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Porträt Jamal Khashoggi - der Mann, den Riad fürchtete

Als sachlicher Kritiker verschaffte sich der getötete Journalist Jamal Khashoggi Respekt und Ansehen wie kaum jemand in Saudi-Arabien. Über einen vielschichtigen Mann, der Elite, Islamisten und Demokratie nahe stand.

Von Benno Schwinghammer, dpa 20.10.2018, 14:34
Jamal Khashoggi lebte zuletzt im Exil in den USA und schrieb auch für die «Washington Post». Foto: Hasan Jamali/AP
Jamal Khashoggi lebte zuletzt im Exil in den USA und schrieb auch für die «Washington Post». Foto: Hasan Jamali/AP AP

Riad (dpa) - Im vergangenen Jahr verließ Jamal Khashoggi ein Land, dessen Wandel ihn immer mehr einengte. Der Journalist durfte nicht mehr schreiben und um ihn herum wurden immer mehr Freunde und Bekannte festgenommen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur im Juni.

Unter der Führung von Kronprinz Mohammed bin Salman sah der kritische Kommentator keine Zukunft für sich, nur noch wachsende Gefahr.

Er sei zwar ein Unterstützer des Reformkurses, aber "jetzt im Exil, weil ich nicht im Gefängnis landen will", sagte er damals. Er floh in die USA, wo er fortan lebte. An die Möglichkeit, im Ausland umgebracht werden zu können, dachte Khashoggi offenbar nicht, als er das saudische Konsulat Anfang Oktober in Istanbul betrat. In der Nacht zum Samstag wurde das Gewissheit, was viele schon seit Tagen ahnten: der 60-Jährige wurde in der Auslandsvertretung getötet.

Khashoggi stammte aus einer namhaften saudischen Familie in Medina. Sein Großvater war Arzt und behandelte den König, sein Onkel Adnan war ein bekannter Waffenhändler. In seinen frühen Jahren ging er zum Studieren in die Vereinigten Staaten, schätzt aber nicht nur demokratische Werte, sondern auch islamistische. So soll er den Muslimbrüdern zumindest nahe gestanden und bis in die Gegenwart persönliche Kontakte mit Mitgliedern gepflegt haben.

Als Reporter erlangte Khashoggi erstmals Aufmerksamkeit als früher Wegbegleiter Osama bin Ladens, als dieser Truppen im Widerstandskampf gegen die sowjetischen Besatzer in Afghanistan führte. Er selbst gilt als konservativ und teilweise auch kritisch gegenüber dem Westen, lehnte dagegen aber die Radikalisierung Bin Ladens ab und sagte sich von dem Terrorfürsten los.

In Saudi-Arabien machte er journalistische Karriere bei mehreren Zeitungen und als Korrespondent in verschiedenen Ländern. Seine schon familiär bedingt starke soziale Stellung baute er mit guten Kontakten zu mächtigen Mitgliedern der weit verzweigten Königsfamilie aus. Zwischenzeitlich arbeitete Khashoggi sogar als Berater und inoffizieller Sprecher des Königshauses.

Seine kritische Art brachte ihm dabei als Journalist immer wieder Probleme mit der autokratischen Staatsmacht: Kolumnen wurden eingestellt, 2003 und 2010 wurde er als Chefredakteur der Zeitung "Al-Watan" gefeuert. Doch bedrohlich wurde Saudi-Arabien für den groß gewachsenen Mann erst während des Aufstiegs von Mohammed bin Salman zum Thronfolger und mächtigsten Mann im Staat ab 2015.

Kronprinz Mohammed zerschlug die auf Ausgleich bedachten Strukturen in den höchsten saudischen Machtzirkeln und riss mehr und mehr Macht an sich. Widerspruch duldet er nicht, was Jamal Khashoggi dazu bewog, ins Exil zu gehen. Vor allem als Kolumnist der "Washington Post" kritisierte er den politischen Kurs Riads danach deutlich.

Dem Herrscher Saudi-Arabiens war der Dissident mit Kolumne in Washington und 1,7 Millionen Abonnenten auf Twitter zunehmend ein Dorn im Auge. Khashoggi selbst konnte diese Unsicherheit des jungen Thronfolgers nie verstehen: "Mohammed bin Salman hat keinen Grund, besorgt zu sein. Es gibt keine Opposition im Land", sagte er im Juni.

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