so der Olympia-Sechste.

Wenn es hart auf hart kommt, wird Christof Harting bei der WM zuschauen müssen. Doch trotz seines verpatzten Auftritts in Erfurt blieb er überraschend gelassen. „Was soll ich sagen: Zwei Stunden Wettkampf, da verliert man auch als Athlet das Interesse.“ Er habe sich schwergetan, in den Wettkampfmodus zu kommen. „Nach zwei ungültigen Versuchen habe ich kurz Panik geschoben.“ Doch es reichte noch für weitere drei Versuche: „Am Ende habe ich alles auf den letzten Wurf gesetzt, ich habe gepokert und verloren“, versuchte der Rio-Olympiasieger seine Enttäuschung mit Coolness zu übertünchen.

Und „um Gotteswillen, nein!“. Er wolle „keine Extrawürste“, antwortete der Rotschopf auf die Frage, ob er als Olympiasieger trotz nicht erbrachter WM-Norm auf einen Sonderstatus bei der Nominierung hoffe.

Wierigs Teamkollege David Wrobel machte aus seiner Enttäuschung indes kein Geheimnis: „Gefühlt eine Stunde für einen Versuch – das ist echt nicht mein Ding. Ich habe in den ersten drei Versuchen keinen Rhythmus gefunden und meine Beine gar nicht gespürt. Die waren wie Pudding“, so der 25-Jährige, der die Hoffnung auf ein WM-Ticket jedoch noch nicht ganz aufgegeben hat: „Ich bin mit 64,66 Metern nach wie vor Dritter der deutschen Bestenliste, und Nominierungsschluss ist der 11. Juli. An dem Tag werfen wir nochmal in Göteborg. Also, eine klitzekleine Chance habe ich noch: Jetzt heißt es: Attacke! Alles, was geht!“