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Nazi-Ausfälle in Tschechien Was droht dem Deutschen Fußball-Bund?

Es passte so gar nicht zum bunten Selbstverständnis der Nationalelf: Beim WM-Qualifikationsspiel in Tschechien benahmen sich deutsche Stadionbesucher mit nationalsozialistischen Parolen kräftig daneben.

Von Oliver Beckhoff, dpa 04.09.2017, 16:54

Berlin (dpa) - Nazi-Parolen, Sieg Heil-Rufe, Pöbeleien: Beim WM-Qualifikationsspiel in Tschechien haben vermeintliche Fußball-Fans der deutschen Nationalmannschaft für hässliche Szenen gesorgt.

Bundestrainer Joachim Löw, aber auch Spieler bezogen Stellung. "Diese Chaoten wollen wir nicht, das sind nicht unsere Fans", sagte der Bundestrainer am Tag nach dem Spiel. Wo die Krawallmacher hergekommen waren, ob sie hätten aufgehalten werden können - und ob die beschämenden Szenen für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) ein Nachspiel haben werden, blieb zunächst offen.

Was ist passiert?

Deutsche Stadionbesucher störten eine Schweigeminute für zwei gestorbene tschechische Fußballfunktionäre mit Schmährufen, ebenso die Nationalhymnen. RB Leipzig-Stürmer Timo Werner wurde aus dem Fanblock mit wüsten Beleidigungen bedacht. Trauriger Tiefpunkt der Partie: "Sieg"-Rufe nach dem Siegtreffer zum 2:1 durch Mats Hummels wurden auf der Tribüne mit "Heil"-Rufen beantwortet.

Wie geht der DFB mit der Situation um?

Nachdem Teammanager Oliver Bierhoff Medien mit Blick auf die Hooligan-Debatte zunächst noch aufgefordert hatte, "nicht mehr drüber" zu schreiben, meldeten sich Spieler wie Mats Hummels zu Wort und verurteilten das Verhalten der vermeintlichen Fans. Bundestrainer Joachim Löw, der nach eigener Aussage von den Zwischenfällen zunächst nichts mitbekommen hatte, sagte: "Wir sind nicht deren Nationalmannschaft, das sind nicht unsere Fans." DFB-Präsident Reinhard Grindel sprach sich für stärkere Kontrollen bei der Ticketvergabe in Europa aus.

Ist bekannt, von welchen Gruppen die Aktionen ausgingen?

Nach Informationen der "Bild"-Zeitung sollen große Teile der aufgefallenen Stadionbesucher aus der Dresdner Hooligan-Szene stammen. Demnach soll es sich um Mitglieder der rechtsextremen Gruppen "Faust des Ostens" und "Hooligans Elbflorenz" handeln. Die sächsische Polizei identifizierte bei der Sichtung des Bildmaterials von der Partie bislang mindestens 13 Angehörige der Dresdner Fanszene. Zwei von ihnen hätten zuvor Gefährderanschreiben erhalten, teilte Dresdens Polizeipräsident Horst Kretzschmar am Montag mit.

Was ist das Ziel solcher Gruppen?

"Aufmerksamkeit, Sichtbarkeit - nirgends können sie es besser bekommen als bei so einer Fußballbegegnung", sagt Martin Nolte vom Institut für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule Köln. Durch die Live-Übertragung entsteht ein großes Publikum für die Hetz-Parolen.

Wieso haben Anhänger solcher einschlägig bekannter Gruppen Zugang zum Stadion bekommen?

Die Hooligans haben ihre Tickets nach Angaben von Teammanager Oliver Bierhoff nicht über den offiziellen Verkaufsweg des DFB bekommen. Demnach gingen über den tschechischen Fußballverband etliche Karten frei in den Verkauf - was offenbar auch von in Deutschland beobachteten Fangruppen genutzt wurde.

Was können Verbände tun, um Szenen wie in Prag zu verhindern?

Bei Spielen in Deutschland kann der DFB über den Kartenverkauf schon im Voraus beeinflussen, wer Zutritt ins Stadion bekommt. Bei länderübergreifenden Wettbewerben tauschten die Verbände in der Regel ihr Wissen über mögliche Störer aus, um die Sicherheit im Stadion zu gewährleisten, erklärt Sportrechtsexperte Nolte. "Ob der Austausch auch in diesem Fall stattgefunden hat, ist mir nicht bekannt." Auf Fehlverhalten können Fußballverbände mit Strafen reagieren. Denkbar sind beispielsweise Kollektivstrafen wie die Sperrung eines Fanblocks oder gar "Geisterspiele" vor leeren Rängen. Auf nationaler Ebene will der DFB vorerst auf Kollektivstrafen verzichten.

Kann der DFB wegen der Zwischenfälle in Prag bestraft werden?

Ja, selbst dann, wenn den Verband eigentlich keine Schuld trifft. Diskriminierung - und rassistische Äußerungen erfüllen diesen Tatbestand - ist im FIFA-Reglement verboten. Wenn Anhänger dagegen verstoßen, "wird der betreffende Verband oder Club, ohne dass ihn ein schuldhaftes Verhalten oder ein schuldhaftes Unterlassen trifft, mit einer Geldstrafe von mindestens 30 000 Schweizer Franken belegt", heißt es bei der Fifa. Auch wenn Täter nicht ermittelt werden können, können stattdessen Sanktionen gegen Vereine oder Verbände ausgesprochen werden.

Hooligan-Gruppen wie "Die Faust des Ostens" lehnen den DFB ab. Schützt dies den DFB vor Strafe?

Nein. Im FIFA-Reglement ist von Anhängern die Rede, nicht von Fans. "Der Begriff des Anhängers ist weiter definiert als der des Fans", sagt Nolte. "Auch Nicht-Fans können einer Mannschaft anhängen, ohne dass das der Mannschaft günstig erscheint." Verbände können deshalb für das Verhalten von Gruppen zur Verantwortung gezogen werden, die mit Fans nicht viel zu tun haben.

Grindel-Reaktion

Reaktion von DFB-Vize Koch

Reaktion von Bundestrainer Löw

Infos zum Kartenverkauf für Auswärtsspiele