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Jahrelange Verhandlungen EU erwartet Einigung auf Investitionspakt mit China

Erlaubt Peking europäische Unternehmen unter fairen Bedingungen Zugang zum Riesenmarkt China? Darüber wurde sieben Jahre lang verhandelt, jetzt scheint die politische Einigung nah.

Von Verena Schmitt-Roschmann und Andreas Landwehr, dpa 29.12.2020, 16:35
Francisco Seco
Francisco Seco AP Pool

Brüssel/Peking (dpa) - Für das bahnbrechende Investitionsabkommen mit China erwartet die Europäischen Union am Mittwoch eine Grundsatzeinigung. Dafür sei ein Spitzengespräch per Video mit Peking geplant, verlautete aus EU-Kreisen in Brüssel.

Die chinesische Regierung sprach offiziell von großen Fortschritten. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre ein Durchbruch ein wichtiger Erfolg kurz vor Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Die Grünen kritisierten jedoch den ihrer Ansicht nach überstürzten Abschluss des Vertrags.

An dem Abkommen wird seit sieben Jahren gearbeitet. Es soll das Verhältnis der EU zur weltweit zweitgrößten Wirtschaftsmacht China grundsätzlich neu aufstellen. Europäische Unternehmen sollen einfacher und zu fairen Bedingungen in China investieren können und so besseren Zugang zu dem riesigen Markt mit 1,4 Milliarden Menschen bekommen. China verpflichtet sich dabei zu Umwelt- und Sozialstandards. Es handelt sich aber nicht um ein Freihandelsabkommen, das noch weit umfassender wäre.

Zeitweise waren die Gespräche unter anderem wegen Streits über mögliche Zwangsarbeit in China ins Stocken geraten. Die Probleme scheinen nun ausgeräumt. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis habe nach Abschluss der Verhandlungen die Grundsatzeinigung mit der Führung in Peking empfohlen, hieß es aus EU-Kreisen. China habe die nötigen "substanziellen Zusagen" in drei zentralen Punkten geleistet: Marktzugang, fairer Wettbewerb und nachhaltige Entwicklung. Dazu zählten "Unternehmensstandards für soziale Verantwortung und Arbeit".

China habe zugesagt, "dauerhafte und nachhaltige Anstrengungen" zur Ratifizierung zweier Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation ILO gegen Zwangsarbeit zu unternehmen. Darüber hinaus werde die EU autonom weitere Instrumente zum Kampf gegen Zwangsarbeit entwickeln.

Das Verhandlungsergebnis sei das ehrgeizigste, das China jemals mit einem Drittstaat vereinbart habe, hieß es aus den EU-Kreisen weiter. Europäische Investoren bekämen damit Zugang zu allen Wirtschaftszweigen, darunter Fahrzeuge, Cloud-Dienstleistungen, Finanzdienstleistungen und Gesundheitsversorgung.

Vorgesehen seien neue Regeln gegen den Zwangstransfer von Technologie sowie neue Verpflichtungen für staatseigene Betriebe und umfassende Transparenz für Beihilfen. Das Abkommen wahre Grundwerte und Ziele der EU. Erstmals habe China solide Regeln für nachhaltige Entwicklung akzeptiert, auch bei Umwelt und Klima.

Das chinesische Außenministerium teilte am Dienstag mit, bei den jüngsten Gesprächen seien mit Anstrengungen beider Seiten "große Fortschritte erzielt" worden. Auch in Peking wurde damit gerechnet, dass eine grundsätzliche politische Einigung nach einem Gespräch zwischen Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch verkündet werden könnte.

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), begrüßte die künftige Rechtssicherheit für europäische Unternehmen. Er nannte mehrere Punkte: China erleichtere europäische Investitionen in Telekommunikation und im Automobilsektor. Staatsunternehmen sollten künftig nach marktwirtschaftlichen Standards wirtschaften und dürften europäische Marktteilnehmer nicht diskriminieren. China werde nicht nur Subventionen im Warensektor anzeigen, sondern auch bei bestimmten Dienstleistungen.

Mit Blick auf Arbeitnehmerrechte und Vorkehrungen gegen Zwangsarbeit werde das Europaparlament den Vertrag aber sorgfältig prüfen, fügte Lange hinzu. Der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer monierte hingegen: "Beim Thema Zwangsarbeit in China will sich die EU-Kommission mit einem oberflächlichen Lippenbekenntnis zufriedengeben." Das EU-Parlament habe noch vor Kurzem mit überragender Mehrheit ein wesentlich besseres Ergebnis verlangt. Es sei nicht plausibel, warum "dieses Abkommen jetzt mit maximaler Jahresendhektik durchgedrückt werden soll".

Auch Merkel hatte sich für einen Durchbruch noch während der sechsmonatigen deutschen Ratspräsidentschaft eingesetzt. Diese geht am 31. Dezember zu Ende. Die 27 EU-Staaten scheinen an Bord. Nach einer Unterrichtung der EU-Botschafter durch die Kommission am Montag hielt die deutsche Ratspräsidentschaft nach Angaben eines Diplomaten fest, dass kein EU-Staat ein Stoppsignal gegeben habe und damit "der Weg für die politische Unterstützung geebnet" sei.

Selbst nach einer politischen Grundsatzeinigung bliebe noch Klärungsbedarf im Detail. Dies wäre nur der erste Schritt hin zu einer Annahme und Ratifizierung des Abkommens, hieß es aus EU-Kreisen. Es bleibe noch viel Zeit für politische Erwägungen und eine öffentliche Debatte.

© dpa-infocom, dpa:201229-99-842591/5