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Leben im Corona-Lockdown Der Druck, immerzu aufräumen zu müssen

Dreckiges Frühstücksgeschirr in der Spüle stehen lassen? Im Homeoffice nicht möglich. Bei manchen stellt sich derzeit das Gefühl ein, immerzu aufräumen zu müssen. Wie kann ich mich entspannen?

Von Interview: Christina Bachmann, dpa 25.01.2021, 12:06
Christin Klose
Christin Klose dpa-tmn

Mainz (dpa/tmn) - Wer das Homeoffice in der eigenen Küche hat, hat immerzu das dreckige Geschirr vom Frühstück vor Augen. Sind auch noch die Kinder im Homeschooling, trifft man beim Gang durch die Wohnung auf noch viel größeres Chaos.

Mancher verzweifelt daran neuerdings - zum Stress mit allen neuen Lockdown-Aufgaben kommt noch ein ungewohntes Unruhe-Gefühl hinzu, immer etwas zum Aufräumen zu finden. Und das auch erledigen zu wollen. Ordnungsexpertin Sabine Haag verrät ihre Lösung im Interview mit dem dpa-Themendienst: Wer sich aufgeräumte Zonen frei hält, kann mit etwas Unordnung drumherum klarkommen.

Frage: Wie geht man in der Lockdown-Zeit mit der Unordnung zu Hause um?

Sabine Haag: Das kommt auf den Einzelnen an. Manche haben ein schlechtes Gewissen, denen sitzt die dreckige Kaffeetasse im Nacken, anderen ist sie die perfekte Ausrede, die Tasse zu spülen und wegzuräumen, statt im Homeoffice zu arbeiten.

Man muss sich einmal Gedanken machen, was man eigentlich für einen Anspruch hat und sein persönliches Ordnungslevel herausfinden. Ist es mir sehr wichtig, dass es superordentlich ist, wenn ich arbeite und möglicherweise Kinder im Homeschooling sind, oder ist es mir relativ egal? Wenn es mir nicht so wichtig ist, dann muss ich es aushalten, dass die dreckige Tasse da einfach erstmal stehen bleibt.

Frage: Was aber, wenn in einer Familie alle unterschiedliche Ordnungslevel haben?

Haag: In Familien prallen meist unterschiedliche Bedürfnisse aufeinander. Der eine ist ordentlich, dem anderen ist es egal. Außerdem hat man vielleicht Kinder, denen ist es völlig wurscht.

Dann kann man Kompromisse finden: Dass zum Beispiel das Schlafzimmer vom Chaos unberührt bleibt, dafür darf das Wohnzimmer wild aussehen. Wenn man das besprochen hat und sieht, dass jeder andere Bedürfnisse hat, nimmt das viel Stress aus der Situation und macht lockerer.

Frage: Wie sieht denn ein gesunder Mittelweg aus zwischen Ordnungsfimmel und Alles-egal-Chaos?

Haag: Der Mittelweg ist, einen gemeinsamen Nenner zu finden und zu sehen, wie man alle Bedürfnisse unter einen Hut kriegt. Es ist natürlich schwierig, wenn man wie jetzt die ganze Zeit aufeinandersitzt.

Ich bekomme aktuell von vielen Müttern mit Kleinkindern verzweifelt geschildert, wie sie immer wieder alles aufräumen und das Chaos innerhalb von Minuten wieder da ist. Mein Rat ist, sich Inseln zu schaffen.

Mir ist zum Beispiel wichtig, dass in unserem Schlafzimmer nicht die Unordnung einzieht, weil das ein Rückzugsort ist, wo man alles hinter sich lassen kann. Wenn man diese Inseln hat, ist es auch nicht mehr so schlimm, wenn am Esstisch alle Homeschooling machen und die dreckigen Teetassen noch dazwischen stehen.

Das kann man lockerer sehen, wenn man mit diesen Inseln auch eine optische Ruhe geschaffen hat. Das ist für unsere Wahrnehmung ganz wichtig: Das Auge findet Punkte, die ordentlich sind, und wir haben nicht mehr das Gefühl, komplett im Chaos zu versinken.

Frage: Manch einer nutzt diese Zeit ja auch, um mal so richtig aufräumen. Was raten Sie da?

Haag: Das kommt darauf an, wie viel Zeit man hat. Wer beruflich vielleicht extrem ausgebremst ist, hat die Chance, ein großes Projekt anzugehen. Das, was man immer vor sich hergeschoben hat, wie etwa den Keller aufzuräumen. Ansonsten kann man sich kleine Projekte vornehmen, wie den Kleiderschrank auf Vordermann zu bringen.

Das macht man am besten in kleinen Schritten, Tag für Tag. Denn sonst besteht die Gefahr, dass die Ordnung zum Selbstzweck wird. Dann vergisst man die Dinge, die auch noch getan werden müssen. Da habe ich schon von vielen gehört, dass sie sich in ein Ordnungssystem gestürzt haben und daraus dann nicht mehr rauskamen.

Darüber hinaus sollte man versuchen, für manche Dinge, die man selbst entrümpelt, vielleicht eine zweite Heimat zu finden, anstatt sie wegzuwerfen. Ich weiß von städtischen Entsorgungsbetrieben, die nicht so erfreut über das große Ausmisten in der Corona-Zeit sind.

© dpa-infocom, dpa:210122-99-130104/2

Fotografie Schepp
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Sabine Haag
Mascha Brichta
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Christin Klose
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