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Boll im Dauereinsatz Sieben Wettbewerbe in drei Monaten: Tischtennis-Terminstress

An diesem Mittwoch beginnt in Luxemburg die Team-EM im Tischtennis. Was in anderen Sportarten ein Höhepunkt des Jahres wäre, ist für Timo Boll und Co. aber nur ein Termin von ganz, ganz vielen.

Von Sebastian Stiekel, dpa 12.09.2017, 09:52

Luxemburg (dpa) - Die Mannschafts-EM, die T2-Liga in Asien, dazu Bundesliga, Champions League, World Cup, German Open und zum Abschluss das World-Tour-Finale in Kasachstan - das ist nicht der Rahmenterminkalender des Tischtennis-Weltverbandes, sondern das Programm von Timo Boll bis Mitte Dezember.

Das bedeutet: Sieben Wettbewerbe in nur drei Monaten. "Da muss man auf die Zähne beißen", sagt der frühere Weltranglisten-Erste. "So extrem war es noch nie."

Der Tischtennis-Sport hat das gleiche Problem wie fast alle Sportarten, die nicht Fußball heißen: Die Aufmerksamkeit von Zuschauern und Sponsoren fällt ihm nicht einfach so zu, er muss sie sich hart erkämpfen. Doch ob immer mehr Wettbewerbe auch immer mehr Aufmerksamkeit bedeuten? Die meisten Spieler und Trainer sind eher der gegenteiligen Meinung: Die Tischtennis-Verbände verheizen ihre Stars und entwerten ihre eigenen Turniere. "Viele Wettbewerbe heißt vielleicht auch viel Verwirrung", meint Dimitrij Ovtcharov.

Der Weltranglisten-Vierte spielt mit der deutschen Mannschaft von diesem Mittwoch an bei der Team-EM in Luxemburg. Die große Terminhatz beschreibt er so: "Tennis-Profis spielen auf einer Tour. Fußball-Profis spielen für einen Verein. Wir spielen für einen Verein wie Fußball-Profis und auf einer Tour wie Tennis-Profis", erklärt der 29-Jährige. "Dazu haben wir nicht wie Fußballer nur eine WM oder EM pro Jahr, sondern jedes Jahr zwei. Und zusätzlich spielen wir dann im Sommer, wenn andere frei haben, noch in der chinesischen Liga."

Das sei "einfach Wahnsinn", meint Ovtcharov. Und: "Es ist schwierig, etwas abzusagen." Eine WM oder EM spiele er mit Stolz, sagt er. "Bei den Vereinen verdienen wir unseren Lebensunterhalt, also kann ich mir auch nicht leisten, zu sagen: Ich spiele für keinen Verein. Bei der Super League in China könnte man vielleicht denken: Da mache ich lieber Pause. Aber das ist das Beste, was es in unserem Sport gibt."

Wenn Sportverbände ihre Sportart attraktiv machen wollen, kommt dabei häufig nichts Sinnvolles heraus. Die Leichtathletik hat 2010 eine Diamond League eingeführt, die keiner versteht und kaum jemanden interessiert. Im Basketball arbeiten der europäische Verband und der Weltverband mehr gegen- als miteinander. Beide veranstalten je zwei Europapokal-Wettbewerbe, die sich gegenseitig die Vereine wegnehmen.

Beim Tischtennis sind die verschiedenen Interessen auch nur schwer in Einklang zu bringen. Der Weltverband ITTF möchte seine Stars dazu zwingen, möglichst viele World-Tour-Turniere zu spielen. Wer das nicht tut, droht aus der Weltrangliste zu fliegen. Diese Turniere beißen sich aber häufig mit Terminen der Vereine, bei denen die Spieler deutlich mehr Geld verdienen als auf der Tour. "Man gerät immer in eine Zwickmühle, weil jeder an einem zieht", sagt Boll.

Richard Prause ist Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes. Er fordert: "Wir müssen uns immer fragen: Wo können wir optimieren, wo können wir den Terminplan entzerren?" Die Frage ist bloß: Wie?

Eine Spielergewerkschaft gibt es nicht, der Einfluss nationaler Verbände ist begrenzt. "Die ersten Schritte müssten sein, die internationalen Kalender aufeinander zu legen und die Ligen der starken Ländern ein bisschen besser anzugleichen", meint Prause. "Aber wir sind als DTTB nur in ein paar Gremien vertreten. Wichtig ist deshalb, dass die großen Verbände sich besser abstimmen."

Der einzige, der diese Debatte gelassen verfolgt, ist Timo Boll. Er ist schon 36 Jahre alt und hat in seiner Karriere alles erreicht. "Ich sehe den Terminplan auch als Chance", meint er. "Jeder hat die Möglichkeit, viel zu spielen und damit auch viel Geld zu verdienen. Wir können jederzeit etwas absagen, wenn es uns nicht passt."