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Olympia Die Siegerehrung muss warten

Wie Martin Wierig, Max Appel und Rob Muffels vom SC Magdeburg über eine Verschiebung der Sommerspiele in Tokio denken.

Von Daniel Hübner 24.03.2020, 00:01

Magdeburg l In diesen Tagen muss man die wichtigste Nachricht immer vorausschicken: Martin Wierig, Max Appel und Rob Muffels vom SC Magdeburg sind gesund. „Mir geht es gut“, antworteten die drei Herren auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden. Und alle drei Herren verfolgen natürlich derzeit die Diskussion über die Austragung der Olympischen Sommerspiele vom 24. Juli bis 9. August in Tokio. Zumindest Wierig und Appel pädieren für eine Verlegung ins Jahr 2021.

Martin Wierig hat im sozialen Medium „Instagram“ der Welt ein Bild von sich gezeigt, wie er wunderbar entspannt in einem Gartenstuhl hinter seinem Haus Platz genommen hat, wie er wunderbar entspannt sein Gesicht mit geschlossenen Augen in die wärmende Sonne hält. Und wenn es eine Nachricht in diesem Bild gibt, dann lautet sie: Zu Hause ist es am schönsten. Nicht nur, aber erst recht während der Corona-Krise.

Da genießt der Diskuswerfer seine freie Zeit in diesen Tagen. Keine Wettkämpfe, kein Trainingslager sind in seinem Terminplan notiert, nur die täglichen Einheiten in der Leichtathletik-Halle des Olympia-Stützpunktes, das Wierig wie alle, die eine Chance auf Olympia haben, mit einer Ausnahmegenehmigung der Stadt besuchen darf. „Das Training läuft in relativ normalen Bahnen weiter“, berichtet der Hüne. „Ich bin auch sehr zufrieden mit meinem Leistungsstand.“ Aber natürlich ist das Training, die Qual an der Hantel, auch eine mentale Herausforderung: „Es ist eine schwierige Situation, da wir nicht wissen, woraufhin wir trainieren.“

Auf Olympia hin, natürlich. Aber auch auf die Sommerspiele in diesem Jahr? Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die Regierung Japans haben ja inzwischen eingelenkt, haben sich eine vierwöchige Frist gesetzt für die Entscheidung über eine Verlegung des Events in den Herbst oder in die Jahre 2021 und 2022 hinein. Dann meldete sich auch noch Kanada und erklärte: Die Sommerspiele werden zum ursprünglichen Termin ohne das Land mit dem Ahorn-Blatt in der Flagge stattfinden. Kanada war damit ein Vorreiter für alle Länder, die die Ausrichtung im Sommer für sinnlos halten. Wie auch Martin Wierig.

Denn der 31-Jährige betont: „Eine Verschiebung ist unausweichlich. Auch wenn es aus sportlicher Sicht für mich hart ist. Aber die Gesundheit steht über allem.“

Und zu welcher Zeit? Herbst, 2021 oder 2022? Wierig plädiert für 2021. „Damit für alle Athleten Chancengleichheit herrscht.“ Der Magdeburger weist dabei auch auf die Expertisen der Virologen hin: „Sie rechnen damit, dass man in den nächsten Monaten größere Sportveranstaltungen auf nationaler und internationaler Ebene nicht durchführen kann. Somit wäre eine faire Qualifikation in diesem Jahr nicht möglich.“

Egal, welche Entscheidung letztlich getroffen wird: Wierig würde jeden Termin akzeptieren, Wierig würde sich bis zu jedem Termin quälen. Wierig will an seinen zweiten Spielen nach 2012 in London teilnehmen. „Aufgeben zählt nicht“, sagt er und ergänzt: „Auch wenn es nicht leichter wird für den alten Körper und die Verschiebung deshalb eher ein Nachteil wäre. Aber ich ziehe durch.“

Rob Muffels will dabei sein.„Mir ist es eigentlich egal, wann sie letztlich stattfinden. Ich will zu den Olympischen Spielen“, betont der Freiwasser-Athlet. Das kann also im Herbst in Tokio sein, das kann auch im nächsten und im übernächsten Jahr sein. Muffels will sich den Traum von seinem ersten Start beim Ringespektakel erfüllen, Muffels will dann auch in Richtung Medaille kraulen über die zehn Kilometer, für die er sich mit Bronze bei der jüngsten Weltmeisterschaft in Gwangju (Südkorea) bereits qualifiziert hat. Muffels kann auf die nächste große Siegerehrung also warten. Und muss es ziemlich sicher auch.

Er muss aber ebenfalls und trotzdem trainieren. Wie Wierig mit einer Sondergenehmigung, nur eben in der Elbehalle. „Das Training läuft nach dem Aufenthalt in der Höhe ganz gut“, sagt der 25-Jährige. Bis Mitte März hatten sich Muffels und die Trainingsgruppe von Bernd Berkhahn in der spanischen Sierra Nevada auf die nächsten Wettbewerbe vorbereitet – Wettbewerbe, die inzwischen allesamt abgesagt sind. Selbst der Deutsche Schwimmverband (DSV) hat vorsorglich alle Veranstaltungen bis Ende Mai gestrichen.

Trainer Berkhahn ließ indes seine Schützlinge nicht in den vollen Intensitäten schwimmen. „Wir machen derzeit moderate Belastungen, um das Immunsystem stabil zu halten“, berichtet Muffels.

Der Psychologie-Student hat sich zur Diskussion über eine mögliche Verschiebung selbst in eine abwartende Position begeben: „Ich vertraue darauf, dass die Verantwortlichen der Weltgesundheitsorganisation, des IOC und des Deutschen Olympischen Sportbundes die Situation richtig analysieren und entsprechende Lösungen finden.“ Auf eine Lösung drängt indes der DSV: In einer Mitteilung fordert dieser nämlich – wie auch der Deutsche Behindertensportverband (DBS) für die Paralympics – eine zügige Entscheidung hinsichtlich der Spiele-Verschiebung, erklärt Leistungssportdirektor Thomas Kurschilgen. Für diese wiederum haben sich 80 Prozent der Schwimmer ausgesprochen.

Lena und Max hatten ein ganz erfolgreiches Sportjahr geplant. Mit anschließender Romantik in Weiß und mit Blumen, dem Ja-Wort, dem Walzer als Eröffnungstanz. Lena und Max wollen nämlich heiraten im Spätsommer des Jahres 2020. Und wollten es nach den Olympischen Spielen in Tokio, wo Max Appel ja im Doppelvierer um eine Medaille kämpfen sollte und immer noch soll. Nun aber „wissen wir gar nicht, ob die Hochzeit nach unserem Wunsch stattfinden kann“, sagt der Ruderer. Weil bislang auch niemand weiß, ob die Spiele nicht erst im kommenden Herbst stattfinden. Und so kurz vor dem Herbst, der kalendarisch in diesem Jahr am 22. September um 15.31 Uhr mitteleuropäischer Zeit beginnt, würde es Appel dann eher in die Vorbereitung auf den Tokio-Start führen als vor den Altar.

Über dieses Szenario hat sich Max Appel, seit fünf Tagen 24 Jahre jung, in den vergangenen Tagen womöglich sehr oft den Kopf zerbrochen. Da draußen auf dem Balkon der gemeinsamen Wohnung in Hamburg. Dort steht nämlich sein Ruderergometer, dort hält er sich fit für den Fall des inzwischen unmöglichen Falles, dass die Spiele doch noch am dritten Juli-Freitag in der japanischen Hauptstadt eröffnet werden.

Max Appel tut sich nur schwer mit diesem individuellen Training. „Ergometer und Fahrrad fahren, Laufen in Hamburg: Das macht natürlich in der Gruppe mehr Spaß als allein“, sagt er. Die Gruppe ging am vergangenen Donnerstag auseinander. In Ratzeburg, wo seither der Küchensee ruht.

Skuller-Bundestrainer Marcus Schwarzrock hat nicht zuletzt aufgrund der Empfehlung des Deutschen Ruderverbandes (DRV) seinen Schützlingen mitgeteilt: „Trainiert lieber zunächst zu Hause, wir müssen sehen, wie sich die Sache weiterentwickelt.“ Die Sache mit dem Coronavirus. „Ich denke nicht, dass die Situation besser wird“, meint Appel. Aber vorerst absolviert er alles im Solomodus – erst einmal bis zum nächsten Freitag.

Zumindest das Krafttraining darf er ab heute im Olympiastützpunkt der Hansestadt absolvieren, dafür hat es von der Stadt ebenfalls eine Sondergenehmigung gegeben. Dann kommen die Jungs wieder zusammen, wenn auch in kleinen Gruppen. Der Vorteil des Doppelvierers: „Wir sind für Olympia qualifiziert.“ Im Gegensatz zur Hälfte der möglichen 11 000 Starter in Tokio.

Genau deshalb spricht sich Appel für eine Verlegung der Spiele aus. Und zwar ins Jahr 2021. „Bis dahin ist es nicht mehr so weit“, sagt er. „Jetzt noch einmal bis 2022 zu warten, das wäre echt hart. Zumal bis dahin noch so vieles passieren kann.“