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Streit um Grundgesetzänderung Schuldigitalisierung wohl erst ab Sommer 2019

Ein wenig erinnert der Streit um die Schuldigitalisierung an den neuen Berliner Flughafen: Wann es wirklich losgehen kann, ist nicht ganz klar. Doch auch für den Digitalpakt gibt es jetzt ein neues Zieldatum.

Von Basil Wegener, dpa 06.12.2018, 15:49

Berlin (dpa) - Deutschlands Schüler sollen voraussichtlich erst ab Sommer 2019 verstärkt mit digitalen Medien unterrichtet werden. Dafür wollen Bund und Länder den Digitalpakt Schule "zügig" in Kraft setzen.

Die Länder beschlossen bei einer Sitzung der Kultusministerkonferenz (KMK) in Berlin mehrheitlich eine entsprechende Erklärung. Ursprünglich sollte die Schuldigitalisierung zum 1. Januar 2019 starten.

Der Sprecher der SPD-geführten Länder, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, sagte, seine Erwartung sei es, "dass wir im kommenden halben Jahr den Digitalpakt Schule auf jeden Fall haben können". Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) warb für eine schnelle Einigung: ""Zügig" ist das Zauberwort."

Unter den Ländern herrscht über das weitere Verfahren aber keine Einigkeit: Rabe rief dazu auf, den eingeschlagenen Weg über eine geplante Grundgesetzänderung zu gehen. "Erst wenn das am Ende nichts werden sollte, muss man neu nachdenken."

Seine baden-württembergische Kollegin Susanne Eisenmann (CDU) hielt dem für die unionsgeführten Länder entgegen, dass der Digitalpakt ohne Grundgesetzänderung kommen solle. Sie warnte vor weiteren Verzögerungen, wenn das erwartete Vermittlungsverfahren von Bundesrat und Bundestag über den vom Bundestag beschlossenen Gesetzentwurf für eine Grundgesetzänderung abgewartet werde. Komme der Pakt im Sommer 2019, würden seit der ersten Ankündigung durch Karliczeks Vorgängerin Johanna Wanka (CDU) drei Jahre vergangen sein, rechnete Eisenmann vor. Fraglich sei, "ob das wirklich zügig in der Definition von zügig ist".

TABLETS UND LAPTOPS FÜR DIE SCHÜLER - WLAN FÜR DIE SCHULEN:

Für die Schuldigitalisierung will der Bund den Ländern in den kommenden fünf Jahren fünf Milliarden Euro überweisen. Nach dem vorliegenden Entwurf der Länder und des Bundes für den Digitalpakt sollen die 40.000 Schulen unter anderem mit WLAN ausgestattet werden. Bis zu eine von den fünf Milliarden sollen auch in Laptops, Notebooks und Tablets fließen - jede einzelne Schule soll dafür also bis zu 25.000 Euro bekommen können.

Rabe erläuterte, das Hauptziel sei es, die technische Infrastruktur an den Schulen zu schaffen, damit die Schüler dort mit ihren eigenen Geräten arbeiten könnten. Der Staat könne finanziell nicht für die rund sieben Millionen Schüler Laptops und Tablets kaufen. Die vorgesehenen Mittel auch für die Geräte sollen laut Rabe aber den Einstieg in das Projekt erleichtern.

WEITERBILDUNG FÜR DIE LEHRER - DIGITALE LERNINHALTE:

Die Politik ist sich noch uneins, ob der Bund auch für die nötige Weiterbildung der Lehrer zahlen können soll. FDP und Grüne wollen das und haben unter anderem deshalb bei Verhandlungen mit der Koalition über die geplante Grundgesetzänderung durchgesetzt, dass der Bund auch in "Qualität" der Schulen investieren können soll. Kommt die Grundgesetzänderung nicht oder ohne diesen Passus, dürfte dies auch in den Digitalpakt nicht nachträglich aufgenommen werden.

"Das macht keinen Sinn, das jetzt wieder aufzumachen", sagte Rabe. Die Lerninhalte werden von Forschern, Schulbuchverlagen und Pädagogen derzeit an vielen Stellen weiterentwickelt - also Programme, mit denen Lehrer Klassen über Tablets interaktiv etwa durch Deutsch-, Chemie- oder Fremdsprachenthemen führen kann.

GRUNDGESETZÄNDERUNG:

Strittig ist, ob diese Änderung für den Digitalpakt nötig ist oder nicht - auch wenn Bildung Ländersache ist. "Das wäre ein Thema für eine rechtswissenschaftliche Vorlesung", sagte der KMK-Präsident, Thüringens Amtschef Helmut Holter. Rabe meinte, wenn diese Frage überhaupt geklärt werden solle, dann müsste sie am Ende wohl das Bundesverfassungsgericht beantworten.

Holter, Rabe und Karliczek verwiesen darauf, dass sich SPD und Union im Koalitionsvertrag auf diesen Weg geeinigt hätten und dieser die Geschäftsgrundlage der Pläne sei. Eisenmann hingegen meinte, der Koalitionsvertrag könne ohne Verfassungsänderung "dem Sinne nach" umgesetzt werden.

Im Koalitionsvertrag ist vor allem vorgesehen, dass der Bund künftig nicht nur finanzschwachen Kommunen bei Bildung unter die Arme greifen können soll. Der Bundestag beschloss darüber hinaus unter anderem, dass ab 2020 die Länder bei Programmen mit Bundesgeld jeweils die Hälfte zuschießen müssen. Das lehnen alle Länder vehement ab. Denn nicht jedes Land, so argumentieren sie, habe genug Geld. Für den Digitalpakt würde diese 50-50-Prozent-Regel zwar noch nicht zutreffen, weil er schon 2019 beschlossen werden soll. Rabe sagte aber: "Dieser Digitalpakt wäre in Zukunft nie wieder möglich, wenn diese Grundgesetzänderung gemacht wird."

Bereits im Grundgesetz verankert ist, dass Bund und Länder für informationstechnische Systeme kooperieren können. Eisenmann sagte, auch so könne der Digitalpakt rechtlich abgesichert werden. Holter wies darauf hin, dass das Bundesgeld unter anderem auch über Direktzuweisungen fließen könne.

SONDERFALL NORDRHEIN-WESTFALEN:

Nordrhein-Westfalen enthielt sich als einziges Land bei der Abstimmung über den KMK-Beschluss. NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) hatte sich gegen die geplante Grundgesetzänderung gewandt. Dank des Bildungsföderalismus sei es Bayern und Baden-Württemberg möglich gewesen, linken schulpolitischen Ideologien zu widerstehen, hatte Laschet in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer hatte die geplante Grundgesetzänderung dagegen begrüßt, nachdem sich FDP und Grüne im Bund mit der Koalition geeinigt hatten. Nun sagte Gebauer zu ihrer Enthaltung, dass die KMK die Einigung im Bundestag auf eine Grundgesetzänderung im Bundestag weitgehend zurückweise, "gefährdet eine zügige Kompromissfindung im Vermittlungsausschuss".

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