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Ökostrom-Ausbau So soll die Energiewende schneller vorankommen

Deutschland will beim Klimaschutz mehr Tempo machen - das geht nur mit deutlich mehr Strom aus Sonne und Wind. Doch zuletzt hakte es bei der Energiewende. Nun haben Union und SPD sich auf eine Reform geeinigt - aber nächstes Jahr geht der Streit weiter.

Von Teresa Dapp und Andreas Hoenig, dpa 14.12.2020, 14:46
Jens Büttner
Jens Büttner dpa-Zentralbild

Berlin (dpa) - Der Ausbau von Ökostrom-Anlagen in Deutschland soll Fahrt aufnehmen. Union und SPD haben sich auf eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) geeinigt - gerade noch rechtzeitig, damit es zum Januar in Kraft treten kann.

Wichtige Streitpunkte blieben allerdings offen. Ob der für 2030 angepeilte Ökostrom-Anteil noch höher liegen soll als bisher geplant und mit welchen Strommengen man dann rechnet, soll Anfang 2021 Thema werden.

Unter anderem einigten sie die Koalitionsfraktionen auf Unterstützung für ältere Wind- und Solaranlagen, die aus der Förderung fallen. Zudem soll der Verbrauch von selbst produziertem Solarstrom leichter werden als es Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) in seinem Entwurf vorgeschlagen hatte. Dieser sah schon vor, dass Kommunen, bei den Windräder gebaut werden, davon stärker profitieren sollen - dabei soll es auch bleiben.

In diesem Jahr lieferten erneuerbare Energien wie Sonne, Wind und Biogas fast die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Stroms. Allerdings lag das auch an der Corona-Pandemie, die die Wirtschaftsleistung und damit auch den Stromverbrauch drückte. Um die Klimaziele zu schaffen, braucht es deutlich mehr Windkraft- und Solaranlagen. In den vergangenen Jahren ging der Ausbau langsam voran, auch, weil Anwohner und Naturschützer gegen Projekte Sturm liefen. Die wesentlichen Punkte nach der geplanten Reform im Überblick - nach Angaben aus Koalitionskreisen:

AUSBAUZIELE: Für den Ausbau von Solarstrom, Wind an Land und auf See sowie Strom aus Biomasse gibt es künftig detaillierte Ziele. Das hatte Altmaier in seinem Entwurf schon vorgesehen. Denkbar ist, dass diese Ziele nochmals nach oben geschraubt werden. Denn die EU hat sich gerade auf ein höheres Klimaschutz-Ziel für 2030 geeinigt - das dürfte auch für Deutschland Folgen haben. In den ersten drei Monaten des kommenden Jahres soll die Bundesregierung einen Vorschlag machen.

ÖKOSTROM-UMLAGE: Die EEG-Umlage zur Ökostrom-Förderung, die Bürger mit der Stromrechnung zahlen, wird schon ab 2021 über einen Zuschuss aus Steuermitteln abgesenkt. Wer erneuerbaren Strom erzeugt, bekommt für seine Anlagen 20 Jahre lang Fördergeld. Das soll sich eines Tages ändern - aber es dauert noch. Nach Angaben aus Koalitionskreisen könnte die Förderung von neuen Anlagen beendet werden, wenn spätestens 2038 der Kohleausstieg vollzogen ist. Auch dazu soll die Bundesregierung nun bald Vorschläge machen.

ALTE ANLAGEN: 2021 läuft für die ersten Anlagen die EEG-Förderung aus, weil sie älter werden als 20 Jahre. Die Branche hatte große Sorge, dass dann viele Anlagen vom Netz gehen, weil der Betrieb sich nicht mehr lohnt. Nun soll es Erleichterungen geben: Ältere Solaranlagen müssen vorerst nicht mit intelligenten Stromzählern teuer aufgerüstet werden. Betreiber von Windkraftanlagen bekommen pro Kilowattstunde vorerst den Marktwert des Stroms plus 1 Cent. Über eine Verordnung soll für sie eine eigene, neue Förderung geschaffen werden, auf die Betreiber sich bewerben können - geringer und mit kürzerer Laufzeit, Details sind noch zu klären.

AUS ALT MACH NEU UND GROß: Ziel der Koalition ist aber, dass alte Windräder nicht einfach weiterlaufen, sondern durch größere und leistungsstärkere ersetzt werden - man nennt das Repowering. Über verschiedene Gesetze soll das gefördert werden, etwa im Baurecht und im Naturschutzrecht.

GELD FÜR KOMMUNEN: Um Anwohnern den Bau von Windrädern in ihrer Näher schmackhafter zu machen, sollen Betreiber künftig den Kommunen anbieten können, 0,2 Cent pro Kilowattstunde an sie abzugeben. Gemeinden könnten dann also finanziell direkt von Windparks profitieren. Vergünstigte Stromtarife, die auch mal im Gespräch waren, stehen vorerst nicht auf der Agenda.

SOLAR AUF DEM DACH: Es soll günstiger werden, selbst produzierten Sonnenstrom zu verbrauchen. Dafür wurde die Leistung, ab der auf diesen Strom die Ökostrom-Umlage fällig wird, auf das Dreifache erhöht - auf 30 Kilowatt oder 30 Kilowattstunden Jahresertrag. Betreiber von Anlagen zwischen 300 und 750 Kilowatt haben die Wahl, ob sie an Ausschreibungen teilnehmen und den Strom nicht selbst verbrauchen oder ob sie einen Teil des Stroms selbst verbrauchen und dafür weniger Förderung wollen. Auch für Solarstrom auf Dächern von Mietshäusern soll es Vereinfachungen geben.

MEHR MARKT: Wenn vier Stunden am Stück oder zu viel Strom produziert wird und die Preise an der Strombörse unter null fallen, soll künftig für den in dieser Zeit produzierten Strom keine EEG-Umlage gezahlt werden. Bisher galt das ab sechs Stunden. Das gilt erst mal nur für das kommende Jahr, danach wird eine Verschärfung geprüft.

Aus Sicht der Grünen im Bundestag geht all das nicht weit genug. "Das sind kleine Verbesserungen für die Energiewende, die aber nicht zu einem dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien führen werden", sagte Fraktionsvize Oliver Krischer. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) kritisierte die Einigung als Sammlung "unzureichender und unausgegorener Formelkompromisse".

Altmaier sprach von einer sehr guten Einigung. Es seien zusätzliche Akzente gesetzt worden, um den Ausbau der Solarenergie zu beschleunigen. Dieser Ausbau sei im Augenblick zu besonders kostengünstigen Preisen möglich. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, es seien sehr wichtige Verbesserungen erzielt worden. Der "Unsinn", dass funktionstüchtige Windräder vom Netz genommen werden, sei abgewendet worden.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch betonte, die SPD wolle mehr - möglichst noch vor der Wahl: "Die Ausbaupfade müssen angehoben werden", sagte er. Das ganze Finanzierungs- und Fördersystem müsse grundsätzlich reformiert werden. Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) lobte, die Novelle schaffe mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie für viele kleinere Anlagenbetreiber.

© dpa-infocom, dpa:201214-99-684468/4