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Eingeschleppter Schädling "Killermaschine Kalikokrebs" bedroht Tierwelt an Gewässern

Fressen, fressen, vermehren - darin besteht für den aus Nordamerika eingeschleppten Kalikokrebs der Sinn des Lebens. Was wiederum das Ende des Lebens für viele einheimische Amphibien und Wasserinsekten bedeutet. Doch dem Vielfraß kann Einhalt geboten werden.

17.07.2018, 12:09

Karlsruhe (dpa) - Der nach Deutschland eingeschleppte Kalikokrebs hat sich rasch ausgebreitet. Er wurde vermutlich 1993 in der Nähe von Baden-Baden ausgesetzt und ist nach Expertenangaben inzwischen in den Gewässern entlang des gesamten Oberrheins zu finden.

"Ich wage mal eine grobe Schätzung: In 80 Prozent der Auengewässer findet sich der Kaliko", sagt Andreas Stephan, der gemeinsam mit seinem Kollegen Alexander Herrmann an der Pädagogischen Hochschule (PH) Karlsruhe ein Forschungsprojekt zu dem nordamerikanischen Flusskrebs betreut. Das gefräßige Tier bedrohe Amphibien und Insekten, etwa Libellen, massiv. Es nimmt ihren Lebensraum in Beschlag und hat großen Appetit.

Der Kalikokrebs verbreitet sich explosionsartig, weil er sich in extrem kurzen Zyklen und riesiger Zahl vermehren kann. "Ein Krebs, der Anfang des Jahres aus dem Ei schlüpft, ist schon im August des gleichen Jahres geschlechtsreif und kann Hunderte von Eiern tragen", sagt Stephan. Der Forscher schätzt, dass die Zahl der Kalikokrebse sich inzwischen "im Millionenbereich" befindet.

Ein weiteres Glück für den Krebs, aber Unglück für die Artenvielfalt: Das Tier wandert im gewissen Maße auch über Land - und zwar das ganze Jahr, ergab eine Auswertung von Sichtungen wandernder Krebse, die der Nabu-Experte für Flusskrebse, Adam Schnabler, sowie die Hochschulforscher Stephan und Herrmann kürzlich veröffentlichten. Das heißt, dass die Tiere auch in Gewässer abseits von Bächen und Flüssen gelangen.

Inzwischen ist der Krebs nach Worten Schnablers im Süden bei Offenburg (Baden-Württemberg) angelangt und im Norden bis ins rheinland-pfälzische Worms vorgedrungen. Auch im Elsass sei er längst ansässig. Allerdings dürfte er damit mehr oder weniger sein maximales Verbreitungsgebiet erreicht haben, das ihm von Natur aus möglich sei, schätzt Schnabler. Denn der Krebs habe eine Vorliebe für lehmige Gewässer und Auen. Er möge keine sandigen Böden. Man müsse sich dennoch weiter Sorgen machen, dass der Krebs von Menschen in neue Gebiete eingeschleppt werde, beispielsweise als Fischfutter in Forellenzuchtanlagen. "Dann wird er auch dort heimisch, wo er von sich aus nicht hinwandern würde."

Auch wenn man den Kalikokrebs (Orconectes immunis) flächendeckend nie mehr los wird, so gibt es doch Möglichkeiten, den Bestand zu dezimieren und einheimische Amphibien und Insekten wieder anzusiedeln: "Man muss Kleingewässer sanieren und neue Gewässer so anlegen, dass der Krebs da möglichst nicht hineinkommt", sagt Schnabler.

Baumstammbarrieren helfen dabei, das Tier vom Wandern abzuhalten und Kiesufer hindern es daran, sich zu vergraben. "In Einzelfällen mag auch das Ablassen und temporäre Trockenlegen von Gewässern in Erwägung zu ziehen sein", sagt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württembergs.

Passiert nichts, "so gehen wir davon aus, dass der Krebs in 10 bis 15 Jahren dafür gesorgt hat, dass Amphibienbestände massiv eingebrochen sind und keine Chance mehr auf Erholung haben", sagt Stephan. Nabu-Experte Schnabler hält den Kalikokrebs für die schlimmste invasive Tierart im Südwesten. "Er ist eine richtige Killermaschine."

Infos der PH Karlsruhe zum Kalikokrebs

Studie zum Kalikokrebs von Jürgen Ott

Studie zur Sichtung von Kalikokrebsen