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Polizei-Vorwürfe gegen Asef N. Abschiebung aus dem Klassenraum - drohte Afghane mit Gewalt?

Die Tumulte bei der geplanten Abschiebung eines jungen afghanischen Flüchtlings schlagen hohe Wellen. Die Nürnberger Polizei gerät in Erklärungsnot - und macht zugleich klar: Der Fall ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.

Von Roland Beck und Klaus Tscharnke, dpa 01.06.2017, 17:35
Keine Abschiebehaft: Der 20-jährige Afghane Asef N. (r.) steht mit drei Unterstützern auf dem Hinterhof des Amtsgerichts in Nürnberg. Foto: Roland Beck
Keine Abschiebehaft: Der 20-jährige Afghane Asef N. (r.) steht mit drei Unterstützern auf dem Hinterhof des Amtsgerichts in Nürnberg. Foto: Roland Beck dpa

Nürnberg (dpa) - Gut zwei Dutzend Berufsschüler haben sich am Donnerstag vor dem Nürnberger Amtsgericht versammelt. Gleich daneben befindet sich die Justizvollzugsanstalt mit hohen Betonmauern und Stacheldraht

Ob einer ihrer Klassenkameraden, ein junger Afghane, dorthin in Abschiebehaft kommt, darüber entscheidet in diesen Minuten eine Ermittlungsrichterin hinter verschlossenen Türen. Als ihr Freund Asef N. kurz darauf herauskommt, ist ihm die Erleichterung anzumerken - er ist auf freiem Fuß.

Das Gericht habe keine Gründe für eine Abschiebehaft gesehen, die von der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) der Regierung von Mittelfranken beantragt worden sei, sagt Asefs Anwalt Michael Brenner. Die Mitschüler umarmen den 20-jährigen Schulfreund, für den sie sich am Mittwoch stundenlang mit der Polizei angelegt hatten.

Kurz nach Schulbeginn waren am Mittwoch Polizeibeamte in die Nürnberger Berufsschule gekommen, um Asef N. abzuholen. Der Schuleiter bat ihn, aus dem Klassenzimmer zu kommen; in einem Nebenraum hätten ihn zwei Streifenbeamte bereits erwartet, berichtete der Nürnberger Polizeidirektor Hermann Guth am Donnerstag. Er sollte noch am Abend mit dem Flugzeug in seine Heimat abgeschoben werden.

Mitschüler von Asef N. setzten sich vor den Streifenwagen, hinderten die Beamten an der Abfahrt. Auf Facebook und Twitter verbreitete sich schnell die Nachricht von der geplanten Abschiebung. Wenig später standen zeitweise bis zu 300 Demonstranten einer Schar Polizisten gegenüber - darunter nach Polizeiangaben rund 50 Anhänger der militanten autonomen Szene. Es kam zu tumultartigen Szenen. Die Polizei spricht später von "einem aus dem Ruder gelaufenen Einsatz".

Die Polizei setzte Pfefferspray, Hunde und Schlagstöcke ein. Neun Beamte wurden verletzt, fünf Menschen festgenommen. Das harte Eingreifen der Polizei sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Nach Einschätzung von Jörg Weißgerber, Projekt-Koordinator beim Berliner Peco-Institut, der während des Vorfalls an der Schule war, trifft die Polizei eine Mitschuld. Es sei von den Beamten nicht versucht worden, die Situation zu entschärfen.

Bei dem Gerangel fielen auch jene Worte, die für den Afghanen nun noch weitere Folgen haben könnten. Als Polizisten ihn von einem von Demonstranten umstellten Streifenwagen in ein anderes Polizeifahrzeug bringen wollten, habe Asef N. wütend gerufen: "Ich bin in einem Monat wieder da. Und dann bringe ich Deutsche um", berichtet Guth. Für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ist die Sache klar: Wer sich so äußere, habe jegliche Aussicht auf Duldung selbst verspielt, sagt der CSU-Politiker.

Das sehen seine Unterstützer anders: Der junge Flüchtling, der Anfang 2012 nach Deutschland kam, sei gut integriert gewesen, berichtet Dagmar Gerhard von der Nürnberger Flüchtlingsinitiative "Mimikri". "Er ist ein netter Typ, kein Macker, total sympathisch", beschreibt ihn ein Mitschüler.

Thomas Bauer, Chef der Zentralen Ausländerbehörde in Ansbach, sieht das freilich anders. In der Frage des afghanischen Passes, die der Schlüssel für seine Abschiebung nach Afghanistan ist, habe er jahrelang die Ausländerbehörden an der Nase herumgeführt. Seine Abschiebung verzögere er dadurch seit Jahren.

Die Flüchtlingshilfsorganisation "Mimikri" weist den Täuschungsvorwurf zurück. Man habe Asef N. dabei geholfen, die für eine Aufenthaltsgenehmigung notwendigen Ausweisdokumente zu beschaffen. Das könnte letztlich nach Meinung des Vereins sogar der Grund für die Abschiebung gewesen sein. Denn: Nur Flüchtlinge, deren Identität geklärt ist, können abgeschoben werden.