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Nach WM "Arbeiten, Arbeiten": Deutscher Eiskunstlauf am Wendepunkt

Es gibt viel zu tun im deutschen Eiskunstlauf nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der WM in Saitama. Der 13. Rang der Paarläufer Hase/Seegert war die beste Platzierung. Ein "Weiter-so" kann es für die Deutsche Eislauf-Union nicht geben: Gefordert sind die Trainer.

Von Andreas Schirmer, dpa 24.03.2019, 11:53

Saitama (dpa) - Ein Jahr nach dem Olympia-Triumph von Aljona Savchenko/Bruno Massot steckt der deutsche Eiskunstlauf in einer tiefen Krise.

"Wir sind an einem Wendepunkt angekommen, an dem wir uns fragen müssen, ob es ein Weiter-so geben kann", sagte Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union, nach der höchst enttäuschenden Bilanz bei den Weltmeisterschaften in Saitama. "Ich sage auf keinem Fall, es muss einen Stopp geben." Denn die Erkenntnis aus der WM ist nicht allein, dass die DEU-Topathleten nur Mittelmaß sind, sondern die Weltelite mit großen Sprüngen immer weiter enteilt.

Allein im Paarlauf zeigten die Savchenko/Massot-Nachfolger, dass sie in der internationalen Hierarchie bis zu den Olympischen Spielen 2022 in Peking nach oben klettern können. Die Berliner Duos Minerva Fabienne Hase/Nolan Seegert und Annika Hocke/Ruben Blommaert erreichten mit den Plätzen 13 und 14 die besten Resultate. "Sie sind ordentlich auf dem Weg", befand Dönsdorf. Beide Paare könnten zukünftig unter die besten Zehn bei EM und WM kommen.

Abgesehen von den noch vagen Hoffnungen bei den Paaren, sieht der DEU-Sportchef den Verband in einer "kritischen Phase" und besonders die Trainer in der Kritik und im Fokus notwendiger Reformen. "Es muss eine ganz andere Art von Training entwickelt werden", sagte Dönsdorf. "Die Trainer müssen erkennen, dass so wie sie trainieren, nicht mehr zum Erfolg führt." Deshalb hoffe er, dass alle die Zeichen der Zeit erkennen, "die Ärmel aufkrempeln und arbeiten, arbeiten und arbeiten". Eine Krise habe aber auch etwas Gutes. "Wenn die richtigen Entscheidungen getroffen werden, kann der Weg nach vorne geöffnet werden."

Leichter gesagt, als getan, wenn man besonders das exorbitante Niveau im Einzel bei der WM in Japan gesehen hat. So war die Herren-Kür am Samstag ein unglaubliches Sprung-Festival, in dem US-Titelverteidiger Nathan Chen mit Perfektion vier vierfache Sprünge auf das Eis brachte und sagte: "Ich habe meinen Job gemacht."

Da half es Japans Superstar Yuzuru Hanyu nichts mehr, die schwierige Kombination aus vierfachem Toeloop und dreifachem Axel zu meistern. Er holte für den Gastgeber aber mit Silber immerhin die einzige Medaille. Der Berliner Paul Fentz musste all das staunend von der Tribüne anschauen. Der deutsche Meister landete nur auf Platz 28 und verpasste das Kür-Finale. Auch, weil er nicht einmal den einfachsten der Vierfachen stabil sauber landen kann: Den Toeloop.

Während Olympiasiegerin Alina Sagitowa (Russland) künstlerisch mit ihrer goldenen "Carmen"-Kür die Eislauf-Welt bezauberte, zeigte die Kasachin Elisabet Tursinbajewa mit der WM-Premiere des vierfachen Salchows spektakulär, wohin der Trend bei den Damen gehen könnte.

"Das werden Einzelfälle bei den Damen bleiben", prophezeite Dönsdorf zur Beruhigung der deutschen Meisterin Nicole Schott aus Essen (16. Rang) und fügte skeptisch an: "Immer mehr drehen und immer mehr springen, ist nicht die Symbiose, die man sich im Eiskunstlauf vorstellt." Bei den Herren werde der Anstieg im technischen Bereich einhergehend mit einer hohen Fitness für die DEU-Asse eine Herausforderung werden: "Da haben wir Nachholbedarf."