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Gender Pay Gap Frauen verdienen weiterhin deutlich weniger als Männer

In Deutschland verdienen Frauen immer noch viel weniger Geld als Männer. Das ändert sich nur sehr langsam, weil die Ursachen tief in der Gesellschaft verwurzelt sind.

15.03.2020, 23:01

Wiesbaden (dpa) - Die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland werden nur langsam kleiner. Im vergangenen Jahr lag der durchschnittliche Bruttostundenlohn der Frauen mit 17,72 Euro noch um 20 Prozent niedriger als der von Männern mit 22,61 Euro, wie das Statistische Bundesamt berichtete.

Vor einem Jahr hatte der Unterschied 21 Prozent betragen und 2014 waren es 22 Prozent. Europaweit liegt Deutschland damit auf dem vorletzten Platz. Nur in Estland fiel im Jahr 2018 der Lohnunterschied noch größer aus.

Die Lohnlücke fiel im Osten mit 7 Prozent erneut deutlich geringer aus als im Westen mit 21 Prozent. Hier wirkt sich immer noch aus, dass Frauen in der früheren DDR besseren Zugang auch zu besser bezahlten technischen Berufen hatten und häufiger auf vollen Stellen arbeiteten.

Strukturelle Gründe für Gender Pay Gap

Drei Viertel der Gehaltslücke - die auch als Gender Pay Gap bezeichnet wird - lassen sich auf strukturelle Gründe zurückführen, wie das Bundesamt ausführte. So werden in frauentypischen Berufen historisch gewachsen durchweg geringere Gehälter gezahlt, Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und seltener in qualifizierten Führungspositionen. Hier könnten auch Erwerbspausen etwa zur Kindererziehung eine Rolle spielen, was aber statistisch nicht erfasst worden ist.

Den Berechnungen zufolge bleibt eine bereinigte Gehaltslücke von zuletzt 6 Prozent - also das, was Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit weniger verdienen als Männer. Auch diese Zahl ist tendenziell leicht rückläufig, wird aber nur alle vier Jahre genauer erhoben, zuletzt im Jahr 2014. Neuere Ergebnisse sollen erst Mitte dieses Jahres vorliegen. Das Bundesamt vermutet, dass sich ein Teil dieser verbleibenden Lücke durch die Karrierebrüche von Frauen erklären lässt, die ihre Erwerbsarbeit beispielsweise zur Kindererziehung unterbrochen oder reduziert haben.

Frauen leisten häufiger Care-Arbeit

Dies wird auch gestützt durch eine Studie der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung. Frauen übernähmen nach wie vor deutlich mehr unbezahlte Care-Arbeit als Männer - etwa Kinderbetreuung oder Aufgaben im Haushalt. "Frauen weichen deshalb im Job oft auf Teilzeit aus, was langfristig mit deutlichen Einbußen bei den Stundenlöhnen verbunden ist", erläutert die Forscherin und Mitautorin Karin Schulze Buschoff. Die Studie hat auch einzelne Berufe mit besonders hohen Einkommensunterschieden identifiziert. Bei gleicher Leistung und Qualifikation verdienen Frauen in Verkauf, Vertrieb und bei Banken weiterhin deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen.

Anlass der Veröffentlichung ist der so genannte Equal Pay Day, der in diesem Jahr auf den 17. März fällt. Der Termin gibt symbolisch an, bis zu welchem Tag im Jahr Frauen praktisch unbezahlt gearbeitet haben, obwohl sie die gleiche Arbeit wie Männer leisten, die bereits seit dem 1. Januar bezahlt werden. Unterschiede nach Qualifikation, Branchen oder Teilzeitquote werden hier nicht gemacht.

Einbußen durch Erziehungszeiten

Vor allem Kinder führen zu einer Minderung des Lebenseinkommens - und zwar deutlich bei Müttern, aber "so gut wie gar nicht" bei Vätern, wie es in der Studie hieß. Denn hauptsächlich Mütter nehmen Auszeiten vom Arbeitsmarkt. Zudem sei Teilzeit für Frauen im Haupterwerbsalter zwischen 30 und 50 die "dominante Erwerbsform". Mütter, die heute Mitte 30 sind, könnten mit einem Erwerbseinkommen von 580.000 Euro (West) und 570.000 Euro (Ost) im Laufe ihres Lebens rechnen. Es gebe keinen nennenswerten Unterschied zwischen Müttern jüngerer und älterer Jahrgänge. Bei kinderlosen Frauen näherten sich die Einkommen denen der Männer aber an.

Der häufig genannte Unterschied beim Bruttostundenlohn (Gender Pay Gap) - er lag für Frauen 2019 im Schnitt um 20 Prozent niedriger als für Männer - greife zu kurz, urteilte die Stiftung laut Mitteilung. Denn damit würden nur diejenigen berücksichtigt, die zu dem Zeitpunkt aktiv im Arbeitsmarkt waren. Wie groß die Kluft im gesamten Erwerbsleben wirklich sei, werde verschleiert.

DIW-Studie zum Lebenserwerbseinkommen

Über das gesamte Erwerbsleben hinweg verdienen Frauen in Deutschland nur etwa halb so viel wie Männer. Im Westen liege das erwartete Lebenserwerbseinkommen im Schnitt bei rund 830.000 Euro für Frauen, Männer kommen auf durchschnittlich etwa 1,5 Millionen Euro. In Ostdeutschland sei von rund 660.000 für Frauen und knapp 1,1 Millionen Euro für Männer auszugehen. Das geht aus einer von der Bertelsmann Stiftung geförderten Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Freien Uni Berlin hervor, die zum Internationalen "Tag für gleiche Bezahlung" veröffentlicht wurde.

Für die Studie war das Lebenserwerbseinkommen für das 20. bis 60. Lebensjahr berechnet worden, vor Steuern und Abgaben und ohne Transfers wie Eltern- oder Kindergeld. Basis sind die Daten von knapp 18.200 Personen aus einer repräsentativen Wiederholungsbefragung.

Mitteilung Destatis

Europa-Vergleich Eurostat 2018