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Ende eines bizarren Prozesses Horrorhaus-Urteil: Kein Lebenslang für das ungleiche Paar

Gemeinsam quälten und misshandelten sie ihre Opfer. Zwei Frauen starben. Im Prozess um das "Horrorhaus von Höxter" sind die Angeklagten schuldig gesprochen worden. Doch die Strafen fielen unterschiedlich hoch aus.

Von Florentine Dame und Carsten Linnhoff, dpa 05.10.2018, 16:25

Paderborn (dpa) - Nachdem klar ist, dass das Gericht sie für dreizehn Jahre - nicht wie befürchtet lebenslang - ins Gefängnis schickt, fällt die Angeklagte ihrem Anwalt um den Hals.

Kaum merklich in sich hinein lächelnd hatte Angelika W. an diesem letzten Tag im Mordprozess um das sogenannte Horrorhaus von Höxter zuvor der Urteilsbegründung des Richters verfolgt.

Während des Vortrags vor dem Landgericht Paderborn verbirgt ihr Mitangeklagter, Wilfried W., sein Gesicht mit einer Hand vor den Blicken der Zuschauer. Er wendet sich immer wieder fragend an seine Anwälte. "Er hat nichts verstanden", sagt sein Anwalt im Anschluss. Er ist wegen Mordes durch Unterlassen und versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt worden.

Gemeinsam haben die beiden jahrelang Frauen gequält. Per Kontaktanzeigen hatte das später aus finanziellen Gründen geschiedene Paar, das sich als Geschwister ausgab, die Frauen in die ostwestfälische Ortschaft Höxter-Bosseborn gelockt - in ein heruntergekommenes Bauernhaus mit Schweinestall und Misthaufen. Dort unterwarfen sie Frauen, manipulierten sie, schlugen, schubsten und fesselten sie tagelang, wenn sie nicht dem strengen Regelwerk Wilfrieds folgten.

Im Urteilsspruch am Freitag geht es nach 60 Prozesstagen vor allem um die schlimmsten und folgenreichsten Gewalttaten, die die beiden zwischen 2011 und April 2016 verübt haben sollen: Zwei Frauen aus Niedersachsen überlebten das Martyrium nicht. Völlig ausgezehrt und geschwächt von monatelangen Misshandlungen und Quälereien stürzten sie und zogen sich so schwere Kopfverletzungen zu.

Bis zuletzt hatten die Anwälte der beiden Angeklagten vor Gericht darum gerungen, wer von beiden Tätern bei den Gewalttätigkeiten Triebfeder war. Als die beiden vor knapp zwei Jahren das erste Mal in den Gerichtssaal geführt wurden, ging so mancher Beobachter davon aus, dass die kleine, gedrungene Frau auf der Anklagebank, selbst ein Opfer ihres bereits vor zwanzig Jahren einschlägig vorbestraften, großgewachsenen Ex-Mannes sein müsse.

Zu Beginn ihrer sich über Tage erstreckenden Aussage, stützte sie dieses Bild: Sie sei von ihm mit heißem Wasser verbrüht, geschlagen, gewürgt worden. Doch dieselbe Kälte, mit der sie die ihr zugefügten Grausamkeiten schilderte, legte sie auch an den Tag als sie beschrieb, was den anderen Frauen geschah. Wie sie etwa die beiden späteren Todesopfer Anika W. und Susanne F. nächtelang ankettete, in der Badewanne oder auf dem kalten Boden des Schweinestalls. Wie sie später die Leiche von Anika W. zersägte und stückchenweise im Ofen verbrannte. Die Leiche der Frau wurde nie gefunden.

So hat sich im Prozessverlauf das Bild nach und nach gedreht. Das Gericht lernte ein ungleiches Paar kennen - eines, das sich auf fatale Art und Weise ergänzte. Sie abgebrüht, er schwachsinnig. Sie hochintelligent und herrschsüchtig, er auf der Suche nach Liebe, aber ohne Gut und Böse unterscheiden zu können, wie die Gutachterin Nahlah Saimeh schilderte. Die Psychiaterin bescheinigte ihm die moralische Urteilsfähigkeit eines Grundschulkindes und eine schwere Persönlichkeitsstörung. Er sei vermindert schuldfähig.

Dem folgt auch das Gericht. Es ordnet seine Unterbringung in der Psychiatrie an. Außerdem fällt die Strafe von Wilfried W. etwas niedriger aus als ihre. Auch Angelika W. habe das ihr drohende Strafmaß gemildert, weil sie umfassend und bis ins brutalste Detail genau geschildert habe, was in all den Jahren unter dem Dach des Hauses passiert sei, so der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus. Nur so sei überhaupt aufgeklärt worden, wie Anika W. zu Tode kam.

Das Gericht ist sich sicher: Die fortdauernde Misshandlung hat bei Anika W., wie bei der etwas mehr als einhalb Jahre später gestorbenen Susanne F. zum Tod geführt. Obwohl beide nun Verurteilten das hätten erkennen müssen, hätten sie keinen Arzt hinzugezogen, erläutert Emminghaus.

Terminvorschau des Gerichts