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Handelskammer optimistisch EU und China stehen vor Durchbruch bei Investitionsabkommen

Die EU fordert schon lange mehr Marktzugang und bessere Wettbewerbsbedingungen in China. Das Tauziehen mit Peking steckt in der Schlussphase. Was hält der neue US-Präsident Biden davon, wenn sich die EU und China gerade jetzt aufeinander zubewegen?

Von Andreas Landwehr, dpa 18.12.2020, 15:51
Li Tao
Li Tao XinHua

Peking/Brüssel (dpa) - Die Europäische Union und China stehen kurz vor einem Durchbruch in ihren seit knapp sieben Jahren andauernden Verhandlungen über ein Investitionsabkommen.

Die europäische Handelskammer in China zeigte sich am Freitag in Peking "sehr hoffnungsvoll", dass "eine politische Vereinbarung in den nächsten Tagen abgeschlossen werden kann". China bestätigte "wichtige Fortschritte". "Die Verhandlungen haben die letzte Phase erreicht", sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin vor der Presse in Peking.

In Brüssel hieß es nach einer Unterrichtung durch die EU-Kommission von einem Diplomaten, es gebe eine sehr breite Unterstützung der EU-Mitgliedsstaaten, nun in die "Endphase der Verhandlungen" einzutreten. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte in Berlin, es seien offenbar Fortschritte erreicht worden.

Als noch offen galt bis zuletzt, ob sich China verpflichtet, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation einzuhalten. Zudem dringen einige EU-Staaten auf möglichst restriktive Regelungen zu chinesischen Investitionen in den europäischen Energiesektor.

Ziel des Abkommens sind vor allem eine größere Marktöffnung und gerechte Wettbewerbsbedingungen in China. Der Kammervorsitzende Jörg Wuttke sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir müssen auf die Details warten, aber ich kann nur annehmen, dass es robust sein wird und viele Punkte anspricht, die die EU-Kammer in den vergangenen Jahren vorgebracht hat." Für die europäischen Unternehmen sei das Investitionsabkommen "von sehr großer Bedeutung".

Ein "ideales" Abkommen sollte den Zugang europäischer Unternehmen zu dem am schnellsten wachsenden Markt der Welt verbessern, sagte Wuttke. Auch sollte es einen Rahmen schaffen, der ihnen erlaubt, in China gleiche Wettbewerbsbedingungen zu haben, wie sie auch für chinesische Unternehmen in der EU gelten und geschützt werden.

Die Annäherung kommt vor dem Hintergrund des Handelskrieges zwischen den USA und China, den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Der künftige US-Präsident Joe Biden will an dem harten Kurs gegenüber China festhalten und die vom scheidenden Amtsinhaber Donald Trump eingeführten Zusatzzölle vorerst beibehalten, um seine Optionen nicht einzuschränken. Auch will Biden eine breite internationale Koalition mit Verbündeten wie den Europäern schmieden.

Die EU und China hatten immer ihre Absicht bekräftigt, bis Jahresende eine Einigung in den schwierigen Verhandlungen zu erreichen. Im Mittelpunkt stehen ein besserer Marktzugang und faire Bedingungen im Wettbewerb mit chinesischen Unternehmen, wobei sich vor allem China bewegen muss. Eine politische Einigung auf das Abkommen wäre eine Art Grundsatzvereinbarung, der noch weitere Prüfungen des genauen Vertragstextes durch Juristen beider Seiten folgen müssen.

Auch ein hoher EU-Diplomat in Peking zeigte sich "zuversichtlich", dass es bald einen Durchbruch geben werde. EU-Kammerpräsident Wuttke hob hervor, dass es zwischen zwei großen Wirtschaftsmächten eigentlich normale Praxis sein sollte, gleichen Marktzugang zu haben und nicht Unausgewogenheit. Insofern sei das Abkommen "kaum revolutionär". Trotzdem müsse das Motto lauten: "Jetzt oder nie." Bei einem Abschluss wäre es erst das zweite große Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und China nach der Vereinbarung über die geografischen Herkunftsbezeichnungen von Waren vom Juli.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnte unterdessen, die EU dürfe keine eiligen Kompromisse eingehen. Berlin und Brüssel dürften sich nicht mit Zusagen abspeisen lassen, die an Geschäftspraktiken nichts Wesentliches änderten, schrieb Jürgen Matthes, Leiter des IW-Kompetenzfeldes Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur. Es erscheine schwer vorstellbar, "dass damit wirklich die tiefgreifenden Probleme der unfairen Konkurrenz durch chinesische Staatsunternehmen und durch subventionierte Privatfirmen gelöst werden, die von der intensiven industriepolitischen Förderung profitieren". Außerdem würde ein Abkommen mit China die Regierung Biden vor den Kopf stoßen.

Innerhalb der Europäischen Union gibt es nach Informationen der South China Morning Post" (SCMP) eine "grundsätzliche" Einigung auf das Investitionsabkommen mit China. Die Hongkonger Zeitung berief sich dabei auf eine diplomatische Quelle in Brüssel. Unter Hinweis auf einen weiteren Informanten schrieb das Blatt zudem, es werde davon ausgegangen, dass sich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einig seien, das Abkommen abzuschließen.

China habe Zugeständnisse bei der Marktöffnung in mehreren Bereichen gemacht. Es werde davon ausgegangen, dass darunter Finanzdienste und die Sektoren Produktion und Immobilien seien. Im Gegenzug öffne die EU erneuerbare Energien für chinesische Investitionen, schrieb die Zeitung. Das stoße auf Widerstand osteuropäischer Länder wie Litauen und Polen, die auf Unterstützung der USA gegenüber Russlands Bedrohung angewiesen seien.

"Es wurde debattiert, ob es der richtige Moment ist, ein Abkommen mit China zu besiegeln - angesichts der beginnenden Präsidentschaft von Joe Biden, die sich wahrscheinlich auf eine transatlantische Allianz konzentriert, um dem Aufstieg Chinas zu begegnen", sagte die Quelle laut "SCMP". "Aber allgemein gab es Einigung, dass die EU-Verhandlungsführer erreicht haben, was die EU seit sieben Jahren fordern, was China tun soll. China hat große Zugeständnisse gemacht." Deswegen habe die Europäische Kommission die "politische Grundsatzentscheidung" getroffen, die Verhandlungen abzuschließen.

© dpa-infocom, dpa:201218-99-738901/5

South China Morning Post

Studie IW