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Rudern Sperre: Ruderer Syring kämpft weiter

Philipp Syring vom SC Magdeburg ist wegen verpasster Dopingtests zu einer Sperre von einem Jahr verdonnert worden.

Von Daniel Hübner 05.06.2020, 01:01

Magdeburg l Am 30. Juni 2019 erlebte ganz Magdeburg den heißesten Tag des Jahres. 37,5 Grad Celsius im Schatten wurden gemessen. Und Philipp Syring saß womöglich auf dem Balkon seiner Wohnung, blinzelte in die Abendsonne, zerbrach sich den Kopf über das, was ihn noch erwarten würde in jenem „starken Justizjahr“, wie er die vergangenen zwölf Monate seiner Karriere betitelt. Plötzlich klingelte es an der Tür, um 21 Uhr, die Kontrolleure der Nationalen Doping-Agentur (Nada) statteten Syring einen Besuch ab. Wie 23 weitere Male in jenem Jahr, in denen sie Syring auch antrafen. Zweimal trafen sie ihn allerdings nicht an. Und das hatte Folgen für den Ruderer vom SCM.

Am 3. Juni 2020 erlebt ganz Magdeburg einen der bislang wenigen sehr warmen und schwülen Tage in diesem Jahr, ein Gewitter schickt seine ersten Vorboten. Und Philipp Syring sitzt in einem Café, trinkt einen Eistee mit Pfirsichgeschmack und redet über die Dinge, die ihn so belastet haben seit der deutschen Kleinbootmeisterschaft im April 2019 in Köln, wo er mit seinem fünften Platz im Viertelfinale aus allen Träumen von einem internationalen Start gerissen wurde. Nicht nur wegen des Resultates, auch weil er eine Dopingkontrolle verpasst hatte, die dritte innerhalb eines Jahres. Und damit eine zu viel nach dem Anti-Doping-Regeln.

Das wiederum zog ein langes Verfahren vor dem Deutschen Sportschiedsgericht nach sich: Syring gegen die Nada. Am 14. April wurde in Bonn das Urteil gesprochen: Er muss eine einjährige Sperre absitzen. Das Mindestmaß für einen Meldepflichtverstoß nach Artikel 2.4 im Welt- und im Nationalen Anti-Doping-Code. Das Maß für einen mittelschweren Fall. „Und einen mittelschwereren als meinen gibt es nicht“, meint Syring.

Was die Nada wiederum anders sieht: „Zutreffend ist, dass die Nada im Mai 2020 Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Deutschen Sportschiedsgerichts vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) eingelegt hat“, teilt die Agentur auf Nachfrage der Volksstimme mit. Und ergänzt: „Das Verfahren ist anhängig. Deswegen geben wir zum jetzigen Zeitpunkt keine inhaltlichen Statements zum Fall ab.“

Das Verfahren geht also weiter. Nur nicht in Bonn. Sondern in der Schweiz. Womöglich bis Frühjahr 2021. Darauf stellt sich Syring zumindest ein.

Der 23-Jährige gehört noch bis zum 1. Juli zur Sportfördergruppe der Polizei, dann ist er raus, dann muss er seinen Dienst antreten. Viereinhalb Jahre hatte er als A-Kader des DRV den Luxus, nicht arbeiten zu müssen, sondern trainieren zu dürfen. Aber er hatte auch immer die Pflicht, der Nada für eine Dopingkontrolle zur Verfügung zu stehen. Minutiös musste er dazu der Agentur mitteilen, wo er sich täglich zwischen 6 und 23 Uhr aufhält. Und muss es noch.

Der Deutsche Ruderverband (DRV) hatte ihn derweil bereits im vergangenen Jahr aufgrund des Verfahrens suspendiert. „Ich durfte nicht mehr im Mannschaftsboot mitfahren“, berichtet Syring. Trotzdem ist ihm die Rückendeckung des Verbandes und des SCM sicher.

„Das alles weiß die Nada“, erklärt der Magdeburger. „Sie hat in dem Verfahren nichts zu verlieren, ich habe schon fast alles verloren.“ Und er könnte vor allem finanziell noch einen weit größeren Verlust erleiden. Das bisherige Verfahren hat mit einer fünfstelligen Summe herb ins Kontor geschlagen. Sollte er nun vor dem CAS verlieren, wird ein beträchtlicher, wiederum fünfstelliger Betrag hinzukommen.

Es geht also nun um die Verhältnismäßigkeit: Die Nada will an der Regelsperre für einen Meldepflichtverstoß von zwei Jahren festhalten. „Als die Nada Berufung gegen das eingelegt hat, sind wir alle vom Stuhl gefallen“, erinnert sich Syring an die Reaktion auch in seinem Umfeld. „Ich akzeptiere voll und ganz die einjährige Sperre, weil es auch meine eigene Schuld war.“

Die erste Dopingkontrolle hat Syring ausgerechnet am Wochenende seines bislang größten internationalen Erfolges in der Elite verpasst: als er am ersten Juni-Sonntag 2018 mit dem Doppelvierer Zweiter beim Weltcup in Belgrad (Serbien) wurde. „Ich hatte nicht angegeben, dass ich beim Weltcup bin“, sagt er und verdreht die Augen.

Bei der zweiten Kontrolle ohne ihn standen die Nada-Leute vor seiner damaligen Wohnungstür in Hamburg – in jener Stadt, wo der Skull-Olympiakader zusammengekommen ist, um sich in Richtung Sommerspiele in Tokio vorzubereiten. Und wo sich Syring trotz eines gebrochenen Fußes im Boot quälte, „entgegen aller Ratschlägen der Ärzte“, sagt er. Während die Kontrolleure vor verschlossener Tür standen, stand Syring im Bäckerladen um die Ecke.

Die dritte Kontrolle verpasste er eben zwei Tage vor der Kleinbootmeisterschaft in Köln. Dies ist allerdings der streitbare Fall, weshalb Syring dazu nicht ins Detail gehen möchte.

Dafür hat ihn das deutsche Gericht also zu einem Jahr Sperre verurteilt. „Das halte ich für angemessen“, sagt Syring. Als er sich damit abgefunden hatte, als er sich am Plan von der Rückkehr in die Sportfördergruppe bastelte, da legte die Nada Berufung ein. Und verlängerte die Zeit der Ungewissheit.

Gewiss ist nun: Syring muss ab 1. Juli seinen Polizeidienst verrichten: vielleicht im Zwölf-Stunden-Schichtsystem, vielleicht in Teilzeit. Syring muss zudem die Dienststelle wechseln. Als A-Kader war er in Kienbaum angesiedelt. Jetzt muss er Dienst und Training miteinander verbinden. Offen ist nur: Wo? Syring hofft natürlich: in Magdeburg. Und ist sich sicher: „Ich werde die Doppelbelastung schaffen.“

Gewiss ist außerdem: Philipp Syring „will Olympia sehen. Ich will nicht, dass die letzten zehn Jahre im Leistungssport umsonst gewesen sind.“ Natürlich hat es zuletzt auch Zweifel an diesem Traum gegeben. „Aber ich muss sagen, ich konnte mich auch während der Corona-Zeit bei unserem Krafttrainer Otto Haase quälen – mehr noch als in den vergangenen Jahren.“

Auf einen Start bei den Spielen in Tokio hofft er auch nach der Verlegung in den Sommer 2021 nicht mehr. Oder wenig. „Ich möchte mich im nächsten Jahr aber gerne bei einem Weltcup präsentieren und 2022 richtig angreifen.“ Seine Reise geht in jedem Fall weiter: bis zu den Spielen in Paris 2024.