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Tokio-Spiele trotz Corona Olympia-Quali der Extreme: Riskant und unkalkulierbar

Die Zeit drängt. Am 23. Juli sollen die Tokio-Spiele eröffnet werden. Reisebeschränkungen und die Infektionsgefahr gefährden die noch ausstehenden Qualifikationen.

Von Andreas Schirmer, dpa 04.02.2021, 12:34
Eugene Hoshiko
Eugene Hoshiko AP

Frankfurt/Main (dpa) - In der Corona-Pandemie wird der Griff nach den Tickets für die Olympischen Spiele zum Kampf der Extreme.

Die Fortsetzung der für Ende April geplanten Qualifikation der Boxer in London ist vorerst wegen der britischen Virusmutation abgesagt worden. Wasserballer ermitteln vom 14. Februar an ihre Starter für die Tokio-Spiele in einer Blase in Rotterdam, die Tischtennis-Elite reist nach Katar, wo es wenige Corona-Fälle gibt. Immerhin sind rund 60 Prozent der Olympia-Start- und Quotenplätze bereits vergeben. Für die 40 Prozent der Athleten ohne Fahrkarte nach Japan wird es ein Hindernisrennen.

"Ich wünsche jedem Athleten, dass er eine faire Chance auf die Qualifikation bekommt", sagte Max Hartung, Vorsitzender der Vereinigung Athleten Deutschland. "Gleichzeitig muss auch klar sein, dass dafür das Thema Sicherheit und Schutz vor Infektionen von Athleten, ihren Angehörigen und Liebsten nicht hinten angestellt werden darf." Im Fechten sollen im März/April Weltcup-Turniere nachgeholt werden. "Wir machen uns Gedanken, wie das alles gehen wird", sagte der Säbel-Europameister. In anderen Sportarten sei es ähnlich schwierig, zumal es Reisebeschränkungen, wie zum Beispiel aus Brasilien, Großbritannien und Südafrika nach Deutschland, gebe.

"Die Austragung vieler Olympia-Qualifikationen erfordert pandemiebedingt große Flexibilität", sagte Dirk Schimmelpfennig, Leistungssportchef des Deutschen Olympischen Sportbundes. Wöchentlich gebe es Veränderungen: "Deshalb gehen wir davon aus, dass der Großteil der Qualifikationen und Nominierungen diesmal erst sehr spät im Juni stattfinden wird."

Bisher sind laut DOSB 226 deutsche Athleten persönlich oder durch Quotenplätze - wie die Fußball-Männer mit 18 oder die beiden Hockey-Teams mit 32 Spielern - für die Tokio-Spiele vom 23. Juli bis 8. August qualifiziert. Aktuell sind die Ausscheidungen erst in sieben Sportarten - im Radsport nur die für Bahn und Straße sowie im Schwimmen allein für die Freiwasserschwimmer - abgeschlossen. In 15 Sportarten oder Teildisziplinen laufen sie, in 18 stehen keine Quotenplätze zu Buche. Zu Ende ist der Traum von Olympia bereits für Baseball/Softball, die Frauen im Basketball, Fußball, Handball und Wasserball sowie für Basketball 3x3 (Männer), Rugby und Volleyball.

Damit ist etwa die Hälfte der Olympia-Starter noch nicht ermittelt. "Wir rechnen wieder mit einer Größenordnung von 400 Athleten", sagte Schimmelpfennig. Für die Sommerspiele 2016 in Rio hatte der DOSB 428 Sportler nominiert. Die deutsche Olympia-Mannschaft für Tokio wird erst am ersten Juli-Wochenende komplett sein, wenn die Basketballer in Split und die Reiter beim CHIO in Aachen ihre Qualifikationen abgeschlossen haben. Meldeschluss beim Internationalen Olympischen Komitee: Montag, 5. Juli um 12.00 Uhr.

Der Deutsche Leichtathletik-Verband wird auch in der Corona-Krise einen Großteil des Tokio-Teams stellen, hat bisher aber nur 37 Teilnehmer fix ermittelt. DLV-Cheftrainerin Annett Stein erwartet aber "unbenommen des durch Corona sehr langen und komplexen Nominierungsprozesses" eine Mannschaft mit 85 bis 95 Athleten. "Wir befinden uns in einer besonderen Situation, und somit gestaltet sich auch der Qualifikationsprozess herausfordernd."

Schließlich sind nicht alle in der guten Lage wie die Speerwerfer um Rio-Sieger Thomas Röhler, von denen fünf die Olympia-Norm haben. Und sie können im Notfall mit wenigen Meetings vor Tokio auskommen, um in den Medaillenkampf einzugreifen. Während Stabhochspringer "bei bis zu 20 Meetings ihre Form entwickeln", reichten im Speerwurf "fünf, sechs oder sieben Wettkämpfe aus", erklärte Bundestrainer Boris Obergföll.

Dies reduziert den Druck, zu vielen Meetings reisen zu müssen, der in anderen Disziplinen und Sportarten da ist - und die Gefahr, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren. Eine Erleichterung wäre, wenn die Topsportler geimpft werden könnten - nach allen Risikogruppen und wenn mehr Impfstoff zur Verfügung steht.

"Ich würde mich sehr freuen, ein Impfangebot zu bekommen, um mit einem besseren Gefühl und weniger Angst zu Qualifikationen zu fahren", sagte Hartung. Je knapper die Zeit der Vorbereitung werde, desto größer sei die Gefahr einer Infektion. "Die könnte auch einen jungen Menschen über Wochen und Monate schwächen. Und damit wäre meine Leistungsfähigkeit im Sommer bei den Olympischen Spielen gefährdet."

Eine Impfung würde die Athleten auch angstfreier in Tokio an den Start gehen lassen, wo die Risiken trotz umfassender Maßnahmen nicht kalkulierbar sind. Laut dem Virologen Hendrik Streeck gebe es keine wissenschaftliche Risikobewertung für eine Austragung von Olympia. Eine Zulassung eines Großereignisses könne es eigentlich nur geben, wenn vorher mögliche Corona-Folgen durch diese Sportveranstaltungen erforscht wären. "Das haben wir aber nicht untersucht. Wir haben es im gesamten vergangenen Jahr verpasst", sagte der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn.

© dpa-infocom, dpa:210204-99-301344/2

IOC-Mitteilung zum Stand der Olympia-Qualifikationen

Zeitplan der Tokio-Spiele

Offizielle Homepage der Tokio-Spiele

Int. Qualifikations-Kriterien des IOC für die Tokio-Spiele

Olympia-Qualifikationskriterien des IOC