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Streit über Rüstungsvertrag INF-Ausstieg: Moskau warnt USA vor Sicherheitsrisiko

Machen die USA ernst und steigen aus einem wichtigen Rüstungsabkommen aus? Sollte es soweit kommen, will der Kreml entsprechend reagieren. Beide Seite reden miteinander, immerhin. Doch mit welchem Ergebnis?

20.10.2018, 23:01
In Anwesenheit von Journalisten und sowjetischen Technikern werden im August 1988 im US-Depot in Hausen in Frankfurt am Main die ersten neun Startlafetten von insgesamt 114 in Deutschland stationierten Pershing-Raketen demontiert. Foto: Wolfgang Eilmes
In Anwesenheit von Journalisten und sowjetischen Technikern werden im August 1988 im US-Depot in Hausen in Frankfurt am Main die ersten neun Startlafetten von insgesamt 114 in Deutschland stationierten Pershing-Raketen demontiert. Foto: Wolfgang Eilmes dpa

Brüssel/Moskau (dpa) - Russland warnt angesichts des angekündigten Ausstiegs der USA aus einem wichtigen Abrüstungsabkommen vor globalen Sicherheitsrisiken.

Der amerikanische Präsident Donald Trump mache die Welt mit der geplanten Kündigung des INF-Vertrags deutlich gefährlicher, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Der Vertraute von Präsident Wladimir Putin betonte, Russland halte sich seinerseits genau an die Vereinbarungen. Doch müsse sein Land im Fall eines einseitigen Rückzugs der USA "nach einer Wiederherstellung des Gleichgewichts in diesem Bereich suchen".

Das Abkommen aus dem Jahr 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion untersagt den Bau und Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Raketen oder Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, den Vertrag gebrochen zu haben.

Trumps Sicherheitsberater John Bolton führte am Montag Gespräche in der russischen Hauptstadt. Nach einem Treffen mit seinem russischen Kollegen Nikolai Patruschew äußerte Russland die Bereitschaft, die gegenseitigen Vorwürfe auszuräumen. Patruschew bekräftigte laut einer Mitteilung des Sicherheitsrates, es sei wichtig, an dem Vertrag festzuhalten. Die von den USA geplante Aufkündigung sei "ein schwerer Schlag für das internationale Rechtssystem der Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle".

Bei dem Gespräch sei es auch darum gegangen, den 2021 auslaufenden sogenannten New-Start-Vertrag um fünf Jahre zu verlängern. Bolton sagte dazu dem Radiosender Echo Moskwy: "Wir sind bereit zu verhandeln. Jetzt ist Zeit für diesen Prozess. Nun verstehen wir auch die russische Position besser." Jetzt gehe es darum, sie zu präzisieren und Details zu klären. Besprochen worden sei auch die Möglichkeit eines Gipfeltreffens zwischen beiden Ländern. Die Entscheidung liege bei Putin, sagte Bolton der Zeitung "Kommersant".

Kremlsprecher Peskow warnte, dass die USA nach einem Ausstieg aus dem INF-Vertrag genau die Waffensysteme entwickeln wollten, die durch das Abkommen verboten werden. Schon jetzt verletzten die USA das Abkommen selbst seit Jahren systematisch, zum Beispiel mit der Entwicklung raketenbestückter Drohnen. Im Falle eines Ausstiegs aus dem Vertrag müsse Russland Maßnahmen ergreifen, um seine eigene Sicherheit zu garantieren, betonte er.

Außenminister Sergej Lawrow betonte, Moskau sei noch immer zu einem Dialog mit Washington bereit. Der Chefdiplomat traf sich am Abend gut anderthalb Stunden mit Bolton. Moskau fordert von den Amerikanern ausführliche Erklärungen. Laut russischem Außenministerium ging es bei den Gesprächen auch um die Situation in Syrien, Afghanistan, in der Ukraine und auf der koreanischen Halbinsel.

Die USA wollen die Nato-Partner im Laufe der Woche offiziell über ihre Pläne informieren. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen soll die Unterrichtung im Rahmen einer Sitzung des Nordatlantikrats erfolgen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte dabei eine Mitsprache aller Nato-Staaten. "Für uns Europäer ist der INF-Vertrag ein Kernelement unserer Sicherheit. Und deshalb muss es jetzt auch darum gehen, Wege aufzuzeigen, wie diese Sicherheit erhalten werden kann", sagte die Ministerin. Bei einem Besuch in Peking nannte sie die Entwicklung zugleich "besorgniserregend", auch wenn sie sich schon abgezeichnet habe.

Litauens Außenminister Linas Linkevicius hält die Ankündigung von Trump für ein Druckmittel. "Ich sehe dies als ein Mittel, um Druck auf Russland auszuüben, den Vertrag zu respektieren, da es seit vier Jahren Fakten gibt, dass Russland selbst dieses Abkommen nicht einhält", sagte Linkevicius in Vilnius der Agentur BNS.

Die EU-Kommission verlangte, die USA und Russland müssten weiterhin einen konstruktiven Dialog führen, "um das Abkommen beizubehalten und seine vollständige und nachweisliche Umsetzung sicherzustellen". Es habe zum Ende des Kalten Kriegs und des nuklearen Wettlaufs beigetragen, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel.

Unterdessen äußerte China Kritik am Vorgehen der USA. Die Sprecherin des Außenministeriums, Hua Chunyin, wies auch die amerikanische Darstellung zurück, dass Chinas Aufrüstung etwas damit zu tun habe. "Es ist völlig falsch, China in den Rückzug aus dem Vertrag zu involvieren." Der Vertrag zwischen den USA und Russland sei ein wichtiges Abrüstungsabkommen und habe eine große Rolle gespielt, das strategische Gleichgewicht zu wahren.

Eine einseitige Abkehr der USA werde "viele negative Auswirkungen" haben, sagte die Sprecherin. Die USA sollten vorsichtig mit diesem Vertrag umgehen. Trump hatte am Wochenende gesagt, seine Regierung werde die derzeit verbotenen Waffen bauen, sollten Russland und auch China nicht einem neuen Abkommen dazu zustimmen. Die USA stören sich daran, dass das Abkommen sie hindert, dem Aufrüsten Chinas etwas entgegenzusetzen, weil es nicht Vertragspartner ist.

Die Grünen forderten als Konsequenz den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. "Die Bundesregierung, wenn sie jetzt hier ihre Appelle an die US-Regierung ernst meint, muss jetzt sagen: Wir beenden die deutsche nukleare Teilhabe", sagte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock im ZDF-"Morgenmagazin". Es sei "absolut fatal", dass Trump aus dem sogenannten INF-Vertrag aussteigen wolle.

Der ewige Streit um den INF-Vertrag

Zurück in die Zukunft bei der atomaren Rüstung

Ein Händedruck geht immer: Nikolai Patruschew (r.), Sekretär des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, empfängt den US-Sicherheitsberater John Bolton. Foto: Russian Security Council/epa Tass
Ein Händedruck geht immer: Nikolai Patruschew (r.), Sekretär des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, empfängt den US-Sicherheitsberater John Bolton. Foto: Russian Security Council/epa Tass
epa Tass
US-Präsident Ronald Reagan (r) und der sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow unterzeichnen am 08.12.87 in Washington den INF-Vertrag. Foto: Photoreporters
US-Präsident Ronald Reagan (r) und der sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow unterzeichnen am 08.12.87 in Washington den INF-Vertrag. Foto: Photoreporters
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Präsidenten unter sich: Donald Trump und Wladimir Putin nach ihrem Treffen im Juli in Helsinki. Foto: Jussi Nukari/Lehtikuva
Präsidenten unter sich: Donald Trump und Wladimir Putin nach ihrem Treffen im Juli in Helsinki. Foto: Jussi Nukari/Lehtikuva
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US-Sicherheitsberater John Bolton: Das INF-Abkommen ist eine Vereinbarung zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion aus dem Jahr 1987. Foto: Evan Vucci/AP
US-Sicherheitsberater John Bolton: Das INF-Abkommen ist eine Vereinbarung zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion aus dem Jahr 1987. Foto: Evan Vucci/AP
AP
US-Präsident Donald Trump wirft Russland vor, gegen den INF-Vertrag verstoßen zu haben. Foto: Carolyn Kaster/AP
US-Präsident Donald Trump wirft Russland vor, gegen den INF-Vertrag verstoßen zu haben. Foto: Carolyn Kaster/AP
AP