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Attentat auf Republikaner Schüsse auf US-Politiker: Knapp an der Katastrophe vorbei

Zum ersten Mal seit Jahren wird in den USA auf Politiker geschossen. Dass vergleichsweise glimpflich abgeht, was eine Katastrophe hätte werden können, ist wohl reiner Zufall.

Von Martin Bialecki und Maren Hennemuth, dpa 13.06.2017, 23:01

Alexandria (dpa) - Ein heißer Morgen in Virginia. Wolkenlos, still und friedlich. Bis kurz nach 07.00 Uhr. Zuerst zerreißt ein einzelner Schuss die Idylle, ganze Salven folgen. Zum ersten Mal seit Jahren wird in den USA auf Politiker geschossen.

Die Polizei mauert nach Kräften, aber nach allem, was man weiß, hatte es ein Mann mit Gewehr und Pistole auf Republikaner abgesehen. Auf dem Eugene Simpson Sportplatz in Alexandria, die Hauptstadt ist nur ein paar Meilen entfernt, soll er eigens gefragt haben, wer denn da trainiere: Demokraten oder Republikaner? Dann schoss er.

Senatoren und Abgeordneten der regierenden Republikaner waren beim Baseballtraining für ein traditionelles Benefizspiel gegen die Demokraten. Ihre Schilderungen legen nahe: Die USA sind an diesem sonnigen Mittwoch nur sehr knapp einer Katastrophe entgangen. Vier Menschen werden verletzt. Der Täter erliegt später seinen Verletzungen.

In Baseballkleidung, -mützen und in Shirts stehen hochrangige Republikaner verschwitzt und erschüttert in der Sonne von Del Ray. Der Sportpark ist weiträumig abgesperrt, gelb flattert das Band. Die Gegend ist beschaulich, akkurat getrimmte Rasenflächen, Schaukelstühle auf Terrassen. "Home of the Titans" steht auf der Anzeigentafel des Spielfelds.

Medien berichten unter Berufung auf die Polizei, wer als Täter identifiziert wurde: Dies war kein Terroranschlag eines Islamisten, sondern die Tat eines US-amerikanerischen Mannes. Er soll aus Belleville kommen, Bundesstaat Illinois, 66 Jahre alt. James T. Hodgkinson soll sich in zahlreichen Leserbriefen über die Wirtschaftspolitik der Republikaner beklagt und angeblich friedlich für den Demokraten Bernie Sanders engagiert haben.

Es war wohl nur ein Zufall, dass das Feuer auf den Schützen sofort und massiv erwidert werden konnte, war doch die Nummer drei im Gefüge der republikanischen Partei auf dem Sportplatz. Steve Scalise hatte nicht nur seine Leibwächter bei sich, sondern auch die Capitol Police.

Senator Rand Paul sagt: Wäre die Polizei nicht da gewesen, wäre dieser Sportplatz ein Schlachtfeld geworden. "Ein Massaker", sagt Paul. Das FBI wird das später nüchtern bestätigen, Polizei und Personenschützer hätten "einen großen Unterschied" gemacht.

Scalise (51), ein glühender Baseballfan, wird in die linke Hüfte getroffen, schleppt sich an den Spielfeldrand. Sein Kollege Brad Wenstrup ist sofort bei ihm. Er ist nicht nur Abgeordneter aus Ohio, sondern auch Arzt - und Irak-Veteran. Lakonisch sagt er zu CNN: "Das war wie im Irak. Nur ohne meine Waffe." Scalise wird operiert, er schwebt weiter in Lebensgefahr.

An seinem 71. Geburtstag steht Präsident Donald Trump im Weißen Haus, als er Scalise versichert, die ganze Nation bete für ihn. "Wir sind am stärksten, wenn wir vereint sind, wenn wir gemeinsam für das öffentliche Wohl arbeiten." Das Land ist seit dem Wahlkampf 2016 tief zerrissen, das Klima ist aufs Äußerste angespannt. In seiner ersten Reaktion gibt Trump sich als Präsident aller Amerikaner.

Das Baseballspiel des Kongresses, Demokraten gegen Republikaner, es war für Donnerstag angesetzt. Es gilt seit langer Zeit als ein fröhliches, seltenes Unterhaken aller Seiten in einem politisch tief gespaltenen Land.

Am Rande des Sportparks in Virginia hat der Abgeordnete Joe Barton aus Texas seinen Sohn im Arm, als er die Polizisten und Scalises Leibwächter als Helden bezeichnet. Unter einem Auto habe sich sein Junge versteckt, als die Schüsse fielen. Dutzende seien es gewesen, vielleicht sogar mehr als hundert.

Alex Heimberg und Ryan Walsh sind da gerade im YMCA-Fitnessstudio auf der Anlage. "Ein Mann kam die Treppe runter und rief: Auf dem Parkplatz ist ein Schütze, versteckt euch", sagt Walsh der dpa. "Dann hörten wir dieses Pop, Pop, Pop", sagt Walsh. Die beiden verstecken sich im Umkleideraum, bis es sicher ist. Als sie nach draußen kommen, sehen sie zersplittertes Glas und viele Einschusslöcher. Ihren Eltern erzählen sie erst hinterher davon.

Noch in Trikot und Mütze sagt der republikanische Abgeordnete Chuck Fleischmann CNN: "Ich bin traurig. Traurig, weil meine Kollegen angeschossen wurden." Er habe sich immer sicher gefühlt auf dem Platz. Er wisse nicht, ob das in Zukunft noch so sein werde. "Es hätte auch mich treffen können."