Geschäftsmodell mit Problemen Der Supermarkt wird 60

Im September 1957 eröffnete in Köln der erste Supermarkt Deutschlands. Sechs Jahrzehnte später steht das Geschäftsmodell vor Problemen. Um gegen das Internet und die Discounter bestehen zu können, müssen sich die Betreiber neu erfinden.

Von Von Erich Reimann, dpa 22.09.2017, 07:47

Köln (dpa) - Deutschland ist Supermarktland. Im vergangenen Jahr gab es hierzulande laut dem Handelsforschungsinstitut EHI rund 12 000 Supermarkte - mit nach wie vor steigender Tendenz.

Das Netz, das Edeka, Rewe, Real und Co gesponnen haben, ist so dicht wie in kaum einem anderen Land. Doch ausgerechnet zum 60. Jahrestag der Eröffnung des erstes Supermarkts in Deutschland am kommenden Dienstag sieht sich das "Erfolgsmodell Supermarkt" mit den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten konfrontiert.

Als Geburtsdatum des Supermarkts in Deutschland gilt der 26. September 1957. Damals eröffnete der Kaufmann Herbert Eklöh in der Kölner Rheinlandhalle einen Lebensmittelladen mit einer Verkaufsfläche von 2000 Quadratmeter - für damalige Verhältnisse ein gigantisches Geschäft. Während anderswo noch die Tante-Emma-Läden mit Bedienung durch Personal dominierten, setzte Eklöh in dem heute nicht mehr existierenden Betrieb auf Selbstbedienung, Warenvielfalt und Frische. Der deutsche Kaufmann habe sich bei der Gestaltung von Experten aus dem Mutterland des Supermarktes, den USA, beraten lassen, erzählt Jan Logemann, der an der Universität Göttingen über die Geschichte des Konsums forscht.

Unumstritten ist der 26. September 1957 als Geburtsdatum des Supermarktes hierzulande zwar nicht. So datieren einige Experten die ersten Gehversuche schon auf das Jahr 1938 oder 1949. "Aber es spricht vieles dafür, dass Eklöh den Startschuss für den Siegeszug des Supermarktes in Deutschland gegeben hat. Schon die Ladengröße von 2000 Quadratmetern macht ihn absolut zum Pionier. Andere Läden waren damals höchstens 200 oder 300 Quadratmeter groß", meint EHI-Geschäftsführer Michael Gerling.

Heute wird der Lebensmittelhandel in Deutschland von den großen Supermarktketten Edeka und Rewe geprägt. Die wachsende Konsumlust der Bundesbürger bescherte den Händlern zuletzt kräftige Umsatzzuwächse. Zum Zurücklehnen bleibt den Händlern dennoch keine Zeit. Denn gleich von zwei Seiten sehen sich Supermärkte unter Druck.

Herausforderung Nummer eins: Die Discounter. Aldi und Lidl geben Milliarden aus, um ihre Läden ansprechender zu gestalten und rücken optisch und im Angebot immer näher an die klassischen Supermärkte heran. Die Vollsortimenter müssen sich deshalb immer wieder neue Angebote einfallen lassen, um den Abstand zu wahren.

Herausforderung Nummer zwei: Das Internet. Zwar spielt der Online-Handel im Lebensmittelbereich bislang nur eine kleine Rolle. Doch spätestens, seitdem der Internetgigant Amazon seinen Lebensmittellieferdienst Amazon Fresh auch in Deutschland gestartet hat, scheint auch hier ein Damm gebrochen.

"Online-Angebote werden im Lebensmittelhandel immer wichtiger. Der Kunde erwartet das einfach", meint Gerling. Das Problem dabei: der Online-Service ist teuer. "Ich kenne keinen Händler, der damit Geld verdient", berichtet der Branchenkenner. Amazon könne dies angesichts seiner tiefen Taschen egal sein, doch für klassische Händler sei es eine große Herausforderung.

Die Supermarkt-Betreiber wie Edeka oder Rewe haben also trotz des Jubiläums keine Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Sie sind längst dabei, sich neu zu erfinden: mit eigenen Online-Angeboten, aber auch mit neuen Ideen für künftige Läden.

"Das Gesicht des Supermarkts wird sich verändern. Im Supermarkt der Zukunft werden frische Produkte eine viel größere Rolle spielen", ist Gerling überzeugt. Denn Obst, Gemüse, Fleisch oder Käse wolle der Kunde sehen und erleben, bevor er sie kaufe. Andere Artikelgruppen würden dagegen in den Online-Bereich abwandern. "Wer will schon unbedingt Mineralwasserkästen oder Dosentomaten nach Hause schleppen."

Stattdessen werde im Supermarkt der Zukunft die Gastronomie viel mehr Platz einnehmen, prognostiziert der EHI-Chef. Man werde nicht nur die Zutaten für eine Mahlzeit kaufen können, sondern gleich das fertige Essen. "Und man wird es auch vor Ort verzehren können, wenn man will."