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Hintergrund Extremismus und herabwürdigende Rituale in der Bundeswehr

02.05.2017, 12:28

Berlin (dpa) - Die Bundeswehr hat bereits vor dem Fall des als Flüchtling getarnten, mutmaßlich rechtsextremen Offiziers mit Skandalen und rechtsextremen Tendenzen in ihren Reihen zu kämpfen gehabt. Einige Beispiele:

März 2017: Aus dem Umfeld des Bundestags-Verteidigungsausschusses wird bekannt, dass es bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall (Bayern) zu Sex-Mobbing, Volksverhetzung und Verstößen gegen das Tierschutzgesetz gekommen sein soll. Mäuse seien mit Luftgewehren getötet worden. Zudem ermittelt die Bundeswehr gegen 14 Soldaten wegen sexueller Belästigung und Nötigung eines Kameraden.

Januar 2017: Soldaten der Kaserne in Pfullendorf (Baden-Württemberg) berichten von demütigenden Aufnahmeritualen. Zudem sollen Ausbilder untergebene Soldatinnen zum Tanz an der Stange gezwungen und sie im Intimbereich abgetastet haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung.

Januar 2017: Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) spricht in seinem Bericht von rund 60 meldepflichtigen Ereignissen im Jahr 2016 "mit Verdacht auf Extremismus oder Verstoß gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Es wurden etwa antisemitische oder ausländerfeindliche Bilder, Texte und Musik geteilt, der Hitlergruß gezeigt oder "Sieg Heil" gerufen.

November 2012: Der Bundestags-Untersuchungsausschuss zu den Morden der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) bringt ans Licht, dass die Bundeswehr jahrelang Rechtsextreme in ihren Reihen geduldet hat. Bis zum Ende der 1990er Jahre seien Wehrpflichtige mit rechter Gesinnung in der Regel nicht entlassen worden.

November 2010: Eine 25-jährige Kadettin geht auf dem Segelschulschiff "Gorch Fock" nachts über Bord und ertrinkt. Ihr Tod löst eine Affäre aus, in der auch Schikanen und sexuelle Belästigung an Bord des Dreimasters angeprangert werden. Die Staatsanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen gegen Schiffsführung und Besatzungsmitglieder Mitte 2011 ein. Der Absturz sei ein Unglück gewesen. Bereits zuvor hatte es auf der "Gorch Fock" Unfälle mit Todesopfern gegeben.

Februar 2010: In der Gebirgsjäger-Kaserne im oberbayerischen Mittenwald werden entwürdigende Aufnahme-Rituale bekannt. Neulinge müssen rohe Schweineleber essen und Alkohol bis zum Erbrechen trinken. In der Folge gehen beim Wehrbeauftragten Schreiben von Soldaten über ähnliche Praktiken in weiteren Kasernen ein.

Jahresbericht 2016 des Wehrbeauftragten, Rechtsextremismus ab S. 54

Jahresbericht 2011 des Wehrbeauftragten, "Gorch Fock" ab S. 12

Jahresbericht 2010 des Wehrbeauftragten, Fall Mittenwald S. 8

Sitzungsprotokoll des NSU-Untersuchungsausschusses vom 8.11.2012, zu Rechtsextremen S. 26