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Skandal in Chemnitz Nach umstrittener Trauerbekundung: CFC stellt Strafanzeige

Der Verein und insgesamt vier Mitarbeiter trennen sich. Die Frage aber bleibt: Wie konnte es zu der umstrittenen Trauerbekundung im Stadion des Chemnitzer FC kommen? Der Verband ermittelt, auch die Staatsanwaltschaft. Ein Experte sieht ein gefährliches Machtmonopol.

11.03.2019, 15:23
In den Fokus gerückt: Fußball-Regionalligist Chemnitzer FC. Foto: Thomas Eisenhuth
In den Fokus gerückt: Fußball-Regionalligist Chemnitzer FC. Foto: Thomas Eisenhuth dpa-Zentralbild

Chemnitz (dpa) - Strafanzeige, weitere personelle Konsequenzen und Ermittlungen: Die Aufarbeitung der umstrittenen Trauerfeier um einen toten Rechtsextremen wird den Chemnitzer FC und die Stadt noch länger beschäftigen.

Der Verein trennte sich am Montag von drei weiteren Mitarbeitern und stellte Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Chemnitz. Der Nordostdeutsche Verband leitete Ermittlungen ein, der Deutsche Fußball-Bund distanzierte sich "in aller Deutlichkeit" von den Ereignissen, die Chemnitz seit Samstag erneut in den Brennpunkt weit über den Sport hinaus rücken.

"Vor dem Hintergrund, dass im September 2018 schon viel diskutiert worden ist, welchen Einfluss die gewalttätige rechtsextreme Szene in Chemnitz hat, sind die Ereignisse noch unfassbarer", sagte der Hooligan- und Fan-Forscher Robert Claus der Deutschen Presse-Agentur. Die Szene habe Auftrieb bekommen, zeige ihren Machtanspruch, nachdem unter anderem rechtsextreme Proteste in Chemnitz im vergangenen Sommer für Entsetzen gesorgt hatten. Nach dem Tod eines Mannes am Rande des Stadtfestes hatten Chemnitzer Hooligans dem Verfassungsschutz zufolge für die Proteste mobilisiert.

"Im Gegensatz zu vielen anderen Gruppen in Deutschland gibt es in Chemnitz keine antidiskriminierende Ultra-Gruppe oder Faninitiative. Somit liegt das Machtmonopol in der Fanszene bei den extrem rechten Hooligans", erklärte Claus.

Die Trauerbekundung für Thomas Haller löste vielerorts Unverständnis und Entsetzen aus. Sachsens Innenstaatssekretär Günther Schneider verurteilte die Aktion und sprach bei einer Sicherheitskonferenz mit den Innenministern von Sachsen-Anhalt und Thüringen in Erfurt von einem "unsäglichen Ereignis". Es sei völlig inakzeptabel, dass ein Fußballclub ein solches Gedenken veranstalte.

Der Verein hatte am Sonntag zunächst darauf hingewiesen, dass es sich um keine offizielle Trauerbekundung gehandelt habe. Am Montag distanzierten sich auch "die Chemnitzer FC Fußball GmbH, Ihre Gesellschafter und Sponsoren sowie der Insolvenzverwalter als Vertreter des Chemnitzer FC e.V." in entschiedenster Form von den Ereignissen.

Zudem beendete der Verein die Zusammenarbeit mit seinem bisherigen Stadionsprecher, einem Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung und der Fanbeauftragten, die auch SPD-Stadträtin ist. Sie hatte in einem später gelöschten Post bei Facebook den Tod Hallers betrauert.

Neben einer Art Schweigeminute hatten in schwarz gekleidete Fans in der Südkurve auch noch eine Pyro-Show in Rot und Weiß gezündet, wie TV-Bilder zeigten. Zudem wurde ein Porträt Hallers, der als Mitbegründer einer ehemaligen rechtsextremen Organisation galt, auf der Video-Leinwand gezeigt vor der Partie des Chemnitzer FC gegen die VSG Altglienicke (4:4).

"Die Würdigung eines Nazis im Stadion des Chemnitzer FC widerspricht meinen tiefsten Grundüberzeugungen", sagte Insolvenzverwalter Klaus Siemon der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Er hatte erst nachträglich von den Vorkommnissen erfahren, war selbst nicht im Stadion gewesen.

In einer Pressemitteilung wies er darauf hin, dass der Ablauf zum Heimspiel "so weit von unserem Sicherheitskonzept und den Vorfestlegungen und Absprachen zur Durchführung eines Spiels in der Regionalliga" abgewichen war, "dass es zu klären gilt, wie dies geschehen konnte".

Thomas Uhlig hatte bereits am Sonntag aus den Ereignissen Konsequenzen gezogen. Der Kaufmännische Geschäftsführer war zurückgetreten, "um weiteren Schaden vom Chemnitzer FC fernzuhalten". In seiner Funktion trage er die Verantwortung für die Spieltage des CFC und dessen Begleiterscheinungen, hatte der 46-Jährige erklärt.

Siemon führte am Montag weiter aus, warum der Verein nun auch eine Strafanzeige "gegen Unbekannt wegen aller in Betracht kommenden Delikte" eingereicht hat. "Nach Aussagen der zuständigen Mitarbeiter "drohten massive Ausschreitungen"", sagte der Insolvenzverwalter in der Pressemitteilung. "Dieser Umstand begründet zumindest den Anfangsverdacht für eine schwerwiegende Nötigung, der von den zuständigen Ermittlungsbehörden aufzuklären ist. In der Sache ist damit ein schwerer Landfriedensbruch gemäß Paragraf 125 StGB angedroht worden, was für die Verantwortlichen des CFC nicht hinnehmbar ist."

Dabei soll nun auch geklärt werden, warum vor dem Ligaspiel auf der Südtribüne die Verwendung der sonst üblichen Fahnen von bis zu 99 Fanclubs unterbunden wurde, wie der Verein weiter mitteilte. Diese Fahnen seien zum Teil offenbar abgehängt worden. Es sei auch eine sonst nicht übliche Choreografie durchgeführt worden, an der sich eine Vielzahl von Personen beteiligt habe.

Dem CFC zufolge liegen mittlerweile auch Erkenntnisse vor, "dass einschlägig bekannte Personen aus der rechtsextremen Szene für diesen Tag aus anderen Städten nach Chemnitz und Sachsen gereist sind".

Zudem wurde bekannt, dass es beim Drittliga-Spiel am Samstag des FC Energie Cottbus gegen Preußen Münster auch ein Banner im Innenraum mit der Aufschrift "Ruhe in Frieden Tommy" gegeben hatte, eines wie in Chemnitz auch. Nach Aussage von Energie-Pressesprecher Stefan Scharfenberg-Hecht sei es in Cottbus kurzfristig vor dem Spiel angemeldet und zugelassen worden. "Den Verantwortlichen war zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, um welche Person es sich hierbei handelte", sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Montag.

Mit den dann bekannt gewordenen Informationen hätten die Verantwortlichen der Präsentation des Banners keinesfalls zugestimmt, erklärte der Sprecher.

Mitteilung 1 CFC

Mitteilung NOFV

Mitteilung 2 CFC