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USA und Frankreich drohen Internationales Entsetzen nach Giftgasangriff in Syrien

In den vergangenen Wochen hat die syrische Armee fast ganz Ost-Ghuta eingenommen. Bei einem Giftgasangriff auf die letzte Rebellenhochburg sollen mehr als 100 Menschen getötet worden sein. Wieder werden rote Linien überschritten. Assad und Russland dementieren.

08.04.2018, 19:44
Erneut ist eine Rakete der syrischen Armee in Duma eingeschlagen. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua
Erneut ist eine Rakete der syrischen Armee in Duma eingeschlagen. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua XinHua

Paris (dpa) - Die Fotos und Videos, die die Weltöffentlichkeit aus dem syrischen Duma erreichen, sind nur schwer zu ertragen: Frauen, Männer und Kinder liegen in einer Wohnung auf dem Teppichboden, übereinander zusammengesunken, die Augen leer, teilweise Schaum vor dem Mund.

Hilfsorganisationen werfen der syrischen Regierung vor, Chemiewaffen bei Angriffen auf die letzte Rebellenhochburg in Ost-Ghuta eingesetzt zu haben. Mehr als 150 Menschen sollen dabei getötet und mehr als 1000 verletzt worden sein. Sowohl Syriens Führung als auch Russland wiesen die Berichte zurück. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich.

US-Präsident Donald Trump gab Russlands Präsidenten Wladimir Putin sowie dem Iran eine Mitverantwortung für den mutmaßlichen Chemiewaffen-Angriff. "Präsident Putin, Russland und Iran sind verantwortlich für die Rückendeckung des Tieres Assad", schrieb Trump am Sonntag mit Blick auf Syriens Präsidenten Baschar al-Assad auf Twitter. Es werde ein hoher Preis zu zahlen sein, kündigte Trump ohne, ohne Details zu nennen. In den USA wuchs der Druck auf Trump Entschlossenheit zu zeigen.

Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian hat die Angriffe der syrischen Armee auf die Rebellen-Hochburg Ost-Ghuta scharf verurteilt. Er sei in "extremer Sorge" angesichts von Berichten über einen neuerlichen Einsatz chemischer Waffen, erklärte Le Drian am Sonntag in einer Mitteilung. Der UN-Sicherheitsrat müsse schnellstmöglich zusammenkommen, um die Lage aufzuklären. Frankreich werde im Kampf gegen die Ausbreitung von Chemiewaffen "jede Verantwortung" wahrnehmen, hieß es.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte genau wie US-Präsident Donald Trump den Einsatz von Giftgas in Syrien immer wieder als rote Linie bezeichnet. Im März hatte Macron mit "gezielten Schlägen" gedroht, falls im Syrien-Krieg ein tödlicher Einsatz von Chemiewaffen unwiderlegbar bewiesen sei.

Das Auswärtige Amt in Berlin äußerte sich in großer Sorge. "Sollte sich das bewahrheiten, worauf im Moment vieles hindeutet, dann hat das Regime - fast auf den Tag genau ein Jahr nach Khan Sheikhoun - erneut international geächtete Waffen eingesetzt und Unschuldige auf grausame Art und Weise getötet. Dies verurteilen wir auf das Schärfste", teilte ein Sprecher am Sonntag mit. Die Angriffe richteten sich offensichtlich gezielt gegen diejenigen, die in Kellern und Bunkern Schutz und Zuflucht suchten.

"Wir fordern die Unterstützer des Regimes, insbesondere Russland und Iran auf, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden und in Übereinstimmung mit internationalem Recht für den Schutz und die humanitäre Versorgung der Zivilisten zu sorgen", erklärte der Sprecher.

Das russische Militär und die syrische Führung wiesen die Vorwürfe zurück. Es handele sich um "fabrizierte Anschuldigungen", sagte Generalmajor Juri Jewtuschenko der Agentur Interfax. Das russische Außenministerium bezeichnete die Vorwürfe als Provokationen, die lediglich für die Terroristen und die radikale Opposition von Vorteil seien, die nicht zu einer politischen Lösung bereit seien.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana berichtete, dass die Giftgas-Vorwürfe dazu dienen sollten, den Vormarsch der syrischen Armee auf die Rebellenhochburg Duma zu stoppen. Dies werde jedoch nichts nützen, zitierte die Agentur eine nicht näher benannte "offizielle Quelle". Der syrische Staat sei gewillt, Terrorismus auf jedem Quadratzentimeter in Syrien zu beenden.

Der Iran sprang seinem syrischen Verbündeten bei. Die syrische Armee brauche keine chemischen Waffen einzusetzen, weil sie bei den Gefechten die Oberhand habe, sagte Außenamtssprecher Bahram Ghassemi.

Der Sprecher des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sagte, dass alle Angriffe gegen unschuldige Menschen ein Verstoß gegen internationales Recht seien. "In diesem Zusammenhang muss das syrische Regime für solche Angriffe, die es in vielen Teilen des Landes zu unterschiedlichen Zeiten durchgeführt hat, zur Rechenschaft gezogen werden".

Das britische Außenministerium teilte mit, dass der Angriff, wenn er sich die Berichte als korrekt herausstellten, "ein weitere Beweis für die Brutalität Assads gegen unschuldige Zivilisten" seien. Die EU forderte Russland und den Iran auf, ihren Einfluss auf den syrischen Machthaber zu benutzen, um die Gewalt zu verringern.

Vor genau einem Jahr hatten die USA auf einen anderen Giftgas-Einsatz reagiert und einen Militärflughafen der syrischen Armee angegriffen. Sowohl Trump als auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten den Einsatz von Giftgas in Syrien immer wieder als rote Linien bezeichnet.

Dabei gab es in der Vergangenheit zahlreiche Belege für den Einsatz chemischer Waffen in dem mittlerweile sieben Jahre andauernden Bürgerkrieg. Allein in 16 Fällen machte die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen die syrische Regierung eindeutig für Giftgasangriffe verantwortlich.

Auch in Ost-Ghuta wurden bereits Chemiewaffen eingesetzt. Am 21. August 2013 starben mehr als 1400 Menschen durch das Nervengift Sarin. Kurz darauf forderte der UN-Sicherheitsrat Syrien auf, sein Chemiewaffenarsenal zu zerstören. Dennoch kam es danach immer wieder zu Giftgaseinsätzen.

Eine Rakete der syrischen Armee steigt in Ost-Ghuta in den Himmel. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua
Eine Rakete der syrischen Armee steigt in Ost-Ghuta in den Himmel. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua
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Ein Soldat der syrischen Armee beobachtet die Kampfhandlungen in Duma. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua
Ein Soldat der syrischen Armee beobachtet die Kampfhandlungen in Duma. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua
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Rauch steigt nach dem Einschlag einer Rakete der syrischen Armee über Duma auf. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua
Rauch steigt nach dem Einschlag einer Rakete der syrischen Armee über Duma auf. Foto: Ammar Safarjalani/XinHua
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