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Fragen und Antworten Die Reformagenda von Martin Schulz

Martin Schulz will die Agenda 2010 ein bisschen zurückdrehen. Arbeitsministerin Andrea Nahles will Vorschläge am Montag präsentieren. Doch der Streit darüber hat bereits längst begonnen.

Von Basil Wegener, dpa 06.03.2017, 07:26

Berlin (dpa) - Im Vergleich zur umfangreichen Sozialreform Agenda 2010 des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder mutet die Reformagenda des Kandidaten Martin Schulz bisher bescheiden an. Bei den Wählern konnte Schröder 2005 nach sieben Jahren Kanzlerschaft mit der Agenda nicht mehr punkten.

Spannend ist nun, ob SPD-Hoffnungsträger Schulz dies - in völlig anderer Ausgangslage - mit dem Versprechen von Verbesserungen schafft. Ein Überblick:

Wie hat Schulz den Ruf nach Verbesserungen begründet?

Mit einem Beispiel. Wenn jemand mit 50 Jahren nach 15 Monaten Arbeitslosengeld I (ALG I) Hartz IV erhalte, dann gehe das an die Existenz. "Fehler zu machen, ist nicht ehrenrührig", sagte er Mitte Februar der "Bild"-Zeitung. "Wichtig ist: Wenn Fehler erkannt werden, müssen sie korrigiert werden."

Wie ist es zur Konkretisierung nach Schulz` Ankündigung gekommen?

Eine SPD-Arbeitsgruppe unter Leitung von Arbeitsministerin Andrea Nahles erstellte ein Konzept - Kernpunkt: längeres Arbeitslosengeld I. Dazu: Recht auf Weiterbildung für Arbeitslose, mehr Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) als neue Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung, kürzere Beschäftigungsdauer als Voraussetzung für den ALG-I-Bezug und - als einzige direkte Verbesserung für Hartz-IV-Bezieher - die Verdoppelung des Schonvermögens von 150 Euro auf 300 Euro pro Lebensjahr.

Wem kommt die Verlängerung des Arbeitslosengeldes zugute?

Jedem, der eine Qualifizierungsmaßnahme macht. Nach drei Monaten ohne neue Beschäftigung soll die BA ein entsprechendes Angebot unterbreiten. Während der Umschulung, Weiterqualifizierung oder dem Nachholen eines Berufsabschlusses soll statt ALG I ein neues Arbeitslosengeld Q (wie Qualifizierung) in gleicher Höhe fließen. Findet der Betroffene keinen neuen Job, setzt sich der ALG-I-Bezug fort.

Wie lange soll das Arbeitslosengeld bezahlt werden?

Heute sind es in der Regel 12, für Ältere bis zu 24 Monate. Künftig soll es um die Dauer der Qualifizierungsmaßnahme verlängert werden, also beispielsweise um 6 Monate. Im äußersten Fall soll man auf 48 Monate, also 4 Jahre, ALG I plus ALG Q kommen.

Wer würde davon am meisten profitieren?

Menschen jenseits geringer Einkommen. Denn Geringverdiener stellen sich manchmal mit Hartz IV nicht schlechter als mit ALG I, das 60 Prozent des Nettolohns beträgt. Der durchschnittliche ALG-I-Betrag lag im November 2016 bei 992 Euro. Ein alleinstehender Hartz-IV-Bezieher bringt es derzeit im Monat auf 409 Euro. Samt der vom Jobcenter übernommenen Wohnkosten ist häufig der Abstand zum ALG I nicht mehr allzu groß. Mit Frau und einem Kind, kommt man - ohne Wohnkosten - sogar auf mehr als 1000 Euro.

Wie kommen die Pläne von Nahles und Schulz an?

Bei den Gewerkschaften gut. Auch die Opposition begrüßt die Ankündigungen, hält sie aber für völlig unzureichend, da am Hartz-IV-System nicht gerüttelt werde. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer wirft der SPD vor, vor allem ältere männliche Facharbeiter im Blick zu haben. Die Union schießt scharf gegen Schulz - ein Linksruck, verbunden mit Schlechtreden des Landes, helfe nicht weiter. Statt das ALG I länger auszuzahlen, müsse an der Agenda 2010 festgehalten und das Wachstum befördert werden. Die Arbeitgeber warnen vor Frühverrentungen, wenn Ältere motiviert würden, bis zu vier Jahre vorher aus dem Job auszusteigen.

IAB-Studie zu den Effekten veränderten Rahmenbedingungen für den Arbeitslosengeld-I-Bezug

Rechtslage für Arbeitslose

Destatis zu befristeter Beschäftigung

IAB zu ALG-I-Bezug von Älteren