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Wenn Fiffi zu fett ist Uni-Tierärzte helfen beim Abspecken

Ein Stück Käse hier, ein Leckerli da: Selbst achtsamen Tierhaltern kann es passieren, dass ihre Lieblinge zu dick werden. Zumal viele Futterhersteller zu große Portionen empfehlen. An der Münchner Uni-Tierklinik gibt es deshalb eine Adipositas-Sprechstunde.

Von Elke Richter, dpa 05.10.2020, 09:06

München (dpa) - Geübt lässt Petra Kölle ihre Finger durch das braune, rotgold schimmernde Fell der Hündin gleiten. Was sich für den dreijährigen Rhodesian Ridgeback wie eine Streicheleinheit anfühlt, gibt der Oberärztin an der Kleintierklinik der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) wertvolle Hinweise.

"Die Fettabdeckung sollte so dünn sein, dass man jede Rippe einzeln fühlt", erklärt Kölle. Bei Bini allerdings ist das nicht der Fall, wie Kölles Kollegin Anna-Lena Ziese feststellt: "Wir haben einen gesunden Hund, der ein paar Kilos zu viel hat, und müssen nun einen Weg zum Idealgewicht finden." Das sollte kein Problem mehr sein: Bini besucht gerade die Spezialsprechstunde für adipöse Hunde und Katzen und wird fortan von professionellen Ernährungsberaterinnen betreut.

Klinische Ernährungsberatung bisher einzigartig

"Mit dieser Gewichtssprechstunde sind wir einzigartig in Deutschland", erzählt Kölle. Zwar gebe es auch andere Anbieter, die Tierbesitzer in Gewichtsfragen berieten und Futterportionen berechneten. Doch eine klinische Ernährungsberatung, bei der spezialisierte Tiermediziner Hund oder Katze durchchecken, mit den Besitzern in einem ausführlichen Gespräch Gründe und Gegenmaßnahmen für das Übergewicht aufspüren sowie Kalorienbedarf und -verbrauch computergestützt berechnen, gibt es laut Kölle nur an der LMU.

Bei Bini kam der Speck auf den Rippen mit der Kastration - eine typische Folge des Eingriffs. Denn kastrierte Hunde verbrauchen gut 20 Prozent weniger Energie als unkastrierte. Auch Bewegungsmangel, eine Schilddrüsenüberfunktion, Hormonstörungen oder Medikamente etwa gegen Allergien oder Epilepsie können die Ursache für Übergewicht sein - mit gravierenden Folgen.

"Im Schnitt schenke ich meinem Hund zwei bis zweieinhalb Jahre Lebenszeit und viel Lebensqualität, wenn ich ihn bei Idealgewicht halte", zitiert Kölle aus Studien. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arthrose, orthopädische Probleme, Harnwegserkrankungen sowie Tumore sind bei übergewichtigen Tieren deutlich häufiger, bei Katzen kommt noch Diabetes hinzu. Dabei kann bei ihnen schon eine geringfügige Abnahme genügen, um Insulingaben zu vermeiden.

Tricks bei der Fütterung

Um abzuspecken, bekommen Hunde wie Bini zunächst nur 60 Prozent des eigentlichen Kalorienbedarfes, gerechnet auf ein junges, agiles und unkastriertes Tier. Damit das nicht in bettelnd-schmachtenden Blicken und lautem Gejaule endet, sollen die Portionen in den Futternäpfen dennoch ähnlich groß aussehen. Die Profis von der LMU greifen deshalb gern auf Nassfutter zurück. Zum einen hat Trockenfutter sehr viele Kalorien, zum anderen lassen sich bei Nassfutter leichter sättigende, aber kalorienarme Füllstoffe untermischen. Auch kommen Tricks wie Anti-Schlingnäpfe oder Futterbälle zum Einsatz, bei denen das Tier nicht sofort das komplette Futter wegschleckern kann.

Für Bini steht der Behandlungsplan nun fest. "Wir sind jetzt bei 41,6 Kilogramm und planen über 21 Wochen bei 32 bis 35 Kilogramm rauszukommen", erläutert Ziese. "Also Bini, da kommen harte Zeiten", kommentiert Besitzerin Hildegard Brühschwein die neuen Vorgaben für ihren Schatz. Denn Bini ist eine leidenschaftliche Fresserin: "Wenn man nur den Kühlschrank aufmacht, dann steht sie schon davor. Sie ist einfach immer hungrig", erzählt Walter Brühschwein.

145 Gramm Trocken- und 1,5 Dosen Nassfutter bekommt Bini nun pro Tag - und Leckerli müssen abgezogen werden. Denn gerade die vergessen viele Tierbesitzer gern in der Kalorienbilanz. Dabei schlagen sie richtig zu Buche: "Bei einer Katze ist ein kleines Stück Käse so, als ob wir einen Schoko-Donut essen", betont Kölle. "Normalerweise fressen die eine Maus, die zu 80 Prozent aus Wasser besteht."

Nicht auf Mengenempfehlungen der Hersteller verlassen

Ebenso häufig werden selbst achtsame Halter von den Mengenempfehlungen auf den Futterpackungen in die Irre geführt. Denn die Testhunde der Hersteller sind junge, unkastrierte Tiere, die in einer Gruppe leben, entsprechend viel spielen und aufgrund der Vorgaben zudem täglich viel Auslauf haben müssen - also wesentlich mehr Kalorien verbrennen als der übliche, vielleicht auch schon gesetztere Wohnungshund.

Zumindest in Bewegung haben Binis Besitzer ihren zunehmend faul gewordenen Hund schon wieder bekommen. Mit einem Trick: "Wir haben uns einen Elektroscooter besorgt", erzählt Hildegard Brühschwein. Der schafft knapp 30 Stundenkilometer - und fährt somit in der gleichen Zeit deutlich weiter, als das Rentnerehepaar aus Franken sonst auf seinen Abendrunden geschafft hat.

© dpa-infocom, dpa:201005-99-828162/2

Adipositas-Sprechstunde