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Beliebter Sport Darts-Boom in Deutschland: "Spitzensport und Ballermann"

Ausverkaufte Hallen bei Turnieren in Deutschland sind zum Standard geworden. Die Begeisterung für Darts wächst und wächst. Was macht den einstigen Kneipensport hierzulande so beliebt?

Von Marc Niedzolka und Patrick Reichardt, dpa 23.12.2019, 10:23
John Walton
John Walton PA Wire

London (dpa) - Deutsche Fangesänge sind bei der Darts-WM aus dem Londoner Alexandra Palace quasi täglich zu hören. Rund jede vierte Karte ging nach Deutschland, über 20.000 Anhänger machen sich die große Show auf den Weg in die britische Hauptstadt.

Die Welt-Elite ist auch bei zahlreichen Turnieren hierzulande zu sehen. Mehr als 200.000 Zuschauer verfolgten das Pfeile-Spektakel bundesweit in diesem Jahr in den Hallen. Doch warum ist Darts so beliebt, ohne echten deutschen Star? 

"Darts wird mehr und mehr salonfähig. Darts ist ein von sich aus sehr einfach zu verstehendes Spiel. Man rechnet die geworfenen Punkte zusammen, zählt von 501 runter, und am Ende muss ein Doppel getroffen werden", sagt Michael Sandner, Präsident des Deutschen Dart-Verbandes (DDV) der Deutschen Presse-Agentur. In anderen Randsportarten wie Football oder Baseball seien die Regeln nicht so einfach zu verstehen für die Zuschauer. "Ein zweiter Grund ist, dass schon jeder mal einen Pfeil auf eine Dartscheibe geworfen hat. So hat jeder einen Anknüpfungspunkt."

Darts-Experte Gordon Shumway hat eine einfache Erklärung, warum Darts erfolgreich ist: "Es ist so beliebt, weil es eine Mischung aus Spitzensport und Ballermann ist." Die Zahl der Fans bei Turnieren in Deutschland hat sich nach Zahlen des Verbandes PDC Europe (Professional Darts Corporation) seit 2012 mehr als verdreifacht - und das, obwohl die ganz großen Erfolge für Max Hopp und Co. weiter ausbleiben.

Trotz des Booms sieht Shumway Anlass für Kritik. "Die Hallen müssen immer größer werden, Darts ist seit drei Jahren eine Gelddruckmaschine." Vielen Zuschauern in Deutschland fehle das Darts-Wissen. Diese Turniere seien eher Event-Gastronomie. "Im Grunde ist es egal, was auf der Bühne passiert." Er sieht die Gefahr, dass sich die Sportart selbst verbrennt. "Man versucht gerade eine Zitrone auszuquetschen, als wäre es eine Melone. Das geht nicht lange gut."

Auf der Bühne gehört weiterhin kein Deutscher zu den Top-Profis. Noch nie zählte ein Deutscher Darts-Profi in der Weltrangliste zu den besten 20 Spielern. Die Sehnsucht unter den Anhängern ist groß nach einem Spieler, der die Sportart noch populärer machen kann, wie einst Boris Becker im Tennis oder Michael Schumacher mit der Formel 1. Die Fans dagegen sind vereinzelt in der Kritik, weil sie bei Partien die Gegner der Deutschen stark ausbuhen, was als unfair gilt. Darüber beklagten sich unter anderem Rob Cross und Raymond van Barneveld.

Für Darts-Kommentator Elmar Paulke ist das deutsche Publikum nicht unsportlicher als andere. "Rob Cross hat sich erst beschwert, als er verloren hat - ich glaube, das war aus der Emotion heraus. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Publikum unfairer ist." Auch in England würden Spieler ausgepfiffen werden. "Die Fans hoffen so auf einen deutschen Erfolg und warten darauf, das ist ein normales Verhältnis. England hatte zig Weltmeister, das hat sich gelegt, so weit ist Deutschland noch nicht."

Um den großen Star zu fördern, gibt es inzwischen auch Darts-Trainer. "Vor vier bis fünf Jahren wurden Trainerausbildungen ins Leben gerufen von Bayern ausgehend. Das wird jetzt hoffentlich in ganz Deutschland weitergehen", sagt Sandner. Auch der Geschäftsführer der PDC Europe, Werner von Moltke, hofft auf einen bleibenden Trend: "Natürlich haben wir ein Interesse, den Sport nachhaltig zu etablieren", sagte der Darts-Manager.

Wer an Darts denkt, denkt noch immer oft an dicke Männer, die viel Bier trinken und im englischen Pub auf die Scheibe werfen. Dieses Bild verändert sich immer mehr. "Wir sind ein Sport, der aus der Kneipe kommt. Wir entwickeln uns zu einer normalen Sportart. Wir sind Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund. Das wird alles mehr und mehr gesehen", erklärt Sandner.

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