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SCM Brämer-Skowronek lässt die Kugel fliegen

Die Parasportlerin Marie Brämer-Skowronek vom SCM konzentriert sich nur noch auf eine technische Disziplin.

Von Daniel Hübner 10.06.2019, 11:19

Magdeburg l Eva ist nach 13 Jahren zurückgekehrt in ihren Heimatort Bovenmeer, den sie einst traurig verlassen hat. Und zwar nach einem Sommer, an den sie eigentlich nicht mehr denken wollte. Sie hat einen Eisblock mitgebracht, verstaut im Kofferraum. Das ist der Inhalt des Romans „Und es schmilzt“ von Lize Spit. Und es ist das Buch, das Marie Brämer-Skowronek gerade liest. Mal wieder eine Geschichte über ein Wiedersehen also, wie sie solche Geschichten überhaupt mag. Dabei hat die Parasportlerin vom SC Magdeburg selbst erst Abschied genommen.

Einst waren es das Speerwerfen und das Kugelstoßen, die gemeinsam den sportlichen Alltag der Marie Brämer-Skowronek bestimmten. Bis zu dem Tag am Anfang des Jahres 2017, da Trainerin Theresa Wagner sich ihrer annahm beim SCM. Ein längeres Nachdenken und einige Gespräche später war die Athletin, die aufgrund einer spastischen Lähmung auf den Rollstuhl angewiesen ist, zu der Erkenntnis gekommen: Der volle Fokus auf die Drei-Kilo-Kugel macht mehr Sinn.

„Vom Bewegungsablauf sind beide Disziplinen zu unterschiedlich“, sagt sie. „Das sind kontraproduktive Übungen“, stellt Wagner klar. Und nicht nur das: Allein für die Weltmeisterschaft in Dubai (Emirate/7. bis 15. November) müsste Brämer-Skowronek für die Norm in ihrer Schadensklasse F34 mit dem Speer die 17-Meter-Marke übertreffen. „Die Vorgabe wäre für sich zu hoch gewesen“, sagt Wagner.

Die Norm im Kugelstoßen liegt indes bei 7,08 Metern. Brämer-Skowronek kann inzwischen mit einem Lächeln über diese Dezimalzahl sprechen. Schon zum Saisoneinstand in Wittenberg hatte sie diese weit übertroffen. Um 20 Zentimeter. Auch ihre alte Bestleistung von 6,97 Metern war damit pulverisiert. Zuletzt bei den Werfertagen in Halle hat sie gar fünf Versuche über die Vorgabe des Deutschen Behindertensportverbandes gestoßen. Den weitesten auf 7,16 Meter. Und da in ihrer Klasse nur zwei weitere Damen ähnliche Resultate liefern, es aber drei Tickets für Dubai gibt, ist ihr WM-Start bereits gesichert.

Allerdings ist bis zu den Titelkämpfen eine äußerst lange Zeit zu überbrücken. „Das ist das Problem“, erklärt sie. Aber eines, für das Wagner, 28, einen neuen Rhythmus gefunden hat: „Wir ziehen drei Wochen voll durch und machen eine Woche Ruhe“, erklärt sie. Das hat sich in dieser Saison ausgezahlt.

Zunächst aber will Brämer-Skowronek beim Wettkampf am 22. Juni in Blankenburg und bei den deutschen Meisterschaften am 13./14. Juli in Singen die Norm bestätigen und vielleicht ein bisschen weiter werfen als bisher. Außerdem „ist es wichtig, dass wir uns im Training weiter auf die Technik konzentrieren, denn die Kraft passt einfach bei mir“, erklärt die Erzieherin, die im Bankdrücken auf 85 Kilogramm kommt.

Gerade in der Handbewegung „verfalle ich noch in alte Muster“, ins Speerwerfer-Muster. Mit dem Speer hat sie 2012 bei den Paralympics Silber gewonnen, 2013 bei der WM, ihrer bislang letzten, Bronze. 2018 bei der Europameisterschaft in Berlin legte sie letztmals einen Doppelstart hin: Sie wurde Zweite mit der Kugel und Vierte mit dem Speer.

Jetzt also nur noch die Kugel: „Ziel ist in diesem Jahr, stabil 7,50 Meter zu stoßen“, erklärt sie. In der Weltjahres-Bestenliste ist sie mit ihrem Rekord Fünfte. Unübertroffen – seit Jahren – ist die Chinesin Zou Lijuan mit aktuell 8,62 Metern. Ihr Bestwert: 8,75 Meter.

An acht Meter denken Brämer-Skowronek und Wagner noch nicht. Diesem Druck wollen sie sich zur WM erst gar nicht aussetzen. „Wir gehen da locker ran“, blickt die Athletin auf Dubai voraus. „Aber das Ziel, eine Medaille zu gewinnen, muss man ja immer haben.“

Dafür treibt sie ihren Sport. Und Sport ist wie der Roman „Und es schmilzt“, über den der Verlag, in dem er erschienen ist, schreibt: „Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt.“