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Skispringen „Stein ins Rollen bringen“: Tournee im Zeichen der Rivalität

Deutschland gegen Österreich, alle gegen Kraft: Die 72. Tournee der Skispringer verspricht riesige Spannung. Chefcoach Horngacher setzt auch auf einen Tapetenwechsel direkt vor dem Start.

Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa Aktualisiert: 27.12.2023, 15:49
Andreas Wellinger freut sich auf die Tournee-Duelle mit Co-Gastgeber Österreich.
Andreas Wellinger freut sich auf die Tournee-Duelle mit Co-Gastgeber Österreich. Philipp Schmidli/KEYSTONE/dpa

Oberstdorf/Fischen - Fernab vom großen Trubel in Oberstdorf fühlten sich die deutschen Skispringer wie zu Hause. Im idyllischen Kurhotel von Fischen genossen Andreas Wellinger & Co. vor dem großen Vierschanzentournee-Duell mit Österreich um Topfavorit Stefan Kraft die Ruhe.

Die 72. Ausgabe des Schanzenspektakels steht ganz im Zeichen der Duelle zwischen den beiden Gastgebern. „Natürlich ist es schön, dass wir diese Rivalität haben. Das macht die Tournee aus. Das macht die Teams auch aus. Ohne das Duell wäre es ein bisschen fad“, sagte Wellinger.

22 quälende Sportjahre des Wartens sollen in diesem Winter enden, wenn das Trio Wellinger, Karl Geiger und Pius Paschke am Freitag (17.15 Uhr/ARD und Eurosport) in Oberstdorf die Jagd nach dem goldenen Adler für den Gesamtsieger eröffnet. „Ich freue mich unglaublich drauf. Ich hoffe, dass wir ab morgen den Stein ins Rollen bringen“, kündigte Wellinger an. Das durchweg sonnige Wetter im Allgäu stand exemplarisch für die glänzenden deutschen Aussichten.

Hotelwechsel ein „sehr guter Schachzug“

Helfen soll auch ein Hotelwechsel. Das Team des Deutschen Skiverbands (DSV) residiert erstmals nicht mehr im Oberstdorfer Ortsteil Tiefenbach, sondern in Fischen. Dies habe zwar „sicher nichts“ mit Aberglaube zu tun, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher. „Es macht einfach Sinn, wenn man 99 Prozent seiner Lehrgangstage hier verbringt, dass wir hier auch während der Tournee wohnen. Die Jungs kennen sich aus, jeder weiß genau, wo man alles kriegt. Es ist eine logische Konsequenz. Das war ein sehr guter Schachzug“, beschrieb Horngacher vor der großen Aufgabe.

Der 30 Jahre alte Kraft könnte wie Peter Prevc (2016), Kamil Stoch (2018) oder Ryoyu Kobayashi (2019) der eine Superathlet sein, der den deutschen Skispringern trotz großer mannschaftlicher Geschlossenheit den Triumph bei der Tournee verdirbt. Olympiasieger Wellinger lobte Kraft schon vor Beginn in den höchsten Tönen.

„Diesen Mann muss man schlagen“

„Krafti ist der beste Skispringer der letzten zehn Jahre. Er ist extrem lange auf einem sehr hohen Niveau unterwegs. Er hat einen Sprungstil, der wenig anfällig ist von den Windbedingungen und von der Schanzengröße her“, sagte der 28 Jahre alte Bayer der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch). Wellinger betonte zudem, dass Kraft leichter und kleiner als er selbst und Teamkollege Geiger sei. Dies könne ein Vorteil sein. „Vier Siege zum Einstieg: Diesen Mann muss man erst mal schlagen, wenn man bei der Tournee ganz oben stehen will“, sagte Wellinger.

Kraft war am 6. Januar 2015 der bisher letzte Österreicher, der die Tournee-Gesamtwertung gewonnen hat. Die Deutschen waren seither oft auf dem Podium vertreten, warten aber bereits seit 2002 auf den ganz großen Coup. Als Sven Hannawald damals den vierten aufeinanderfolgenden Einzelsieg einfuhr, war der Euro in Deutschland weniger als eine Woche eingeführt. Seither hechten die Skispringer auf den bekannten Anlagen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen dem ersehnten Triumph erfolglos hinterher.

Österreicher wohnen in Österreich

Über 25.000 Zuschauer werden direkt in Oberstdorf erwartet. Die Ausgangslage ist ideal für ein direktes Duell zwischen Österreichern und Deutschen. Doch die beiden Cheftrainer warnen. „Man kann nicht sagen, das ist jetzt nur Österreich gegen Deutschland oder nur Kraft gegen Geiger und Wellinger. Da sind schon einige da, die sehr gut springen können“, sagte Österreichs Coach Andreas Widhölzl. Sein Team residiert vor dem Start in Österreich, im Kleinwalsertal unmittelbar neben Oberstdorf.

So ähnlich sieht es auch Horngacher, der sich aus seiner Zeit in Polen mit Triumphen bei dem Event auskennt. „Wir gehen ganz normal in die Vierschanzentournee rein. Wir machen keinen großen Zirkus. Mir ist es wichtig: Ich sehe immer noch Entwicklungspotenzial im Sprung. Die Sprünge laufen noch nicht an der Schnur gezogen wie zum Beispiel bei Stefan Kraft am Anfang der Saison“, sagte Horngacher. Das sei nun das Ziel. Zunächst gilt es, am Donnerstag (16.30 Uhr) die erste Qualifikation schadlos zu überstehen.