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Verbotene Absprachen Kartellamt verhängt Bußgelder über 358 Millionen Euro

Wenn Konkurrenten sich absprechen und gemeinsame Sache machen, guckt einer in die Röhre: der Verbraucher. Schließlich muss der tiefer in die Tasche greifen wegen des ausgehebelten Wettbewerbs. Doch beteiligten Firmen kommt so eine Absprache mitunter teuer zu stehen.

29.12.2020, 04:40
Oliver Berg
Oliver Berg dpa

Bonn (dpa) - Wegen verbotener Absprachen hat das Bundeskartellamt im Jahr 2020 Bußgelder von insgesamt 358 Millionen Euro verhängt. Betroffen waren 19 Firmen, wie die Bonner Behörde mitteilte.

Es ging unter anderem um Händler von Pflanzenschutzmitteln, Hersteller von Kfz-Schildern sowie Aluminium-Schmieden. Ein kleiner Teil der Bußgelder wurde natürlichen Personen - also Managern - aufs Auge gedrückt. Im Vorjahr lagen die Bußgelder bei 848 Millionen Euro, während sie 2018 ähnlich hoch waren wie jetzt. "Wirtschaftlich schwierige Zeiten sind keine Rechtfertigung für Kartellabsprachen", sagte Behördenchef Andreas Mundt. Die Kartellverfolgung bleibe ganz oben auf der Agenda.

Kartellabsprachen sind grundsätzlich verboten: Sie hemmen den Wettbewerb, was beim Kunden zu höheren Kosten führt. Wie viel der Staat nach Verhängung der Bußgelder letztendlich in die Kasse bekommt, ist noch unklar. Denn die betroffenen Unternehmen können den Bußgeldbescheid vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht kippen oder abmildern lassen. Allerdings hat der Gang vor das OLG seine Tücken, denn das Gericht kann den Vorgang auch strenger bewerten als die Bonner Behörde und die Zahlungsverpflichtungen erhöhen.

Bei ihrem Vorgehen setzen Deutschlands oberste Wettbewerbshüter auf Informationen direkt aus dem Kreis der Kartellanten - Firmen haben die Möglichkeit, als Kronzeugen die Karten auf den Tisch zu legen und dann nichts oder nur relativ wenig Geld zahlen zu müssen. 2020 beteiligten sich den Angaben zufolge 13 Unternehmen an dem Kronzeugenprogramm. Das waren weniger als in den Vorjahren: 2018 waren es 21 Kronzeugen und 2019 noch 16.

Für die Behörde ist das eine negative Entwicklung. "Angesichts rückläufiger Kronzeugenanträge als Folge vermehrter Schadenersatzprozesse erkunden wir innovative Ermittlungsmethoden wie das "Screening" von Märkten", sagte Mundt. Auch die Möglichkeiten des digitalen anonymen Hinweisgebersystems würden ausgebaut.

Mundt bezog sich auf zivilrechtliche Klagen, die geschädigte Firmen in einem separaten Schritt einreichen und sich dabei auf die Bußgeldverhängung der Behörde beziehen - von solchen Ansprüchen bleibt ein Kronzeuge nicht verschont. Da dieses zivilrechtliche Klagevolumen in den vergangenen Jahren nach Branchenschätzung gestiegen ist, schrecken vermutlich einige Manager vor einem Kronzeugenantrag zurück - in der Annahme, dass nachfolgende zivilrechtliche Ansprüche so hoch wären, dass das Vergehen der eigenen Firma doch besser unter der Decke bleiben sollte. Die Aussicht auf ein geringeres Bußgeld durch das Kartellamt verliert für sie wegen der drohenden Schadenersatzforderungen ihren Reiz.

Ein weiteres Standbein des Bundeskartellamtes ist die Fusionskontrolle, bei der die Zusammenschlüsse von Firmen auf eine möglicherweise marktbeherrschende Stellung überprüft werden. 2020 nahm das Amt rund 1200 Fusionen unter die Lupe.

Außerdem hat die einflussreiche Behörde die Digitalwirtschaft im Blick. Die Marktmacht von Branchenriesen ist für die Bonner durchaus Grund zur Besorgnis. 2019 hatte das Kartellamt zum Beispiel Facebook Beschränkungen zur Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt. Die Novelle eines Bundesgesetzes, die bis zum Frühjahr Bundestag und Bundesrat passiert haben könnte, würde die Befugnisse des Kartellamtes erweitern. Die Bonner könnten dann Unternehmen "mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb" im Kontext der digitalen Wirtschaft gewisse Verhaltensweisen verbieten.

© dpa-infocom, dpa:201229-99-837620/2