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Barrikaden und Tränengas Krawalle bei "Gelbwesten"-Demos in Frankreich und Belgien

Paris gleicht einer Trutzburg: Um neue Gewalt bei "Gelbwesten"-Protesten zu verhindern, sind Tausende Polizisten in der Stadt im Einsatz. Sogar Panzerfahrzeuge stehen bereit. Dennoch kommt es wieder zu Zusammenstößen - und das nicht nur in Frankreich.

Von Violetta Heise und Julia Naue, dpa 08.12.2018, 19:29

Paris (dpa) - Bei Demonstrationen der "Gelbwesten" ist es in Paris erneut zu Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei gekommen.

In Paris war am Samstag ein massives Aufgebot an Sicherheitskräften im Einsatz, um erneute gewalttätige Krawalle zu verhindern. Am Nachmittag spitzte sich die Lage jedoch zu. Wieder brannten Autos, Geschäfte wurden angegriffen, Demonstranten versuchten, Barrikaden zu errichten. Auch in Belgien und den Niederlanden gingen Menschen in Warnwesten auf die Straße.

In Frankreich nahmen die Proteste jedoch wieder das größte Ausmaß an. Landesweit hätten sich bis zum Abend rund 125.000 Menschen an den Protesten beteiligt, sagte Frankreichs Innenminister Christophe Castaner bei einer Pressekonferenz. Davon seien 10.000 in der Hauptstadt Paris gezählt worden. Im ganzen Land habe es knapp 1400 Festnahmen gegeben, mehr als 970 Menschen seien in Gewahrsam genommen worden. 118 Demonstranten und 17 Sicherheitskräfte seien verletzt worden. Es ist das vierte Wochenende in Folge, an dem die Bewegung der "Gelben Westen" in Frankreich massiv auf die Straße geht.

Dieses Mal griff die Polizei schon vor Beginn der Proteste in Paris durch: Bereits am Morgen wurden mehrere Hundert Menschen festgenommen. Grund sei in den meisten Fällen gewesen, dass die Menschen sich einer Gruppe angeschlossen hätten, die "Gewalt gegen Personen oder die Zerstörung von Gegenständen" vorbereitet habe, hieß es bei der Polizei.

Bis zum frühen Abend stieg die Zahl der Festnahmen in Paris demnach auf mindestens 738 - deutlich mehr als am gesamten vergangenen Samstag. Mehr als 550 Menschen kamen in der Stadt in Gewahrsam. 55 wurden verletzt, darunter drei Einsatzkräfte.

Ab Mittag kam es in Paris vermehrt zu Spannungen und Zusammenstößen mit der Polizei. Vielerorts lagen Rauch und Tränengas-Dunst über den Straßen. Demonstranten rissen auf dem Prachtboulevard der Champs-Élysées Holzbretter herunter, die Schaufenster von Geschäften schützen sollten, wie der Sender BFMTV berichtete. Einzelne Läden wurden demnach geplündert. Im Zentrum der Stadt gingen wieder Autos in Flammen auf. Vereinzelt setzte die Polizei in der Innenstadt Wasserwerfer ein, um Demonstranten zurückzudrängen, die versuchten, Barrikaden zu errichten.

Premierminister Édouard Philippe sprach von einem "außergewöhnlichen" Sicherheitskonzept. In der Hauptstadt waren am Samstag nach früheren Angaben des Premiers 8000 Polizisten und andere Ordnungskräfte im Einsatz. Die Polizei kontrollierte Taschen und Rucksäcke von Passanten und war mit Pferdestaffeln unterwegs. Auch gepanzerte Fahrzeuge der Gendarmerie waren erstmals im Zuge der "Gelbwesten"-Proteste im Einsatz.

Der Innenminister habe die Sicherheitskräfte angewiesen, nach den Krawallen der Vorwoche ihre Strategie anzupassen, sagte eine Sprecherin der Polizei im Sender France Inter. "Die Idee für uns ist wirklich, die friedlichen Demonstranten (...) von anderen, möglicherweise feindseligeren Demonstranten, Plünderern und Randalierern zu trennen."

Bereits am vergangenen Wochenende war es in Paris und anderen Städten zu Krawallen gekommen. Geschäfte wurden geplündert, der Triumphbogen wurde stark beschädigt. Die Regierung legte wegen der Proteste der "Gelbwesten" die geplante Steuererhöhung für Benzin und Diesel bereits auf Eis. Die Wut der Protestbewegung hatte sich einst an diesem Vorhaben entzündet - mittlerweile reichen die Forderungen viel weiter: von mehr Steuergerechtigkeit über mehr Kaufkraft bis hin zum Rücktritt von Präsident Emmanuel Macron.

Im Zentrum der Hauptstadt blieben am Samstag zahlreiche Metrostationen auf Geheiß der Polizei geschlossen - die Bahnen hielten nicht an, sondern fuhren durch. Etliche Geschäfte im Zentrum der Stadt öffneten mitten in der Vorweihnachtszeit nicht für ihre Kunden - darunter auch berühmte Kaufhäuser wie die Galeries Lafayette.

Auch viele Sehenswürdigkeiten in Paris blieben geschlossen, darunter zahlreiche Museen und das Wahrzeichen der Stadt, der Eiffelturm. Am Morgen war es dort menschenleer - Touristen standen nicht wie üblich Schlange. Die Stimmung in der Innenstadt war angespannt - Hubschrauber kreisten über dem Zentrum. Teilweise irrten Touristen umher, die nicht mitbekommen hatten, dass die großen Kaufhäuser geschlossen haben.

In zahlreichen anderen Städten Frankreichs demonstrierten ebenfalls "Gelbe Westen". In Städten wie Lyon, Bordeaux, Toulouse und Marseille kam es Berichten zufolge zu Ausschreitungen. In Lyon etwa attackierten Menschengruppen die Sicherheitskräfte mit Flaschen und Pyrotechnik, wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Polizei reagierte mit Tränengas.

Wieder wurden mehrere Autobahnen im Land bei dem Protest blockiert. Die Polizei kontrollierte bis zum frühen Nachmittag nach eigenen Angaben mehr als 5000 Menschen auf den großen Verkehrsachsen und an Mautstellen.

In Brüssel im Nachbarland Belgien wurden bei "Gelbwesten"-Protesten nach Angaben der Polizei rund 400 Menschen festgenommen. Vor allem im Europaviertel der Hauptstadt kam es zu Zusammenstößen von Demonstranten mit der Polizei. Insgesamt hätten sich rund 1000 Menschen an den Protesten beteiligt, sagte eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur.

Rund 500 Menschen seien bis vor die EU-Gebäude in der Innenstadt gezogen, die von der Polizei abgeriegelt worden seien, berichtete die Nachrichtenagentur Belga. Einem kleinen Teil der Gruppe sei es gelungen, die Barrikade zu durchbrechen. Dabei seien Flaschen und ein Wegweiser auf Polizisten geworfen worden. Diese hätten mit Tränengas reagiert.

Zeitgleich besetzten mehrere Hundert "Gelbwesten" einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Brüsseler Europaviertel. Die Polizei ging mit Wasserwerfern gegen die Straßenbesetzer vor. In kleinerem Umfang gab es auch in den Niederlanden Protestaktionen.

Polizisten setzen Tränengas gegen Demonstranten in Paris ein. Foto: Michel Euler/AP
Polizisten setzen Tränengas gegen Demonstranten in Paris ein. Foto: Michel Euler/AP
AP
Mit Blut bedeckt: Ein Demonstrant der Gelbwesten wurde bei den Protesten verletzt. Foto: Thibault Camus/AP
Mit Blut bedeckt: Ein Demonstrant der Gelbwesten wurde bei den Protesten verletzt. Foto: Thibault Camus/AP
AP
Schlagstockeinsatz bei den Protesten der «Gelbwesten» in Paris: 8000 Polizisten und andere Ordnungskräfte waren im Einsatz. Foto: Thibault Camus/AP
Schlagstockeinsatz bei den Protesten der «Gelbwesten» in Paris: 8000 Polizisten und andere Ordnungskräfte waren im Einsatz. Foto: Thibault Camus/AP
AP
Demonstranten flüchten vor dem Tränengasnebel. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
Demonstranten flüchten vor dem Tränengasnebel. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
AP
Tausende Demonstranten in gelben Warnwesten sind auf den Champs-Élysées zusammengekommen. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
Tausende Demonstranten in gelben Warnwesten sind auf den Champs-Élysées zusammengekommen. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
AP
Ein Polizist legt auf den Champs-Elysees eine Tränengaspistole an. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
Ein Polizist legt auf den Champs-Elysees eine Tränengaspistole an. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
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Schweres Gerät: Ein Wasserwerfer wartet hinter Bereitschaftspolizisten auf dem Boulevard des Capucines. Foto: Christian Böhmer
Schweres Gerät: Ein Wasserwerfer wartet hinter Bereitschaftspolizisten auf dem Boulevard des Capucines. Foto: Christian Böhmer
dpa
Volkszorn: Die Protestbewegung begann als Widerstand gegen eine Steuererhöhung für Kraftstoff, dehnte sich aber schnell aus. Foto: Claude Paris/AP
Volkszorn: Die Protestbewegung begann als Widerstand gegen eine Steuererhöhung für Kraftstoff, dehnte sich aber schnell aus. Foto: Claude Paris/AP
AP
Entspannter Moment: Ein Demonstrant bietet einem Polizisten an, doch auch eine gelbe Warnweste zu nehmen. Foto: Claude Paris/AP
Entspannter Moment: Ein Demonstrant bietet einem Polizisten an, doch auch eine gelbe Warnweste zu nehmen. Foto: Claude Paris/AP
AP
Die Gelbwesten machen dicht: Stau auf der spanischen Seite der französisch-spanischen Grenze in Biriatou. Foto: Bob Edme/AP BC
Die Gelbwesten machen dicht: Stau auf der spanischen Seite der französisch-spanischen Grenze in Biriatou. Foto: Bob Edme/AP BC
AP BC
Zusammenstoß mit der Staatsmacht: Demonstranten rennen in Paris durch einen dichten Tränengasnebel. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
Zusammenstoß mit der Staatsmacht: Demonstranten rennen in Paris durch einen dichten Tränengasnebel. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
AP
Polizisten und Räumpanzer vor dem Pariser Triumphbogen. Foto: Michel Euler/AP
Polizisten und Räumpanzer vor dem Pariser Triumphbogen. Foto: Michel Euler/AP
AP
Demonstranten der «Gilets Jaunes» (Gelbwesten) blockieren eine Straße nahe der französisch-spanischen Grenze in Biriatou. Foto: Bob Edme/AP BC
Demonstranten der «Gilets Jaunes» (Gelbwesten) blockieren eine Straße nahe der französisch-spanischen Grenze in Biriatou. Foto: Bob Edme/AP BC
AP BC
Schwarz-bunt: Polizisten mit farbverschmierten Schutzschildern beobachten den Protest der «Gilets Jaunes» in Paris. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
Schwarz-bunt: Polizisten mit farbverschmierten Schutzschildern beobachten den Protest der «Gilets Jaunes» in Paris. Foto: Rafael Yaghobzadeh/AP
AP
Handwerker sichern in Paris eine Bankfiliale in der Nähe der Oper mit Holzplatten. Foto: Christian Böhmer
Handwerker sichern in Paris eine Bankfiliale in der Nähe der Oper mit Holzplatten. Foto: Christian Böhmer
dpa
Mit Holzplatten werden die Fenster einer Bank in der Nähe des Champs-Elysees in Paris gesichert. Foto: Bertrand Combaldieu/AP
Mit Holzplatten werden die Fenster einer Bank in der Nähe des Champs-Elysees in Paris gesichert. Foto: Bertrand Combaldieu/AP
AP
Polizeifahrzeuge vor dem Pariser Museum Grand Palais. Foto: Sabine Glaubitz
Polizeifahrzeuge vor dem Pariser Museum Grand Palais. Foto: Sabine Glaubitz
dpa