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Exportschlager Warum deutschsprachige Serien im Ausland angesagt sind

Dass deutschsprachige Serien im Ausland beliebt sein können, hat der bellende "Kommissar Rex" schon vor vielen Jahren bewiesen. Zurzeit häufen sich aber die Auslandserfolge - das hat mehrere Gründe.

Von Anna Ringle, dpa 29.09.2020, 10:59
Frederic Batier
Frederic Batier X Filme/Sky

Berlin (dpa) - Ein bisschen ist das wie beim Fußball. Die großen, internationalen Spiele sind Vereinen wichtig. Sie sind Garant für Aufmerksamkeit mit Millionen Zuschauern und sie prägen das Image.

Übertragen auf die hiesige TV-Welt: Das ganz große Ding ist für die ARD gerade "Babylon Berlin". Mehr als 100 Länder sicherten sich die Rechte an der 1920er-Jahre-Krimiserie. Jüngst gab es immer wieder große Auslandserfolge für deutschsprachige Serien. Woran liegt das?

Die Münchner Firma Beta Film vertreibt seit Jahrzehnten Film- und Serienrechte ins Ausland. "Es gab schon in den 90er Jahren klassische Serien wie 'Kommissar Rex' oder auch 'Derrick', die Exportschlager waren. 'Kommissar Rex' haben wir zum Beispiel in 150 Länder verkauft, die Serie wurde sogar chinesisch synchronisiert", sagt Geschäftsleiter Dirk Schürhoff auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. "Neu ist, dass seit einigen Jahren aus Deutschland heraus hochwertige Serien entstehen, die qualitativ so gut sind, dass sie im internationalen Wettbewerb auch gegen englischsprachiges Programm bestehen."

Ein Beispiel sei der Mehrteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" (ZDF, 2013). "Die Produktion lief auf BBC 2 im Hauptabendprogramm, auf Deutsch mit englischen Untertiteln, was es in Großbritannien seit Jahrzehnten nicht mehr gab", ergänzt Schürhoff. Heute werden hochwertige Serien wie "Babylon Berlin" demnach weltweit verkauft, sie laufen auf öffentlich-rechtlichen Sendern, Streaming-Plattformen und können auch in den USA punkten.

Es lohnt sich, noch einen Moment bei "Babylon Berlin" zu bleiben. Um einen Eindruck davon zu bekommen, was sich in der hiesigen TV-Welt mit der internationalen Streaming-Konkurrenz gerade tut: An der Produktion und an der Finanzierung des Serienprojekts mit mehreren Staffeln waren neben der öffentlich-rechtlichen Seite mit ARD und ihrer Spielfilmtochter Degeto der Pay-TV-Anbieter Sky, Beta Film und die Produktionsfirma X Filme Creative Pool beteiligt. Sky bezeichnete diese Kombination als "echtes Novum". Was bringt so eine Gemeinschaftsfinanzierung? Schürhoff von Beta Film sagt: "Dadurch konnten wir ein sehr hohes Budget erzielen, das sich ja nicht zuletzt in den hochwertigen Schauplätzen widerspiegelt."

Die ARD zeigt mit der Serie auch, wie wichtig der Streaming-Bereich mit Mediathek geworden ist - also abseits des fortlaufenden TV-Programms. Der Programmdirektor im Ersten, Volker Herres, betont: "'Babylon Berlin' hat schon mit der TV-Ausstrahlung ein überdurchschnittlich junges Publikum erreicht. Wir wissen, dass die User der Mediathek im Schnitt deutlich jünger sind als das Fernsehpublikum." Die dritte Staffel wird in der Mediathek im Oktober sofort komplett zu sehen sein. Der Channel Manager ARD Mediathek Florian Hager sagt: "'Babylon Berlin' hat als internationale Marke eine große Strahlkraft, die den Usern signalisiert: In der ARD Mediathek bekomme ich was geboten."

Auf die ungewöhnliche Kooperation bei Finanzierung und Produktion der Serie könnten weitere folgen. "Es ist an der Zeit, dass wir nun auch auf europäischer Ebene neue Kooperationen angehen, um unserem Publikum weiterhin einzigartige Serien-Highlights im Ersten zu bieten", sagt die Chefin der ARD-Spielfilmtochtergesellschaft Degeto, Christine Strobl. "Meine feste Überzeugung ist, dass der internationale Serienmarkt auch die Standards für den deutschen Markt setzt."

Der Geschäftsführer der Allianz Deutscher Produzenten, Christoph Palmer, schätzt wiederum: "Ich glaube, dass solche Kooperationen zwischen komplementären, nicht jedoch zwischen echt konkurrierenden Anbietern am Markt immer mal wieder vorkommen werden, tendenziell aber eher eine Ausnahme bleiben."

Zur Nachfrage nach High-End-Serien sagt Palmer, der Streaming-Boom der vergangenen Jahre habe einen bedeutenden Einfluss auf den deutschen Produktionsmarkt. Zugleich gibt er zu bedenken: "Die Nachfrage nach High-End-Serien und -Filmen führte auch zu einem Anstieg der Herstellungskosten. Die Budgets für solche Produktionen sind in der Regel jedoch kaum gestiegen. Dies brachte einen enormen Kostendruck mit sich, der den Markt weiterhin prägt."

Die Liste der Erfolge für hiesige Serien ist lang. Sky Deutschland zählt auf: "Nicht nur 'Babylon Berlin' und 'Das Boot' wurden in Hunderte Länder weltweit verkauft. Auch 'Der Pass', das eine rein deutsch-österreichische Produktion ist, wurde innerhalb Europas, in die USA, nach Osteuropa, Kanada, Australien sowie Asien und Ozeanien in 29 Länder verkauft." Die Mediengruppe RTL steigerte nach eigenen Angaben den Verkauf von eigenproduzierten Serien auf dem internationalen Markt. Das sicherlich erfolgreichste Beispiel: "Alarm für Cobra 11".

Henrik Pabst, Chief Content Officer von ProSiebenSat.1, spricht ebenfalls von gestiegenen Einnahmen aus internationalen Programmverkäufen. "In der Regel handelt es sich bei der Vielzahl der Verkäufen um Formatideen, die dann in den jeweiligen Ländern lokal adaptiert werden." Das zum Medienkonzern gehörende Programmvertriebshaus Red Arrow Studios International verkaufe deutsche Programmideen weltweit. So gab es die Sat.1-Krimi-Serie "Der letzte Bulle", die international als "The Last Cop" vertrieben wird, bereits als Adaption zum Beispiel in Mexiko, Japan, Russland und Estland.

Internationale Streaming-Anbieter sind längst auf den Zug aufgesprungen, Netflix etwa mit "Dark", "How to Sell Drugs Online (Fast)" und "Unorthodox", das jüngst mit einem Emmy ausgezeichnet wurde. Ein Sprecher der US-Streaming-Plattform sagt: "Deutschland ist sehr wichtig für uns, weshalb wir weiter in hiesige Produktionen investieren und bereits viele Inhalte für dieses und das nächste Jahr planen." Demnächst will Netflix weltweit die Serie "Barbaren" zeigen. Der Anbieter hat nach eigenen Angaben mehr als 193 Millionen zahlende Mitglieder in mehr als 190 Ländern. "Einige Titel haben mehr Zuschauer aus dem Ausland als aus Deutschland selbst."

© dpa-infocom, dpa:200929-99-752173/3