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Niederlagen vor Gericht Hambacher Forst: Polizei räumt weiter

Im Hambacher Forst macht die Polizei mit der Räumung der Baumhäuser weiter. Der Protest dagegen erreichte am Freitag Berlin. Dort entzweit das umstrittene Vorgehen gegen die Waldbesetzer zudem die Kohlekommission.

Von Christoph Driessen, dpa 14.09.2018, 15:04

Kerpen (dpa) - Im Hambacher Forst hat die Polizei am Freitag mit der Räumung einer der größten Baumhaussiedlungen begonnen. Die Bewohner des Dorfes "Oaktown" mit etwa acht Baumhäusern kündigten gewaltlosen Widerstand etwa durch Festketten an.

Sie warfen der Polizei vor, mindestens 20 Bäume, darunter auch einige sehr alte, gefällt zu haben, um Platz für die Räumfahrzeuge zu schaffen. Die Polizei gab einzelne Fällungen zu. Sie beschuldigte die Baumhausbewohner, sie mit Exkrementen und einem brennenden Holzscheit beworfen zu haben. Verletzt wurde niemand. Mindestens zehn Aktivisten wurden in Gewahrsam genommen.

Die Baumhausbewohner warnten die Polizei, dass sich unter "Oaktown" Tunnel mit Menschen darin befänden - deshalb müsse man vorsichtig sein. Eine Polizeisprecherin sagte, man habe keine Hinweise auf Tunnel, aber die Räumfahrzeuge müssten sowieso nicht so nah an die Bäume heranfahren.

Der Energiekonzern RWE will im Herbst weite Teile des Waldes abholzen, um weiter Braunkohle baggern zu können. Die Baumhäuser der Besetzer gelten als Symbol des Widerstands gegen die Kohle und die damit verbundene Klimabelastung. In ihm stehen Jahrhunderte alte Buchen und Eichen. Zudem gibt es Vorkommen geschützter Arten wie der Bechsteinfledermaus.

Am Wochenende wollen Aktivisten weiter protestieren, so ist für Sonntag das Anpflanzen Hunderter junger Bäume geplant. Auch Linke-Fraktionschefin Sarah Wagenknecht unterstützt die Aktionen. "Ich rufe alle, die das jetzt sehen, auf, sich auf den Weg zu machen um den Hambacher Forst für uns alle zu bewahren", sagte sie in Berlin. Die Menschen müssten das Schicksal des Waldes selbst in die Hand nehmen. Gleichzeitig kritisierte sie Horst Seehofer (CSU): "Aber wo ist denn unser Heimatminister, wenn ein 12.000 Jahre alter Wald fallen soll? Was sind das für Konservative, denen die Rodung des letzten Altwaldes auf deutschem Boden gleichgültig ist?"

Der Protest erreichte am Freitag auch die Hauptstadt. Etwa 20 Kohlegegner blockierten vorübergehend die NRW-Landesvertretung in Berlin. Nach einem Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs trugen Polizisten sie aus dem Gebäude.

Das Oberverwaltungsgericht in Münster lehnte einen Stopp der Räumungen ab. Die Baumhäuser seien Rückzugsorte für gewaltbereite Waldbesetzer, hieß es. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnete die Waldbesetzer als "kriminelles Personal auch vom Ausland". RWE-Vorstandsmitglied Lars Kulik sagte im WDR, die Abholzung sei unvermeidbar, um die Stromproduktion in NRW zu sichern.

Als Begründung für die Räumung führen die Behörden nicht den geplanten Braunkohleabbau an, sondern fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern. Umweltaktivisten halten das für vorgeschoben. Auch der SPD-Fraktionsvize im NRW-Landtag, Jochen Ott, bemängelte, die Auseinandersetzung über das Baurecht zu führen, sei "politisch mangelhaft".

Der Streit um den Hambacher Forst entzweit die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission. "Der Tagebau Hambach ist genehmigt und bisher in allen Instanzen bei gerichtlichen Überprüfungen bestätigt worden", sagte Kommissionsmitglied Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem "Handelsblatt".

Dagegen sagte Kommissionsmitglied Martin Kaiser, der zugleich Geschäftsführer von Greenpeace ist, die "unverantwortliche Räumung unter vorgeschobenen Gründen" belaste "die bislang vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit in der Kohlekommission massiv". Die Kommission soll bis Ende des Jahres eine Strategie zum Ausstieg aus der Kohleverstromung ausarbeiten.

Blog "Hambi bleibt!"

Initiative Buirer für Buir

Aktion Unterholz

RWE zum Hambacher Forst

dpa-Twitterliste zum Hambacher Forst

Mitteilung Polizei

"Der Wald geht. Der Wald bleibt": Räumung im Hambacher Forst

Polizisten unter Baumhäusern: Die Polizei setzt die Räumung der Baumhäuser von Umweltschützern und Braunkohlegegnern im Hambacher Forst fort. Foto: Marius Becker
Polizisten unter Baumhäusern: Die Polizei setzt die Räumung der Baumhäuser von Umweltschützern und Braunkohlegegnern im Hambacher Forst fort. Foto: Marius Becker
dpa
Polizisten versuchen, mit einem Hubwagen an einen Umweltaktivisten im Baum zu kommen. Foto: Oliver Berg
Polizisten versuchen, mit einem Hubwagen an einen Umweltaktivisten im Baum zu kommen. Foto: Oliver Berg
dpa
Per Megafon wurden die Aktivisten aufgefordert, die Baumhäuser zu verlassen. Foto: Oliver Berg
Per Megafon wurden die Aktivisten aufgefordert, die Baumhäuser zu verlassen. Foto: Oliver Berg
dpa
Räumpanzer und Wasserwerfer stehen bereit. Foto: Oliver Berg
Räumpanzer und Wasserwerfer stehen bereit. Foto: Oliver Berg
dpa
In der Nähe des Waldgebietes formierte die Polizei massive Einsatzkräfte. Foto: Oliver Berg
In der Nähe des Waldgebietes formierte die Polizei massive Einsatzkräfte. Foto: Oliver Berg
dpa
Seit 2012 ist der Hambacher Forst von Aktivisten besetzt. Foto: Christophe Gateau/Archiv
Seit 2012 ist der Hambacher Forst von Aktivisten besetzt. Foto: Christophe Gateau/Archiv
dpa
Ein Umweltaktivist sitzt auf einem Hochsitz. Foto: Christoph Reichwein
Ein Umweltaktivist sitzt auf einem Hochsitz. Foto: Christoph Reichwein
dpa
Polizisten tragen eine Umweltaktivistin weg. Foto: Christoph Reichwein
Polizisten tragen eine Umweltaktivistin weg. Foto: Christoph Reichwein
Christoph Reichwein
Grüne und Linke verurteilten die Räumung als Machtdemonstration und Provokation. Foto: Christoph Reichwein
Grüne und Linke verurteilten die Räumung als Machtdemonstration und Provokation. Foto: Christoph Reichwein
dpa