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Fall Skripal Warten auf die Antwort Russlands

Im Fall des vergifteten Ex-Agenten Skripal stehen die Zeichen auf Konfrontation. Nach der Ausweisung russischen Diplomaten durch westliche Staaten wird nun auf die russische Antwort gewartet.

Von Claudia Thaler und Ansgar Haase, dpa 27.03.2018, 18:24

Moskau/Brüssel (dpa) - Für rund 140 russische Diplomaten in aller Welt heißt es in diesen Tagen Koffer packen.

Mehr als 20 Länder haben nach dem Giftanschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal Ausweisungen verfügt - obwohl die Untersuchungen noch laufen. Geht der Konflikt nun in die nächste Phase?

Was bedeutet die Ausweisung von Diplomaten politisch?

In der Rangfolge der möglichen Eskalationsstufen in einem Konflikt steht die Ausweisung von Diplomaten ganz weit oben. Als erstes Zeichen des Protests wird in der Regel der Botschafter des betroffenen Landes ins Außenministerium einbestellt, um ihm die Kritik offiziell zu übermitteln. Die nächste Eskalationsstufe ist das Zurückbeordern des eigenen Botschafters für Konsultationen. Erst dann folgen die Ausweisung von Diplomaten und/oder der dauerhafte Rückzug des eigenen Botschafters.

Gibt es noch weitere Formen des politischen Protests?

Im letzten Schritt können die diplomatischen Beziehungen teilweise oder ganz eingestellt werden - was in der Regel mit dem Schließen von Botschaften, Kulturinstituten und Konsulaten einhergeht.

Geht es bei der diplomatischen Eskalation um mehr als Symbolik?

Meist schon. Für ausländische Unternehmen könnten sie zum Beispiel ein Signal sein, vor Investitionen in Russland erst einmal Abstand zu nehmen. Unabhängig von den diplomatischen Maßnahmen könnten nämlich auch Wirtschaftssanktionen verhängt werden.

Wie wird Russland nun reagieren?

Auch amerikanische und EU-Diplomaten werden Russland wohl verlassen müssen. Das hat Moskau bereits angekündigt. "Die Antwort wird angemessen sein", sagte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, der Deutschen Presse-Agentur. Grundsätzlich ist nicht ausgeschlossen, dass Moskau auch gemeinsame Kulturprogramme streicht oder Konsulate schließt. Die russische Botschaft in Washington hatte eine Umfrage auf Twitter gestartet, welches US-Konsulat verzichtbar sei: die Vertretung in St. Petersburg, Jekaterinburg oder doch Wladiwostok?

Wie lange wird Moskau mit einer Antwort warten?

"Die russische Seite ist gut vorbereitet. Die Antwort wird sehr schnell kommen", sagt der Politologe Wladislaw Below. Die endgültige Entscheidung wird Präsident Wladimir Putin treffen. Er verhängte aber wegen einer Brandkatastrophe in Sibirien mit mehr als 60 Toten für diesen Mittwoch landesweite Trauer. Es ist also unwahrscheinlich, dass die Reaktion prompt kommt. Denn Moskau war schon nach der Ankündigung am Tag der Katastrophe erbost. Der Westen sei emotional taub und rücksichtslos, hieß es.

Wurde Russland nur mitgeteilt, wie viele Diplomaten abreisen müssen, oder werden die Auszureisenden namentlich aufgeführt?

Einige Länder haben Russland nach dpa-Informationen genau mitgeteilt, welche Diplomaten des Landes verwiesen werden. 23 Vertreter und deren Familien, die in London stationiert waren, sind schon in der vergangenen Woche wieder in Moskau angekommen. Die anderen EU-Staaten weisen bislang allerdings vergleichsweise zurückhaltend aus. Abgesehen von Großbritannien schickt kein EU-Land mehr als vier russische Diplomaten zurück. Wen Deutschland ausweist, ist nicht bekannt.

Nicht alle EU-Staaten beteiligen sich. Warum?

Knapp zehn EU-Staaten haben sich bis zuletzt geweigert, sich den Strafmaßnahmen gegen Russland anzuschließen. Dazu gehören Österreich, Luxemburg, Griechenland, Bulgarien, Slowenien, Zypern, Malta, Portugal und die Slowakei. Gründe sind auch die unklare Beweislage im Fall Skripal, die teilweise engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Moskau und diplomatische Erwägungen. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz twitterte am Dienstag, man wolle "Brückenbauer zwischen Ost und West sein und Gesprächskanäle nach Russland offenhalten". Länder wie Griechenland haben deutlich gemacht, erst den Abschluss der Ermittlungen abwarten zu wollen.

Warum verhängen dann die anderen Staaten bereits vor dem Abschluss der Ermittlungen Sanktionen?

Sie verweisen auf Erkenntnisse der Briten. Es gebe "keine andere plausible Erklärung". Was das für Erkenntnisse sind, ist allerdings öffentlich bis heute unbekannt, da die EU-Staaten lediglich hinter verschlossenen Türen über den Ermittlungsstand unterrichtet werden. Nach dpa-Informationen wurden bislang vor allem Indizien präsentiert.

An der Ausweisung der Diplomaten gibt es deswegen auch Kritik. "Generell sollten Sanktionen faktenbasiert sein und nicht auf Vermutungen aufbauen", kritisierte der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen in der "Augsburger Allgemeinen". Die Argumentation im Fall Skripal erinnere ihn "ein bisschen an eine Urteilsverkündung nach dem Motto "Die Tat war dem Beschuldigten nicht nachzuweisen, aber es war ihm zuzutrauen"."

Die EU ist also gespalten. Wer ist dann der vorläufige Sieger des Konflikts? Russland oder der Westen?

Beide, sagt Politologe Below. "Dass sich so viele EU-Länder angeschlossen haben, ist ein starkes Zeichen. Diese Solidarität überrascht ein wenig", meint der Experte von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Gleichzeitig gebe es noch immer Fürsprecher, das könnte Russland für sich nutzen. Fest stehe aber: Die diplomatischen Mittel hätten bislang versagt. "Das ist schädlich für beiden Seiten."

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